76-Jähriger in Mindelheim von Müllfahrzeug erfasst: Fahrer steht wegen fahrlässiger Tötung vor Amtsgericht

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Ein tragischer Verkehrsunfall, bei dem ein 76-Jähriger zu Tode kam, wurde vergangene Woche vor dem Amtsgericht in Memmingen verhandelt. © Wiethaler

Wenn ein Mensch bei einem Unfall zu Tode kommt, ist das immer schlimm und für Hinterbliebenen sowie für die Unfallbeteiligten ein schwerer Schicksalsschlag. Der Fall, der vergangene Woche vor dem Memminger Amtsgericht verhandelt wurde, zeichnete ein besonders tragisches Bild.

Mindelheim – Der Unfall, bei dem ein 76-Jähriger ums Leben kam, hatte sich vergangenen August im Mindelheimer Ortsteil Heimenegg ereignet. Der Mann, der an jenem Morgen wohl mit dem Beseitigen von Unkraut auf seinem Grundstück beschäftigt war, wurde von einem Müllentsorgungs-Lkw erfasst und verstarb aufgrund der Schwere seiner Verletzungen noch vor Ort.

Nach Unfall mit Müllfahrzeug in Mindelheim: Fahrer steht wegen fahrlässiger Tötung vor Amtsgericht

Der Fahrer des Lkws musste sich, nachdem er gegen den ersten Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte, vor dem Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Bei der Verhandlung wurde deutlich, dass am Unfalltag – bei dem es sich um einen regulären Termin zur Entleerung der gelben Tonne gehandelt hatte – mehrere unglückliche Umstände zusammenkamen. Das Unfallopfer trug wegen der Arbeiten mit einer Motorsense zur Unkrautbeseitigung einen Gehörschutz und hatte wahrscheinlich auch eine Kappe sowie eine Sonnenbrille auf. Wie vor Gericht mehrmals erläutert wurde, dürfte das der Grund dafür sein, aus dem der Mann weder die akustischen noch die visuellen Warnsignale des Lkws wahrnahm, der sich ihm rückwärts näherte.

Dem Lkw-Fahrer war im Gerichtssaal deutlich anzumerken, wie sehr ihn die Geschehnisse immer noch mitnehmen. Bevor er zur Entleerung der Tonnen rückwärts in die Hofeinfahrt gefahren sei, habe er sich genau umgesehen. „Wenn da jemand gearbeitet hat, dann hätte ich ihn sehen müssen“, so der gelernte Berufskraftfahrer, der schon seit mehreren Jahrzehnten Lkw fährt.

Viele unglückliche Umstände kamen zusammen

Jedoch verfügt das Müllfahrzeug anstelle von gewöhnlichen Außenspiegeln über sogenannte Mirror Cams. Er könne immer nur auf ein Display schauen, so der Angeklagte. Sprich, er habe nicht gleichzeitig überprüfen können, was sich links, rechts und/oder hinter dem Fahrzeug abspielt. Somit konnte es sich der Angeklagte nur so erklären, dass das Unfallopfer ausschließlich dann im Blickfeld der Mirror Cams auftauchte, wenn er gerade die Ansichten gewechselt habe.

Nachdem der Mann von dem Fahrzeug erfasst wurde, so die Vermutung des Angeklagten, müsse er sich am Unterfahrschutz des Lkw verfangen haben und dadurch mitgeschleift worden sein. „Wenn man erstmal unter den Unterfahrschutz gerät, ist es zu spät“, so der 66-Jährige.

Trotz Reanimation: 76-Jähriger verstirbt noch vor Ort

Wie der Berufskraftfahrer, der inzwischen Rente bezieht und sich mit gelegentlichen Lkw-Fahrten etwas dazu verdient, weiter ausführte, habe er zu keinem Zeitpunkt mitbekommen, dass etwas passiert sei. Erst nach dem Entleeren der Tonnen auf dem betreffenden Grundstück habe er etwas Auffälliges in einem der Displays gesehen. Jedoch dachte er, er hätte einen Ast verloren. Als der diesen aufheben wollte, sah er, dass dort jemand lag. Daraufhin alarmierte er den Notruf und versuchte bis zum Eintreffen der Rettungskräfte den verletzten Mann zu reanimieren. Dessen Verletzungen waren allerdings zu schwerwiegend und der 76-Jährige verstarb noch vor Ort.

