Doris Dörries „Die Reisgöttin“: Dieses Buch macht gute Laune!
Doris Dörrie hat ein neues Buch „Die Reisgöttin“ veröffentlicht. Unser Geschenktipp für Menschen, die gern reisen, träumen, Geschichten hören.
Doris Dörrie hat viel mitgebracht von all ihren Reisen. Für sich, für ihre Liebsten. Und mit diesem Buch einmal mehr für ihre Leser. Ach, die Dörrie weiß einfach, wie Erzählen geht. Bei ihr ist’s reiner Selbstzweck: Jeden Tag schreibt sich die Münchner Regisseurin in einer Kladde ihre Gedanken von der Seele. Denn wer beschreibt, was um ihn herum und in ihm drin passiert, der nimmt mit allen Sinnen wahr. Das Gezwitscher der Vögel, den Brezn-Duft, der aus der Bäckerei strömt, die Wärme der Frühlingssonnenstrahlen auf der endlich wieder unbestrumpften Haut, die Kinder, die sich um den besten Platz am Bussteig streiten. Und so ist auch Doris Dörries neues Büchlein „Die Reisgöttin“ wie alle ihre Werke ein sinnliches Vergnügen.
Lauter Souvenirs, Flohmarktschnäppchen, Funde aus fremdländischen Supermärkten stellt die 68-Jährige vor. Jede Anekdote dazu nur eineinhalb Seiten kurz, vielleicht auf der Parkbank beim Warten auf den Bus notiert – Dörries Tipp gegen Smartphone-Daddelei – doch voller Gefühl, Witz, Lakonie und ansteckender warmer Nostalgie. Doris Dörrie lesen heißt auch immer: spüren, dass wir Menschen in unseren Sehnsüchten letztlich ziemlich ähnlich ticken.

Da sollte Empathie doch eigentlich ganz leichtfallen. Tut’s oft gar nicht. Auch nicht einer in Meditation und Zen und Achtsamkeit geübten Frau wie ihr. Aber, wie angenehm, Dörrie weiß es ja selbst, nimmt ihre eigenen Unzulänglichkeiten mit Humor und ermuntert so zwischen den Zeilen, es ihr gleichzutun. Behutsam blitzt in den Texten der Wunsch nach mehr Mitmenschlichkeit auf, vielleicht der wichtigste Nebeneffekt allen Reisens. Fast immer kauft sie in der Ferne landestypische Kleider und Schuhe. Und nimmt jedem darüber empörten selbsterklärten Menschenfreund klug die heiße Luft aus den Segeln: „In Mexiko nickte man mir in meiner bunten Mananita freundlich zu, in Südafrika lernte ich 20 verschiedene Weisen, einen Turban zu wickeln. Ja, das kann man auch kulturelle Aneignung nennen, aber ich verstehe eine andere Kultur ein wenig besser, wenn ich ein paar Schritte in des anderen Gewand oder Schuhen gehe.“
Liest man Doris Dörries neues Buch, möchte man gleich über den Brenner brausen
Reisen weitet den Blick, Andenken sorgen dafür, dass er geweitet bleibt. Dass man ein bisschen länger dieser Mensch ist, der man in der Ferne war. Deshalb trägt Doris Dörrie sie alle ins traute, voll und voller gestellte Heim: das perfekte Messer aus Chinatown in San Francisco, das Ruchmehl aus der Schweiz („Und kaum bin ich wieder zu Hause, backe ich Brot, was ja bekanntlich gegen jede Art von Blues hilft“), die Pantoffeln aus Marokko oder die Kunstkirschblüten aus Japan („Die Kirschblüte, das Symbol für Vergänglichkeit, die Schönheit des Augenblicks, den man nicht festhalten kann“). Und immer wieder: Zitronen. Aus den Ländern, in denen „schon das Wort nicht so spitzmündig sauer klingt, sondern weich wie warmer Sommerwind: limone oder limón“. Nach der Lektüre dieses Büchleins will man gleich ins Auto springen und über den Brenner brausen, eine große Ladung pflücken und sie daheim in eine Schüssel legen. Als duftende, zitrusgelbe Erinnerung an sonnengebräunte Sommer voller Leichtigkeit. „Ich bilde mir ein, dass ich im Süden ein lustigerer, freierer, großzügigerer Mensch bin, dass ich meine deutsche Rechthaberei und Prinzipienhaftigkeit ein wenig verliere, dass ich besser tanzen kann und überhaupt einfach besser aussehe, mir alles in allem so als Mensch und Frau besser gefalle. Als Erinnerung daran schleppe ich weiter Zitronen vom Süden in den Norden. Eine nach der anderen, bis im Norden endlich wahr wird, was im Süden so viel einfacher scheint: smile.“ Doris Dörrie: „Die Reisgöttin“. Diogenes, Zürich, 112 Seiten; 24 Euro.