Von der Wiesn auf die Tutzinger Hütte – Wirtsleute lieben ihren Job: „Einfach ein schöner Arbeitsplatz

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Tini Seemüller und Thomas Jauernig sind die Wirtsleute der Tutzinger Hütte an der Benediktenwand. © Patrick Staar

Die Tutzinger Hütte ist eines der beliebtesten Ausflugsziele im Loisachtal. Die Hütte bietet eine traumhafte Umgebung für Kinder und Erwachsene. In unserer Serie „Verschnaufpause“ stellen wir die Hüttenwirte vor.

Benediktbeuern - Die Tutzinger Hütte unterhalb der Benediktenwand wurde zwar schon 1908 eröffnet – so viele Übernachtungsgäste wie 2023 hat sie aber noch nie angelockt: Über 10 000 zählte Thomas Jauernig während der sechsmonatigen Öffnungszeit. In diesem verregneten Jahr seien solche Spitzenwerte nicht denkbar, sagt der Hüttenwirt: „Heuer ist einfach nur ein gutes Jahr – wir brauchen nicht zu jammern.“

Es gibt viele gute Gründe dafür, dass sich Jauernig selbst in einem verregneten Jahr keine Gedanken machen muss, dass die Besucher ausbleiben. Die Tutzinger Hütte zählt zu den klassischen Ausflugszielen von Mountain-, Gravel- und E-Bikern. An guten Tagen stehen unterhalb der Tutzinger Hütte mehr Fahrräder als in so manchem Fachgeschäft. Kein Wunder. Der Forstweg zur Talstation ist perfekt gepflegt und in E-Bike-Zeiten für jeden problemlos erreichbar.

Teil des Fernwanderwegs München – Venedig

Zudem ist die Benediktenwand seit jeher ein beliebtes Ziel für Wanderer. Viele, die auf dem Fernwanderweg von München nach Venedig unterwegs sind, wählen die Tutzinger Hütte als Zwischenziel. Sie starten in der Jachenau. Für Kinder ist wiederum der Aufstieg über Benediktbeuern und das Lainbachtal besonders interessant – hier kann man wunderbar am Wasser spielen. Es gibt aber auch noch viele weitere Möglichkeiten, wie man zur Tutzinger Hütte gelangen kann – beispielsweise über das Brauneck.

Wissenswertes

Schon in den ersten zwei Jahren ihres Bestehens zählte die Hütte über 5000 Besucher. Darunter auch einige wagemutige. So gab es allein zwischen 1901 und 1913 an der Wand zehn tödliche und viele weitere schwere Bergunfälle. Der damalige Hüttenwirt Toni Streidl holte mehrfach unter eigener Lebensgefahr Verunglückte aus der Wand. Aufgrund der Unfälle und der zentralen Lage wurde schon 1909 ein Telefon auf der Hütte installiert. Ab 1933 leuchtete erstmals elektrisches Licht statt der bisherigen Spiritus-Lampen.

Wegen der großen Besucherzahl wurde bereits 1924 eine Erweiterung der Hütte notwendig, 110 Menschen konnten jetzt dort übernachten. 1962 wurde die Forststraße zum Tutzinger Blick hinauf vollendet. 1965 entstand die Material-Seilbahn, die bis heute den Forstweg mit der Tutzinger Hütte verbindet.

1979 herrschte Wassernot auf der Tutzinger Hütte, das vorhandene Quellwasser entsprach nicht mehr den Vorschriften des Wasserwirtschaftsamts. Die Sektion beauftragte einen Wünschelrutengänger. Zwei Probebohrungen brachten Erfolg, es wurde eine Quelle mit 4500 Liter Wasser pro Stunde in guter Qualität entdeckt. Seit 1990 existiert die mechanisch-biologische Kläranlage.

1999 wurde die alte Hütte abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Dieser ging wegen des schlechten Wetters erst 2001 in Betrieb.

Immer wieder musste die Sektion mit Lawinenabgängen kämpfen. 1917 verschob eine Lawine die Grundmauern der Hütte, im März 2009 wurde sie leicht beschädigt und die Hausstattalm vollständig zerstört. Der Neubau wurde im September 2010 eröffnet.

In den vergangenen Jahren arbeitete der Alpenverein an der Klimaneutralität. So entstand auf dem Dach eine Photovoltaik-Anlage, ebenso wurden neue Batterie-Module eingebaut. Mit Wärme werden die Hütte und die Alm durch ein Gas-Blockheizkraftwerk versorgt.

Und dann ist da noch die Umgebung. Wer auf der Suche nach dem Paradies ist, sollte an der Tutzinger Hütte beginnen – irgendwo in der Nähe muss es wohl sein. Wer zum ersten Mal dort steht und sieht, wie die Benediktenwand in Griffweite 500 Meter empor ragt, dem bleibt die Sprache weg. Ein Traum für Kinder ist das Bächlein, das an der Hütte vorbeifließt – im Laufe der Jahre dürften hier tausende kleine Staudämme errichtet worden sein. Und dann gibt es da noch die zahlreichen Findlinge, die man wunderbar hochkraxeln kann. „Bach, Wald, Steine – für Kinder ist das ein traumhafter Spielplatz“, sagt Jauernig. Er selbst hat sich von der Magie der Tutzinger Hütte einfangen lassen. Schon im Alter von drei Jahren nahm ihn sein Vater das erste Mal mit auf die Benediktenwand. Als Kind wanderte er viele Male hinauf. Und nun arbeitet er dort.

