Auf den Straßen, vor dem Rathaus: Ein Tag im Zeichen des Protests

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Ausgebremst: Der Verkehr kommt am Montagvormittag in Murnau zeitweise praktisch zum Erliegen. © Bartl

Der Protest gegen die Ampel weitet sich aus. Das war am Montag vor allem auf den Straßen zu spüren. In Murnau brachten Landwirte und Gewerbetreibende mit über 300 Fahrzeugen den Berufsverkehr phasenweise zum Erliegen. Bei der Spedition Wittwer blieb der Großteil der Lkw-Flotte stehen. Vor dem Murnauer Rathaus rechneten rund 100 Bürger mit der Bundesregierung ab.

Murnau – Es ist ein fast schon vertrautes Bild im Landkreis. Traktoren mit blinkender Rundumleuchte fahren in Schrittgeschwindigkeit über die Straßen. Hinter ihnen bildet sich ein immer größerer Stau. Der bundesweite Ampel-Protest, der in Garmisch-Partenkirchen bereits am Freitag mit einer groß angelegten Demonstrationsfahrt seinen Anfang genommen hatte, weitete sich nun auf den nördlichen Landkreis aus. Am deutlichsten war der Widerstand in Murnau zu vernehmen, genauer gesagt zwischen dem Spatzenhauser Kreisel und Hechendorf. Auf der gerade zur Morgenstunde hochfrequentierten Strecke ging zwischenzeitlich fast garnichts mehr. Rund 300 Traktoren und weitere Großfahrzeuge aller Art fuhren die Route von 7 bis etwa 11 Uhr im Schritttempo auf und ab. Organisiert hatte die Protestaktion Landwirt Christoph Lautner. Eine so große Resonanz hätte der Seehauser nicht erwartet: „Eigentlich habe ich mit 20, 30 Traktoren gerechnet.“ Als sich neben seinem Hof, dem vereinbarten Treffpunkt, Fahrzeuge „aus allen Himmelsrichtungen“, versammelten, bestärkte ihn das in seiner Ansicht: „Es muss sich politisch grundsätzlich etwas ändern.“ Lautner geht es nicht nur um Entscheidungen bezüglich Steuersubventionen für Landwirte, sondern um die Gesamtsituation: „Die Bundesregierung fährt unser Land gegen die Wand“, befürchtet der Seehauser. Deshalb sei ein eindeutiges Zeichen längst überfällig gewesen.

Verkehr in Murnau kommt zeitweise praktisch zum Erliegen

Das haben Lautner und seine Mitstreiter gesetzt. Landwirte, Firmeninhaber und Unternehmer aus verschiedensten Branchen brachten den Verkehr im Markt zeitweise mehr oder minder zum Stillstand. In friedlicher Art und Weise, wie das zuständige Polizeipräsidium Oberbayern Süd am frühen Nachmittag mitteilte. „Bislang sind uns keinerlei Zwischenfälle gemeldet worden“, bestätigte Sprecher Alexander Huber. Vor Ort zeigte die Polizei Präsenz. Die Vorgehensweise der Beamten wollte der Organisator noch einmal explizit loben. Daran, dass es friedlich bleiben würde, hatte Lautner ohnehin keine Zweifel: „Ich kenne meine Leute.“ Die Aktion hinterließ bei ihm und seinen Mitstreitern einmal mehr den Eindruck: „Die breite Masse der Bevölkerung steht hinter uns.“

Knapp 100 Lkw der Wittwer-Flotte bleiben stehen

Dieses Gefühl teilt Georg Wittwer. Auch Fahrzeuge seiner europaweit agierenden Flotte reihten sich in die Demonstrationsfahrt in und um Murnau ein. Der Großteil aber blieb stehen – und setzte ein Zeichen gegen Beschlüsse wie die Erhöhung der Lkw-Maut. Ursprünglich sollten es 80 Fahrzeuge sein. Nun waren es sogar knapp 100, wie der Geschäftsführer berichtet. Das Fazit der Kunden der Spedition sei „durchweg positiv“ gewesen. „Wir haben wirklich nur das transportiert, was wir mussten“, erklärt er. Sensible Ware wie Arzneimittel oder bestimmte Lebensmittel wurden normal ausgeliefert.

Aufgeheizte Stimmung vor dem Murnauer Rathaus

Richtig aufgeheizt war die Stimmung indes vor dem Murnauer Rathaus. Am frühen Nachmittag folgten dort rund 100 Bürger dem Ruf von Stephanie Wachter. Die Geschäftsführerin eines örtlichen Pflegedienstes hatte die Versammlung mit einigen Mitstreitern aus dem Gesundheitswesen organisiert. Die Veranstalter fürchten um die Zukunft ihrer Branche und kritisieren Steuerverschwendung. Forderungen Wachters, wie zum Beispiel das Ausrufen von Neuwahlen, untermauerten die frustrierten Bürger mit ihren Trillerpfeifen. Unter ihnen auch das Ehepaar Rauscher aus Penzberg. Die beiden Rentner sorgen sich um ihre Zukunft und die ihrer Nachkommen. Und auch um ihr Haus – sie befürchten, dass sie gezwungen sein könnten, es wegen eines Gesetzes für viel Geld umzurüsten. „Vielleicht müssen wir es sogar verkaufen“, erzählten sie besorgt. Mit ihrer Rente sei das nicht mehr zu stemmen.

Angehörige der Reichsbürgerszene mischen sich unter die Demonstranten

Zu Beginn der Kundgebung blieb der Ton friedlich, wie es Wachter zuvor angemahnt hatte. Im Verlauf kam es jedoch zu Wortmeldungen, die mit demokratischen Werten nur schwer vereinbar sind. Dazu passt, dass sich nach der Einschätzung des Murnauer Polizeichefs Joachim Loy auch mehrere Personen aus der sogenannten Reichsbürgerszene unter die Demonstranten mischten. So auch Dr. Uwe Erfurth, den Loy als „Reichsbürger“ bezeichnet; Erfurth war einer der Köpfe der Murnauer Corona-Demonstrationen. Der Bad Kohlgruber nannte Deutschland am Montag unter anderem einen „Terrorstaat“. Für Loy dürfen solche Aussagen nicht ungeahndet bleiben. „Ich möchte nicht, dass sich so ein Gedankengut in Murnau verbreitet.“

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