Misstrauensvotum gegen von der Leyen: Vergeltung für Russland-Resolution?

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Das Misstrauensvotum gegen von der Leyen verursacht Unruhe und parallel dazu steht eine neue Russland-Resolution zur Abstimmung. Steckt mehr dahinter?

Brüssel – Ursula von der Leyen, die deutsche EU-Kommissionspräsidentin, muss sich am 10. Juli einem Misstrauensvotum im EU-Parlament stellen. Grund für das Misstrauensvotum ist ein Antrag, den vor einigen Wochen der EU-Abgeordnete Gheorghe Piperea aus Rumänien gestellt hatte. Konkret soll es um Fehlverhalten der Kommission während der Corona-Pandemie gehen. Ein Erfolg des Misstrauensvotums gilt als unwahrscheinlich, doch bringt der Misstrauensantrag Unruhe in das politische Brüssel. Brisant ist dabei nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch der Kontext: Ausgerechnet in der gleichen Sitzungswoche soll auch über eine neue Resolution zu Russland abgestimmt werden.

EU-Misstrauensvotum gegen von der Leyen: Fehlverhalten von Kommission wird angeprangert

Lediglich 72 Unterstützer, also zehn Prozent aller Abgeordneten benötigte Piperea, um das Misstrauensvotum gegen von der Leyen einzuleiten. Zwei Seiten umfasst der Antrag. Angeprangert wird ein Fehlverhalten der Kommission während der Pandemie, insbesondere bei der Bestellung von ungenutzten Impfdosen im Wert von rund vier Milliarden Euro. Außerdem soll die Kommission Informationen zu Textnachrichten aus dieser Zeit zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla zurückhalten.

Auch soll von der Leyen mit manchen politischen Initiativen zuletzt bei ihr eigentlich wohlgesonnenen Abgeordneten für Unmut gesorgt haben und etwa ein milliardenschweres Kreditprogramm für Verteidigungsinvestitionen als Notfallmaßnahme ohne Parlamentsbeteiligung geplant haben. Letzterer Punkt wird in dem Misstrauensantrag kritisiert.

Mit der Zollerhebung auf importierten Stahl und Aluminium wird auch die Europäische Union aktiv.
Ursula von der Leyen, die deutsche EU-Kommissionspräsidentin, muss sich am 10. Juli einem Misstrauensvotum im EU-Parlament stellen (Archivbild). © IMAGO/Bert Van Den Broucke

Neue Russland-Resolution: Enteignung eingefrorener russischer Vermögenswerte?

Das Misstrauensvotum wird am 10. Juli während der Plenarsitzung in Straßburg stattfinden. Im Rahmen derselben Sitzungswoche soll eine weitere brisante Abstimmung stattfinden. Das Europäische Parlament hat einen Entwurf für eine neue Resolution ausgearbeitet, die die dringende Enteignung eingefrorener russischer Vermögenswerte fordert. Die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS hatte die zwei Abstimmungen in einem Bericht in Verbindung gebracht.

Der Resolutionsentwurf ruft die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, dringend das 18. Sanktionspaket gegen Russland zu verabschieden. Vorgesehen sind dabei weitere Strafmaßnahmen gegen zentrale russische Wirtschaftszweige, sowie auf wichtige Rohstoffe wie Stahl, Titan, Nickel und Uran. Zudem fordert die Resolution, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zügig auf eine oder mehrere Zweckgesellschaften zu übertragen, um sie vor einem möglichen Veto gegen deren Verwendung auf EU-Ebene zu schützen.

Das Geld soll über ein spezielles Darlehen bereitgestellt werden, das sich auf das völkerrechtlich anerkannte Recht der Ukraine auf Kriegsentschädigung stützt. Damit könnten die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zur Unterstützung der ukrainischen Verteidigung, für den Wiederaufbau des durch den Ukraine-Krieg zerstörten Landes und für Entschädigungen der Opfer verwendet werden.

Kritik an Misstrauensvotum gegen von der Leyen: „Putins Marionetten“

Manche Beobachter dürften sich fragen, ob der Vorstoß gegen von der Leyen wirklich nur der Aufarbeitung der Corona-Politik dient oder ob er nicht auch als Signal, vielleicht gar als Retourkutsche für die geplante Russland-Positionierung zu verstehen ist. Antragssteller Piperea nannte auch die angebliche Einmischung der EU-Kommission in die rumänische Präsidentschaftswahl als Grund für den Misstrauensantrag. Dort hatte im November der prorussische Kandidat Călin Georgescu überraschend die erste Runde der Präsidentenwahl gewonnen. Der Vorsitzende der Europa-SPD, René Repasi, sprach von einer „politischen Inszenierung aus dem rechten Lager“. 

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, bezeichnete die Unterstützer des Antrags am Donnerstag als „Marionetten“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Putins Marionetten im Europäischen Parlament versuchen, die Einheit Europas zu untergraben und die Kommission in Zeiten globaler Turbulenzen und Wirtschaftskrisen zu stürzen“, erklärte Weber laut AFP. Die EVP stellt die mit Abstand größte Fraktion im EU-Parlament. Ihr gehört auch von der Leyen an. (lw)

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