Ampel will Stromzähler ab 2025 teurer machen – „Ein Armutszeugnis für Deutschland“
Die Ampel-Koalition hatte eigentlich die Digitalisierung des Energiemarktes mit einem Smart-Meter-Rollout ab 2025 besiegelt. Nun will sie bei ihrem Plan zurückrudern.
Berlin – Die Ampel-Koalition rudert bei der Digitalisierung des Energiesystems zurück. Einem neuen Entwurf zufolge sollen ab 2025 nicht wie geplant alle Haushalte ein Wunschrecht auf einen Smart Meter erhalten. Im Gegenzug sollen alle Betreiber einer Solaranlage verpflichtend einen solchen Stromzähler erhalten – ob sie ihn wollen oder nicht. Das geht aus einem Gesetzesentwurf, das IPPEN.MEDIA vorliegt, hervor. Besonders pikant ist außerdem die geplante Preiserhöhung für die intelligenten Stromzähler: Statt wie bisher geplant 20 Euro im Jahr zahlen zu müssen, werden die Kosten für einige Verbraucher auf 150 Euro im Jahr ansteigen.
Intelligente Stromzähler: Kaum Smart Meter in Deutschland, in Nachbarländern fast flächendeckend
Smart Meter gelten als zentraler Baustein für die Energiewende: Wer einen solchen Smart Meter hat, der kann dann seinen eigenen Stromverbrauch mit der Verfügbarkeit und Auslastung im Stromnetz quasi „abgleichen“. Mit einem dynamischen Stromtarif – wie ihn übrigens alle Stromanbieter ab 2025 anbieten müssen – können Kunden den Verbrauch so einstellen, dass sie hauptsächlich zu besonders günstigen Zeiten viel Strom nutzen. Wenn gerade sehr viel Strom produziert wird, weil die Sonne strahlt und der Wind weht, dann wird beispielsweise das E-Auto aufgeladen, da der Preis in den Keller rutscht. Laut Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende können so die Stromkosten von privaten Haushalten um bis zu 600 Euro im Jahr gedrückt werden.
Die Smart Meter sind aber auch wichtig, um das Stromnetz vor einer Überlastung zu schützen. Wenn sehr viele private Solaranlagen gleichzeitig hohe Strommengen in das Netz geben, dann kann das das Stromnetz überlasten. Daher sollen Solaranlagen, aber auch Wärmepumpen und Elektroautos, in Zukunft steuerbar sein. Dazu benötigt es aber einen Smart Meter, der die mögliche Überlastung des Stromnetzes messen kann.

Unter Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), ist ein Gesetz verabschiedet worden, das den Einbau dieser Systeme beschleunigen soll. Denn im internationalen Vergleich hinkt Deutschland deutlich hinter: Während in Dänemark, Schweden, Italien, Spanien und anderen europäischen Ländern bereits 90 Prozent der Haushalte Smart Meter haben, sind es hierzulande gerade mal ein Prozent aller Haushalte. Das soll sich jetzt aber ändern: Ab 2025 müssen Großstromverbraucher Smart Meter nach und nach einbauen, aber auch normale Haushalte sollten ein solches Messsystem erhalten dürfen, wenn sie das vom Messstellenbetreiber (in der Regel Stadtwerke) anfordern. Bis 2032 sollen die Smart Meter flächendeckend in deutschen Haushalten und Unternehmen zum Einsatz kommen.
Ampel bremst Smart-Meter-Rollout aus: Haushalte sollen deutlich mehr für Stromzähler bezahlen
Nun plant die Ampel-Regierung wichtige Änderungen am Smart-Meter-Rollout. Wie aus dem Gesetzesentwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts hervorgeht, sollen Verbraucher und Verbraucherinnen keinen Smart Meter mehr auf Wunsch bekommen. Beziehungsweise, sie können einen smarten Stromzähler anfordern, doch der Messstellenbetreiber darf ihn ablehnen, wenn es einen guten Einwand dagegen gibt. Die Ablehnung muss dann „nachvollziehbar in Textform“ begründet werden.
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Doch die Änderungen gehen noch weiter: So sollen ab 2025 alle Betreiber einer Solaranlage einen Smart Meter mit Steuerungsfähigkeit erhalten müssen. Das betrifft sowohl neue als auch bestehende Anlagen. Die Kosten für diese Anlagen teilen sich Messstellenbetreiber und Verbraucher. In der bisher geltenden Regelung sollten diese Kosten für Verbraucher auf 20 Euro pro Jahr gedeckelt werden, 80 Euro sollte der Messstellenbetreiber zahlen. Nun hat die Bundesregierung nochmal nachgerechnet und festgestellt, dass die Geräte doch teurer sind. Für Verbraucher, die sowohl einen Smart Meter als auch eine Steuerungsanlage benötigen (also alle mit PV-Anlage, Wärmepumpe, Elektroauto und einer Batterie), werden nun 150 Euro pro Jahr für die Geräte fällig. Die Kosten werden auf die Stromrechnung umgelegt.
