„Wir wohnen auf dem Land, ein ruhiges 750-Seelen-Dorf und das nun schon seit über zehn Jahren“, begann ein User auf der Social-Media-Plattform Reddit am Pfingstwochenende seinen Eintrag. „Das Leben war bis vor etwas über einem Jahr gut, unsere Kinder konnten immer im großen Garten spielen und sich so richtig austoben.“ Doch dann sei ein neuer Nachbar eingezogen. Alleinstehend – und Jäger.
„Er kam schon vor einigen Monaten mit ganzen Tieren zurück, beim ersten Mal waren es Enten und Fasane (...). Er hat die toten Viecher hinter seinem Schuppen aufgehängt, direkt in unsere Richtung.“ Er habe den Mann gebeten, die toten Tiere an anderer Stelle aufzuhängen, weil im Garten immer die Kinder im Alter von vier und sechs spielten und wohl kaum mit dem Anblick eines toten Tieres konfrontiert werden müssten. Als der Mann kurz darauf gut sichtbar ein totes Reh aufhing und ausweidete, ließ der Familienvater einen 1,80 Meter hohen Sichtzaun setzen.
Nachbar hängte tote Kaninchen über den Zaun
Das ist tatsächlich zulässig, half jedoch nicht: Als der Nachbar bald darauf von der Jagd nach Hause kam, "hing er seine toten Kaninchen über unseren Zaun“. Seine kleinen Kinder seien vollkommen panisch angerannt gekommen, berichtet der Vater auf Reddit. Seine kleine Tochter habe daraufhin gut drei Wochen verängstigt nachts zwischen ihm und seiner Frau im Bett geschlafen.
Als der Nachbar weiterhin nicht mit sich reden ließ, habe er die Polizei gerufen. „Seitdem schmeißt er regelmäßig seine Abfälle über unseren Zaun; Eingeweide, Knochen und so. Das lockt die Krähen und Ratten an und ist einfach nur widerlich.“
Zugegeben, ein krasser Fall. Doch Nachbarschaftsstreitigkeiten kommen in Deutschland ausgesprochen häufig vor. Mal werden Autoeinfahrten gezielt blockiert, mal rückt ein Promi-Torwart der Garage des Nachbarn mit der Kettensäge zu Leibe.
Sechs von zehn empfinden ihre Nachbarn als Störfaktor
Wie schlecht es um die gute Nachbarschaft in Deutschland bestellt ist, zeigt eine aktuelle, repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Portal „Kleinanzeigen“. 2114 Menschen wurden befragt, ob und wenn ja worüber sie mit ihren Nachbarn streiten. Ergebnis: „Sechs von zehn empfinden ihre Gartennachbarn als Störfaktor.“
Besonders häufig ärgern sich Menschen demnach über die Missachtung der Ruhezeiten: Der Anteil derer, die die „flexible Zeitgestaltung“ ihrer Gartennachbarn als störend empfinden, stieg von 16,8 Prozent im Vorjahr auf 18,3 Prozent. Auffällig: Vor allem die Jungen zeigen sich lärmempfindlich: Unter den 18- bis 24-Jährigen empfinden 25,8 Prozent Kinderlärm als besonders störend. 21,6 Prozent echauffieren sich über Missachtungen der Ruhezeiten und 18,3 Prozent stört das Rasenmähen nebenan. Nur rund ein Drittel (30,7 Prozent) der 18- bis 24-Jährigen fühlt sich überhaupt nicht von den Nachbarn gestört.
Mit zunehmendem Alter steigt dann offenbar auch die Toleranz: Rund die Hälfte über 55-Jährigen (45,9 Prozent) fühlt sich gar nicht gestört, nur jeder Fünfte in dieser Altersgruppe (19,3 Prozent) empfindet die Missachtung der Ruhezeiten als lästig, 12,9 Prozent stören sich an Kinderlärm und 13 Prozent am Rasenmähen.
