Fußballhistorie: Ein Jahrhundert Anlauf zum „deutschen Clásico“
Seit der Saison 1993/94 gingen fast alle Bundesligatitel an den FC Bayern oder Borussia Dortmund. Es war der Beginn der längsten Rivalität zweier deutscher Fußballvereine auf sportlichem Topniveau. Umso erstaunlicher erscheint es, dass sich die beiden Traditionsvereine und heutigen Clásico-Duellanten leistungsmäßig unglaublich lange nahezu aus dem Weg gingen.
München / Dortmund - Wer am Freitag die Spieltags-PK an der Säbener Straße mit FCB-Trainer Vincent Kompany und Sportdirektor Christoph Freund verfolgt hat, dem musste klar sein, dass es den deutschen Clásico tatsächlich gibt. Medienvertreter wie Vereinsangestellte verwendeten den Begriff pausenlos und Kompany erklärte nicht nur einmal, was ein Duell zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern für die beiden Vereine, den deutschen Fußball insgesamt bedeutet.
Vincent Kompany zur Bedeutung des BVB-Spiels
„Wir spielen ein sehr wichtiges Spiel jetzt gegen Dortmund. Es ist das größte Spiel der Saison, für den BVB – aber auch für uns. Es ist wichtig, Respekt für den Gegner zu haben. Es ist ein besonderes Spiel.“
Später legte Kompany noch einmal nach: „Es sind die Spiele, die international verfolgt werden. Das Spiel wird in der ganzen Welt geschaut. Diese Spiele sind meistens auch Spektakel. Ich würde mich freuen, wenn etwas los ist in diesem Spiel. Es darf auch emotional werden.“
Nach Vereinsgründung: Der FC Bayern startet sofort durch, der BVB bleibt vier Jahrzehnte unbedeutend
Dabei ist in Fußball-Deutschland in Vergessenheit geraten, dass sich die beiden aktuellen Dauerrivalen vorher fast ein Jahrhundert leistungsmäßig nahezu aus dem Weg gegangen sind.

Während der FC Bayern nach seiner Gründung am 27. Februar 1900 sofort die Vorherrschaft im Münchner Fußball übernahm, schnell zu einer regionalen (bayerischen bzw. süddeutschen) Größe aufstieg und nach einigen gescheiterten Versuchen 1932 erstmals Deutscher Fußballmeister wurde, dümpelte der BVB nach seiner Gründung im Jahr 1909 fast vier Jahrzehnte auf regional-begrenzter Ebene in einer gewissen Bedeutungslosigkeit dahin.
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Dortmund wird zur nationalen Größe
Im Ruhrpott war der aktuelle Zweitligist Schalke 04 die absolute Nummer 1, viele Dortmunder waren in jener Phase sogar Schalke-Fans bzw. -Bewunderer. Dieses „Aschenputtel-Dasein“ des BVB änderte sich mit einer Partie schlagartig: Am 18. Mai 1947 schlugen die Borussen erstmals die zuvor übermächtigen „Knappen“ mit 3:2 und wurden sensationell Westfalenmeister.
Ein Sieg, der dem Verein, der Stadt und den Fans offensichtlich sehr viel Selbstvertrauen einimpfte: Ab jener Partie mischte der BVB im deutschen Fußball mit! 1956 und 1957 gewann er die ersten beiden seiner insgesamt acht Deutschen Meisterschaften und stieg 1963 als amtierender Meister in die neu gegründete Bundesliga ein.
Der FC Bayern erholt sich nur langsam
Die Bayern dagegen, die unter ihrem Präsidenten Kurt Landauer 1932 auf dem Weg zur Vormacht im deutschen Fußball, aber auch aufgrund der für damals sehr modernen Strukturen zu einer europäischen Größe waren, brauchten sehr lange, bis sie sich von den „Schwächungen“ im Dritten Reich erholt hatten.
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In der Oberliga Süd (1945-1963) waren sie zwar in zehn von 18 Spielzeiten die Nummer 1 in München, insgesamt aber weit vom dominierenden Club aus Nürnberg abgehängt. 1955 stieg der FC Bayern sogar zum einzigen Mal in seiner Vereinshistorie ab. Auf den sofortigen Wiederaufstieg 1956 folgte nur ein Jahr später der erste DFB-Pokalsieg. Aber 1963 zählte man nicht zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga.
Bundesliga-Aufsteiger trifft auf Spitzenteam
Als die Bayern 1965 in die Bundesliga aufstiegen, waren die Dortmunder eine renommierte Spitzenmannschaft im deutschen Fußball und so verwunderte es nicht, dass die Bayern das allererste Aufeinandertreffen gegen den BVB am 16. Oktober 1965 zuhause im Grünwalder Stadion mit 0:2 verloren.
Am Saisonende war Dortmund hauchdünn vor den Bayern Vizemeister – beide Vereine hatten in jener Saison durchaus die Möglichkeiten, den Münchner Löwen den einzigen Meistertitel in deren Vereinsgeschichte streitig zu machen. Der BVB wurde zudem 1966 erster deutscher Europapokalsieger (der Pokalsieger) und der FC Bayern gewann als Bundesliga-Neuling sofort den DFB-Pokal.
Der FCB startet durch, der BVB ab
Ab der Saison 1966/67 ging die Entwicklung der beiden Vereine in grundsätzlich verschiedene Richtungen: Die Bayern gewannen am 17. Dezember 1966 erstmals gegen den BVB mit 1:0, am Ende der Saison den DFB-Pokal und den Europapokal der Pokalsieger und standen damit am Anfang einer ihrer – vor allem international – erfolgreichsten Ären.
Der BVB dagegen stieg nach der Saison 1971/72 in die Regionalliga (damals 2. Liga) ab. Unvergessen aus jener Saison: Der 11:1-Sieg der Bayern am 27. November 1971: Gerd Müller (4), Uli Hoeneß, Franz Roth (je 2), Franz Beckenbauer, Paul Breitner und Willi Hoffmann zerlegten vor 17.000 Zuschauern im Grünwalder Stadion den BVB in alle Einzelteile – bis heute der höchste Bundesligasieg des FC Bayern. (Titelbild)
Während die Bayern von 1972-74 ihren ersten Titel-Hattrick in der Bundesliga holten und von 1974-76 dreimal in Folge den Europapokal der Landesmeister holten, benötigte der BVB vier Jahre, um sich einigermaßen zu erholen und 1976 wieder in die Bundesliga zurückzukehren.
Die Entwicklung zum Clásico
Aber erst in der Saison 1994/95 konnte man nach 32-jähriger Pause wieder – unter Mithilfe der Bayern am letzten Spieltag, die den Tabellenführer Bremen mit 3:1 schlugen – Deutscher Meister werden. Die Bayern waren zu dem Zeitpunkt längst Deutscher Rekordmeister.
Was seinerzeit die Hitzfeld-Ära in Dortmund eingeleitet hatte, machte die Klopp-Ära später perfekt: Der deutsche Clásico, Klassiker, Germanico etc. war geboren!