Auf Nachfrage des Staatsanwalts erklärte der Angeklagte, dass er ungefähr bei Schrittgeschwindigkeit rückwärts gefahren sei, da er auch auf eine Dachrinne achten musste. Da die Straße zuvor zur Tour eines Kollegen gehört hatte, war es erst das zweite Mal gewesen, dass der Berufskraftfahrer, der gebürtig aus Frankfurt am Main stammt, sie mit dem Müllfahrzeug befuhr. Er gab jedoch an, nach der ersten Fahrt eine Karte von der Straße erstellt und sich genau mit der Strecke auseinandergesetzt zu haben. Auf die Frage seines Anwalts, was er rückblickend anders machen würde, wusste der Angeklagte nicht weiter: „Ich weiß nicht, wie ich es hätte vermeiden können.“ Er erklärte zudem, dass er der Familie über einen gemeinsamen Bekannten sein Bedauern habe zukommen lassen. Bei diesen Worten kämpfte er im Gerichtssaal mit den Tränen.

Weiterer tragischer Umstand bei Unfall mit Müllfahrzeug in Mindelheim kommt ans Tageslicht

Wie der Beschuldigte mehrfach deutlich machte, könne er nicht verstehen, warum man die Mirror Cams gewöhnlichen Außenspiegeln vorgezogen habe. „Ich frage mich, wer auf die Idee gekommen ist, die einzubauen.“ Durch die Cams könne er nur die Bildschirmaufnahmen sehen und nicht – wie bei Außenspiegeln – den Blickwinkel verändern. Auch war es für ihn nicht nachvollziehbar, warum der Lkw nicht über einen Rückfahrsensor verfügt. Jeder Pkw würde inzwischen einen solchen besitzen.

Einen weiteren tragischen Umstand offenbarte die Vernehmung des Gutachters, der sich umfassend mit dem Lkw, den der Angeklagte am Unfalltag gefahren hatte, auseinandergesetzt hatte. Dabei kam heraus, dass der Lkw sehr wohl über einen Rückfahrsensor verfügt, der auch funktionstüchtig war. An einem Kabel wurden jedoch Schmorspuren festgestellt, weswegen die Leitung nicht unter Spannung stand und kein Warnsignal an den Fahrer abgegeben werden konnte. Der Gutachter geht davon aus, dass der Defekt schon länger bestand und schlichtweg niemandem aufgefallen war. Der Angeklagte zeigte sich von dieser Information im Gerichtssaal völlig überrascht – er habe nichts von diesem Sensor gewusst. Er äußerte die Vermutung, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn der Sensor richtig reagiert hätte.

Angeklagter hadert stark mit Vorfall

Nach einem kurzen Rechtsgespräch mit Staatsanwalt und Gericht kam der Angeklagte mit seinem Anwalt zu der Entscheidung, den Einspruch nur auf die Rechtsfolgen zu beschränken. Somit akzeptierte er zwar den Tatvorwurf des Strafbefehls, hoffte aber auf ein niedrigeres Strafmaß.

Diese Hoffnung wurde erfüllt, die Geldstrafe wurde halbiert und beläuft sich nun auf 70 Tagessätze à 50 Euro. Zudem bekam der Angeklagte einen Monat Fahrverbot auferlegt und muss die Kosten des Verfahrens tragen. Wie die Richterin anschließend erklärte, kam dem Berufskraftfahrer zu Gute, dass er keine Vorstrafen hat, seinen Beruf über viele Jahre zuverlässig ausgeführt und versucht habe, den Mann zu reanimieren. Auch merke man ihm an, dass ihn der Vorfall stark mitgenommen habe. Zusätzlich trage das Unfallopfer eine Mitverantwortung. Hätte er keinen Gehörschutz sowie eine Kappe und eine Sonnenbrille getragen, hätte er das Müllfahrzeug erkennen können.

Wie schwer das Geschehene auf ihm lastet, wurde erneut beim letzten Wort des Angeklagten deutlich: „ Mir wäre es andersherum lieber. Wenn ich tot wäre, müsste ich mir keinen Kopf mehr machen.“

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