Bürgergeld statt Arbeit: Arbeitsmarktforscher macht klare Ansage

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Ab 01. Januar 2024 steigt das Bürgergeld – dagegen laufen Unions-Politiker und Arbeitgeber-Vertreter Sturm. (Symbolbild) © Zoonar.com/stockfotos-mg/Imago

Mit der geplanten Erhöhung des Bürgergelds fürchten viele Menschen, dass nun bei Beziehern der Anreiz schwindet, eine Arbeit zu suchen. Ein Experte erklärt, was an der Befürchtung dran ist.

Berlin – Das Bürgergeld soll zu Beginn kommenden Jahres 2024 kräftig steigen – und zwar um 12 Prozent bzw. um 61 Euro im Regelsatz für Alleinstehende. Unions-Politiker und Arbeitgeber-Vertreter laufen dagegen Sturm: Sie befürchten, dass sich es sich bei einer Erhöhung der Regelsätze kaum mehr lohnt, einem Niedriglohn-Job nachzugehen.

Umfrage: Mehrheit sieht bei Bürgergeld Anreiz nicht zu arbeiten

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Magazins Stern legt nahe, dass viele Deutsche das ähnlich sehen. Demnach fürchten 64 Prozent der Bevölkerung, dass sich Menschen wegen der Erhöhung des Bürgergeldes zum kommenden Jahr gegen eine reguläre Beschäftigung entscheiden könnten.

Besonders kritisch sehen die Bürgergeld-Erhöhung die Anhänger der AfD und der Union. 86 beziehungsweise 78 Prozent von ihnen meinen, es könnte sich deswegen kaum noch lohnen, einem Job nachzugehen. Auch unter den Wählern der FDP (60 Prozent) und der SPD (54 Prozent) überwiegt die Befürchtung, dass der Anreiz zu arbeiten sinkt. Lediglich die Anhänger der Grünen teilen diese Auffassung mehrheitlich nicht. Für die Umfrage hatte das Institut zwischen dem 16. und 17. November 1009 Menschen befragt.

Experte: „Der Lohnabstand ist mit dem Bürgergeld nicht gesunken“

Doch was ist an dieser Furcht dran? Experte Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, kann beruhigen: „Wenn man schaut, wie viele Menschen im Moment tatsächlich aus Jobs in Arbeitslosigkeit und Bürgergeld gehen, sieht man: Es waren noch nie so wenige wie jetzt – auch in der Reinigungsbranche. Und das mitten in einem zähen Wirtschaftsabschwung“, so Weber gegenüber der Welt.

Einen solchen „Bürgergeld-Effekt“ scheine es nicht zu geben, schlussfolgert der Experte. „Und das ist auch plausibel. Es wird häufig behauptet, der Lohnabstand sei zu gering geworden und es lohne sich nicht mehr zu arbeiten.“ Fakt sei aber: „Der Lohnabstand ist mit dem Bürgergeld nicht gesunken“, betonte Weber gegenüber der Welt. Er erklärt: „Zum 1. Januar steigt das Bürgergeld zwar um gut zwölf Prozent. Aber im vergangenen Jahr ist der Mindestlohn um 25 Prozent gestiegen. Und der Hartz-IV-Regelsatz um nur 0,7 Prozent.“ Das Thema Arbeitsanreize sei wichtig, „aber die Debatte ist schief“.

Heil: Anpassung des Bürgergelds entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Die Debatte um die Bürgergeld-Erhöhung hat vergangene Woche wieder einen Höhepunkt erfahren. Denn nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts klafft eine große Lücke im Haushalt. Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt.

Nach Ansicht des CDU-Chefs Friedrich Merz sollte deswegen bei der Kindergrundsicherung, beim Bürgergeld und beim Heizungsgesetz gespart werden. „Es geht eben nicht mehr alles“, hatte der Unionsfraktionschef in der ARD-Talkshow „Maischberger“ gesagt. Die zum Jahreswechsel angekündigte Anhebung des Bürgergelds um im Schnitt zwölf Prozent verletze das „Lohnabstandsgebot“ und sei eine „Bremse für den ganzen Arbeitsmarkt“.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat dem Sparvorschlag allerdings eine Absage erteilt. „Friedrich Merz verschweigt der deutschen Öffentlichkeit, dass die Anpassung des Bürgergelds der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums entspricht“, schrieb Heil vergangene Woche auf der Plattform X (früher Twitter). „Dem hat er und seine CDU übrigens im Bundestag zugestimmt.“

Mit Material der dpa

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