„Jeder Tag bringt neue Aufgaben“

Dabei hatte Jauernig beruflich zunächst einen ganz anderen Weg eingeschlagen: Er war als Einzelhandels-Kaufmann für eine EDV-Firma in Bad Tölz unterwegs. Seine Frau Sabine sammelte im Schlehdorfer „Fischerwirt“ und auf der Wiesn Erfahrung in der Gastronomie. Als sie vor sieben Jahren die Chance bekamen, die Tutzinger Hütte zu übernehmen, schlugen sie zu. Sie holten als Wirtin noch Thomas Jauernigs Schwägerin Tini Seemüller mit ins Boot, die ebenfalls schon Vorerfahrung hatte.

Klettersteig zur Benediktenwand, auch für Kinder machbar.
Klettersteig zur Benediktenwand, auch für Kinder machbar. © Patrick Staar

Thomas Jauernig hat die Entscheidung keinen Tag bedauert. „Jeder Tag bringt neue Aufgaben“, sagt der 49-Jährige. „Auf einer Hütte muss man immer irgendein technisches Problem lösen oder es gibt eine Besonderheit bei den Gästen.“ Seine Hauptaufgaben? „Ich bin Haustechniker, Bäcker, Gästebetreuer, Wanderführer, Seelsorger, Schuhreparierer, Schustermeister, und ich bin zuständig für Sanitär, Wasser und Abwasser.“ Diese vielfältigen Aufgaben machten es spannend. Am meisten schätze er jedoch den Umgang mit den Gästen, und die Natur sei sowieso schön: „Einfach ein schöner Arbeitsplatz.“

Personal ist wie eine Familie

Zugleich ist es aber auch ein herausforderndes Leben. Ein halbes Jahr lang arbeiten die drei Wirtsleute, die fünf Festangestellten und die Aushilfen auf engstem Raum zusammen, fürs Personal gibt es keine Einzelzimmer: „Das Personal hat wenig Privatsphäre, dafür aber eine neue, nette kleine Familie. Wenn es funktioniert, ist es supercool – und bei uns funktioniert das sehr gut.“

Steckbrief

Baujahr: 1907/Einweihung 1908
Sitzplätze innen: 100
Sitzplätze außen: 180
Übernachtungsplätze: 100
Spezialitäten des Hauses: Kaspressknödel, Kaiserschmarrn
Meist bestelltes Getränk: Alkoholfreies Weißbier und Helles
Zustiege: Von Benediktbeuern über das Lainbachtal (Ausgangspunkt Parkplatz Mariabrunn) oder über die Forststraße (Ausgangspunkt Parkplatz Alpenwarmbad). Von Lenggries über das Brauneck. Vom Jachenauer Ortsteil Petern über die Benediktenwand auf dem München-Venedig-Fernwanderweg. Der Weg ist derzeit allerdings gesperrt.
Öffnungszeiten: Vom 3. Mai bis einschließlich 2. November.

Eine Besonderheit der Tutzinger Hütte: Es gibt Fanartikel, allesamt entworfen von den Wirtsleuten: „Das ist so etwas wie mein Kind“, sagt Jauernig: „Wir haben mit der Familie lange hingearbeitet, bis wir das Logo so hingebracht haben.“ Reich könne man mit den verkauften Caps und Shirts nicht werden, räumt Jauernig ein: „Aber ich finde es saucool, dass sie den Leuten gefallen. Und es ist witzig, an welchen Stellen im Tal man die Leute mit den T-Shirts trifft.“ Gerade Kinder legten großen Wert darauf, dass sie auch noch das letzte Stück zur Benediktenwand hochgehen: „Sie wollen sich ihr T-Shirt und Cap verdienen.“

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Schwer kalkulierbar ist die Besucheranzahl. Nach dem Rekordjahr 2023 haben die Wirtsleute heuer etwas zu kämpfen: „Wir hatten im Mai und Juni so viele Stornierungen wie im ganzen letzten Jahr“, berichtet Jauernig. Dies könne man auch mit einem guten August nicht mehr auffangen. Ans Aufhören verschwendet Jauernig trotz all dieser Unwägbarkeiten keinen Gedanken: „Alles steht und fällt mit der Gesundheit. Solange wir Spaß bei der Arbeit haben, ergibt es Sinn, dass wir weitermachen.“

Weitere Folgen aus der Serie Verschnaufpause: Die Tölzer Hütte am Brauneck, die Oswaldhütte in Vorderriß, das Herzogstandhaus und die Kaiserhütte.

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