Bisher war vorgesehen, dass Verbraucher, die mehr als 6000 kWh/Jahr an Strom verbrauchen, ebenfalls einen verpflichtenden Smart Meter bekommen sollten. Im neuen Ampel-Gesetz wird die Grenze auf 10.000 kWh/Strom im Jahr erhöht. Das betrifft nur sehr wenige Haushalte: Im Schnitt verbraucht ein Einfamilienhaus etwa 4000 kWh an Strom pro Jahr.
Ampel rudert bei Smart Metern zurück: Die geplanten Änderungen im Überblick
Damit bremst die Ampel-Regierung genau das aus, was sie eigentlich fördern wollte: Die flexiblere Nutzung von Strom. Der erneuerbare Strom ist aufgrund der Wetterbedingungen zu unterschiedlichen Zeiten verfügbar – entsprechend muss sich auch die Nachfrage ändern. Dazu braucht es aber Smart Meter, damit Haushalte genau dann Strom beziehen können, wenn er günstig ist, weil viele Erneuerbare Energien im Netz sind. Denn nur dann lohnt es sich, den Verbrauch in den Haushalten zu flexibilisieren. Das wird nun (erneut) ausgebremst. Zusammengefasst bedeuten die Änderung folgendes:
- Wer 10.000 kWh an Strom pro Jahr verbraucht, muss ab 2025 bis spätestens 2032 einen Smart Meter haben. Dieser kostet dann 50 Euro pro Jahr.
- Wenn der Haushalt eine Wärmepumpe, einen Ladepunkt für ein Elektroauto oder eine Klimaanlage besitzt, kommen nochmal 100 Euro pro Jahr für eine Steuerbox dazu, damit sie fernsteuerbar sind.
- Wer eine Solaranlage mit oder ohne Speicher besitzt und betreibt, muss ab 2025 bis spätestens 2032 einen Smart Meter mit Steuerungsfunktion bekommen. Dieser kostet dann ebenfalls 150 Euro pro Jahr.
- Wer einen Smart Meter freiwillig haben will, kann seinen Messstellenbetreiber (z.B. Stadtwerke) danach fragen. Dieser darf aber den Wunsch ablehnen, wenn er ein Risiko für seinen eigenen Rollout-Plan sieht. Die Ablehnung muss begründet werden.
- Bis 2032 müssen aber grundsätzlich alle Haushalte mit PV-Anlage, Wärmepumpe oder Ladepunkt in Deutschland einen Smart Meter haben.
- Für normale Haushalte unter 10.000 kWh ist dagegen kein verpflichtendes Ausbauziel mehr vorgesehen. Für sie sind die dynamischen Preise des Strommarkts nur dann zugänglich, wenn der Netzbetreiber ihren Wunsch auf Einbau erfüllt.
Die Änderungen sollen ab dem 6. November ins Kabinett und würden dann ab 1. Januar 2025 greifen.
Energieunternehmen sind entsetzt: „Ein absoluter Rückschritt“
Aus der Energiewirtschaft hagelt es Kritik an den geplanten Änderungen. Bastian Gierull, CEO des Stromanbieters Octopus Energy Germany, sagt unserer Redaktion: „Der neue Gesetzesentwurf ist ein Armutszeugnis für Deutschland – ein absoluter Rückschritt. Wir müssen mehr Smart Meter installieren, anstatt neue Hürden zu schaffen.“ Die Smart Meter seien notwendig für die Innovation, die durch die Energiewende ins Land kommen könnte. „Mit einem schnellen und flächendeckenden Smart-Meter-Rollout steht und fällt ein zukunftsfähiges und effizientes Stromnetz in Deutschland und damit bezahlbarer grüner Strom für alle“, so Bastian Gierulle weiter.
Felix Dembski, zuständig für Regulierungsfragen beim Speicherspezialisten Sonnen GmbH, ist ebenfalls verärgert über die geplanten Änderungen. Dass Verbraucher und Verbraucherinnen nicht mehr wirklich auf Wunsch einen Smart Meter erhalten können werden, nennt er „absolutes Gift für mehr Flexibilität im System“. „Dabei sind es doch genau die Wunschkunden, die den Rollout wirklich voranbringen könnten.“
Auch die geplanten Preiserhöhungen für die Smart Meter, insbesondere für diejenigen, die eine Steuerungsfunktion haben müssen, sind für ihn unverständlich. „Das ist dermaßen viel Geld, und auch ein Eingriff in den Bestandsschutz. Ich bin entsprechend gespannt auf die Modellrechnungen des Ministeriums. In seinem Gutachten aus dem Frühjahr hatte es nämlich bloß 36 Euro für die Fernsteuerbarkeit veranschlagt“. Die Tatsache, dass Deutschland 2007 den Einbau der Smart Meter eigentlich beschlossen hatte und bis jetzt nicht vorangekommen ist, sei „an deutscher Gründlichkeit schwer zu überbieten“, findet Dembski.