Auch laute Musik ist mittlerweile oft Grund zum Streit: Zeigten sich bei einer Umfrage im Vorjahr noch 10,9 Prozent genervt, sind es ein Jahr später bereits 16,9 Prozent.
Die häufigsten Störfaktoren in deutschen Gärten
- Missachtung der Ruhezeiten (18,3 Prozent)
- Laute Musik (16,9 Prozent),
- Übermäßige Neugierde der Nachbarn (16,1 Prozent),
- Unangenehme Gerüche (15,3 Prozent),
- Kinderlärm (14,7 Prozent),
- Lärm durch Handwerker oder Bauarbeiten (13,7 Prozent),
- Rasenmähen (12,7 Prozent).
Am wenigsten störend empfinden die Befragten ungepflegte Beete oder Hecken (7 Prozent). Im Vorjahr waren es mit 10,7 Prozent noch etwas mehr.
Was Sie tun können, um einen Streit mit den Nachbarn zu schlichten, erklärt die Anwältin Anja Frank in diesem Video.
Wessis sind offenbar entspannter
Deutliche Unterschiede zeigen sich auch regional: In Ostdeutschland haben fast zwei Drittel der Befragten ein Problem mit ihren Nachbarn, nur 37,4 Prozent der Befragten fühlen sich dort nicht vom Nachbarn auf der anderen Seite der Hecke gestört. Im Westen liegt letzterer Wert bei 40,7 Prozent. Anlass für Ärger biete im Osten vor allem laute Musik (21,7 Prozent), während im Westen die Missachtung der Ruhezeiten (17,6 Prozent), neugierige Nachbarn (15,9 Prozent) und laute Musik (15,7 Prozent) nicht gut ankommen.
Jeder vierte Berliner hat schon die Polizei gerufen
Besonders dicke Luft scheint in der Bundeshauptstadt zu herrschen: Rund ein Viertel der Befragten aus Berlin (24,6 Prozent) hat schon einmal die Polizei verständigt.
Bundesweit haben dagegen nur 7,8 Prozent schon einmal die Polizei eingeschaltet. Der Rest der Republik setzt lieber auf Kommunikation: 23,8 Prozent der Befragten haben bereits einmal ein klärendes Gespräch mit ihren Nachbarn geführt. Besonders gesprächsbereit zeigen sich dabei die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern (43,5 Prozent), Hessen (32,7 Prozent) und Berlin (32,6 Prozent).
An der YouGov-Befragung haben (zwischen dem 30. April und 2. Mai 2025) 2114 Personen teilgenommen. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Wohnbevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren.
Autowaschen verboten, Reh aufbrechen nicht?
Im Falle des eingangs beschriebenen verzweifelten Familienvaters zeigen sich zahlreiche User auf Reddit schockiert: „Ich habe noch keine Jagdprüfung abgelegt, aber darf der ein Reh überhaupt zuhause zerwirken? Ich darf nicht mal mein verdammtes Auto in der Einfahrt waschen, sollte mich wundern, wenn der Gesetzgeber dazu nichts zu sagen hat.“
Dutzende andere versuchen, ihm Tipps für den Umgang mit seinem Nachbarn zu geben – darunter sind auch Jäger, die ihren Stand zu Unrecht in Verruf gebracht sehen. „Aufbrechen kann bereits im Wald erfolgen. Wenn es ein weiter Weg zum Revier ist, ist dies sogar sinnvoll und wird auch vom Veterinär abgesegnet“, schreibt einer. Ein anderer rät zum Gang zur Behörde: „Ist er der Jagdpächter eures Reviers? Wenn nicht, dann macht den ausfindig und beschwert euch bei ihm. Normalerweise sollte dann Schluss sein, die meisten Pächter wollen keinen Ärger mit Anwohnern. Die Aufsichtsbehörde ist das LRA (Landratsamt), die wissen, wer zuständig ist.“
Zu guter Letzt gibt ein User einen ganz pragmatischen Rat: „Ist er Eigentümer oder Mieter? Dann könntest Du Dich auch an den Vermieter wenden.“
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