Israel lässt KI Angriffsziele in Gaza auswählen - Experten äußern Bedenken

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Mithilfe einer KI berechnet das israelische Militär geeignete Angriffsziele im Gazastreifen. Doch Fachleute kritisieren das Vorgehen.

Gaza/Tel Aviv – Im Israel-Krieg kommen auch unzählige Zivilisten ums Leben. Hinter den Angriffen des israelischen Militärs (IDF) stehen jedoch längst nicht mehr nur Militärstrategie-Fachleute und Generäle: Auch eine Künstliche Intelligenz (KI) berechnet Angriffsziele und Wahrscheinlichkeiten.

Bei der KI handelt es sich um ein System, das auf Basis gesammelter Daten mögliche Aufenthaltsorte von Hamas-Funktionären anvisiert – und dabei etwa auch das Risiko für Zivilpersonen berechnet. Das ergaben Recherchen der britischen Zeitung Guardian, des Israelisch-Palästinensischen Magazins +972 sowie dem Hebräisch-sprachigen Medium Local Call. Auf Hebräisch trägt die KI den Namen „Habsora“, was der Guardian ins Englische mit „The Gospel“ (dt. etwa „reine Wahrheit“, „Evangelium“) übersetzt.

KI im Krieg: Israel nutzt seit 2021 „Maschine“, um Hamas-Ziele zu finden

Die veröffentlichten Recherchen zu dem System sollen belegen, dass das System dazu eingesetzt wird, um „schnell und effizient“ Ziele im Gazastreifen auszumachen. Dazu haben die Medien mit mehreren ehemaligen Militär-Offiziellen gesprochen und auch ältere Aussagen etwa von dem ehemaligen IDF-Chef Aviv Kochavi ausgewertet. Dieser hatte in einem schon vor dem Krieg veröffentlichten Interview erklärt, dass das israelische Militär eine „Maschine“ einsetze, „die schneller als jeder Mensch riesige Datenmengen produziere und diese in Angriffsziele übersetze“.

Der Einsatz von Krieg gehe Kochavis Aussagen zufolge bereits auf den Israel-Gaza-Konflikt 2021 zurück, als das israelische Militär erstmals auf moderne Technologien wie maschinelles Lernen zurückgriff. Damals seien „seit der Aktivierung dieser Maschine“ pro Tag „100 Ziele generiert worden“. Dazu erklärte Kochavi: „Ins Verhältnis gesetzt haben wir vorher gut 50 Ziele pro Jahr definiert, nun sind es 100 pro Tag. Und 50 Prozent davon werden angegriffen“. Laut IDF-Angaben von Anfang November seien bislang mehr als 12.000 Ziele im Gazastreifen von der Spezialeinheit zur Zielverwaltung definiert worden.

Krieg in Israel: KI wertet Geheimdiensterkenntnisse aus und gibt Zielempfehlung

Obwohl die meisten Informationen rund um die Einheit unter Verschluss stünden, habe das IDF die Existenz des KI-Systems laut Guardian in einer kurzen Stellungnahme auf seiner Webseite bereits bestätigt. Darin wurde erklärt, dass „durch die schnelle und automatische Auswertung von Geheimdiensterkenntnissen“ Zielempfehlungen ausgegeben würden, die zum Ziel hätten, „eine Übereinstimmung zu schaffen zwischen der Empfehlung der Maschine und der von einem Menschen erarbeiteten Zielidentifikation“. Dafür würden etwa Drohnen- und Überwachungsbilder sowie Inhalte abgehörter Unterhaltungen zurate gezogen.

Was sich nach der Darstellung eines ehemaligen IDF-Offiziellen laut Guardian verändert habe, sei die Tatsache, dass inzwischen auch Bomben auf Orte fielen, in denen Hamas-Mitglieder ohne Rang und Einfluss vermutet würden. Gerade bei solchen Angriffen vermuteten Fachleute wie der ehemalige IDF-Mann viele zivile Tote. Eine andere Quelle aus dem Umfeld des IDF betonte dagegen, dass ein Algorithmus verwendet würde, um zu berechnen, wie viele Zivilpersonen in einem Ziel verbleiben und auch entsprechend gehandelt würde.

Israel-Krieg: Folgen der Angriffe auf den Gazastreifen
Folgen der Angriffe auf den Gazastreifen – mit auch vielen zivilen Opfern © Said Khatib/AFP

KI-Einsatz im Krieg gegen Gaza: Kritiker bezweifeln „Präzision“ der modernen Taktik

Dass das funktioniert, daran zweifelten gegenüber dem Guardian nicht nur Kritikerinnen und Kritiker der Vorgehensweise des israelischen Militärs, sondern auch KI-Fachleute und Menschenrechtler. Richard Moyes etwa, Leiter der Anti-Waffen-Kampagne „Article 36“, gab zu bedenken, dass aus den Schäden der Angriffe deutlich werde, dass von „Präzision“ keine Rede sein könnte und stattdessen „weite Teile eines urbanen Gebiets in Schutt und Asche gelegt“ würden. Eine andere Quelle der Zeitung warf dem israelischen Militär vor, eine „Massenmord-Fabrik“ zu betreiben.

Seit Freitag (1. Dezember) berichten Medien wie die New York Times davon, dass es nach der siebentägigen Waffenruhe zwischen Israel und Gaza erneut zu heftigen Angriffen komme. Bereits in den ersten Stunden wurden Berichte laut, dass fast 200 weitere Menschen im Gazastreifen getötet, Hunderte weitere seien verletzt worden. (saka)

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