Gastkommentar von Tilman Kuban - Linke Parteien brauchen die AfD als Mehrheitsbeschaffer und Feindbild
Friedrich Merz wollte nicht länger zusehen, wie Populisten von rechts und links immer mehr Menschen erreichen. Er entschied sich für einen anderen Weg – und stoppte den Aufschwung der AfD. Er zeigte Standhaftigkeit und handelte aus Überzeugung, statt sich von der Angst vor negativen Schlagzeilen treiben zu lassen.
Die Linke braucht die AfD als Mehrheitsbeschaffer und Feindbild
Doch statt Friedrich Merz für seinen Beitrag zur Stabilität der Demokratie zu loben, wird er von links verteufelt. Das wirft eine unbequeme Frage auf: Brauchen SPD, Grüne und Linke die AfD als politische Existenzberechtigung?
Fakt ist: Solange die AfD existiert, lässt sich allzu harsche Kritik an der Ampel mit einem Verweis auf die „Gefahr von rechts“ abwehren. Und solange sich die Parteien der Mitte einig gegen die AfD stellen, bleiben die 20 Prozent AfD-Wähler und 5 Prozent BSW-Wähler in den Umfragen politisch bedeutungslos – weil Mehrheiten links der Mitte weiterhin gesichert sind.
Dabei müssten SPD und Grüne nur einen Blick nach Dänemark werfen. Dort zeigen ausgerechnet die Sozialdemokraten, wie man mit der richtigen Politik Rechtspopulisten kleinbekommt. Mette Frederiksen und ihre Regierung haben verstanden, dass Migration nicht nur ein Thema für Konservative und nationale Kräfte ist, sondern eines, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt herausfordert.
2015 erreichte die rechtspopulistische Dänische Volkspartei 21,1 Prozent, 2022 lag sie nur noch bei 2,2 Prozent – knapp über der Sperrklausel. Warum? Weil Dänemark eine realistische und konsequente Migrationspolitik verfolgt. Die Asylzahlen wurden halbiert, Leistungen für Migranten gesenkt und Abschiebungen konsequent durchgesetzt. Das Ergebnis: Migration ist für viele Wähler kein drängendes Problem mehr – und Rechtspopulisten sind bedeutungslos geworden.
Deutschland kann es besser – wenn es will
Auch in Deutschland haben wir die AfD schon einmal durch politisches Handeln kleinbekommen. 2016 stand sie in Umfragen bei 16 Prozent, 2021 nur noch bei 10 Prozent. Doch dann kam die Ampel – und mit ihr eine Politik, die bis heute das Gegenteil von Problemlösung ist. Die Regierung ignorierte den weit verbreiteten Unmut über steigende Migrationszahlen, wachsende Unsicherheit, Zweifel an der Transformationspolitik und die Abstiegsängste der Mittelschicht. Die Quittung? Die AfD hat sich in den Umfragen seit dem Start der Ampel mehr als verdoppelt.
Ein Blick nach Italien, in die Niederlande und nach Österreich sollte uns eine Warnung sein. In diesen gefestigten Demokratien haben sich viele Wähler von den etablierten Parteien abgewandt, weil sie das Gefühl hatten, dass ihre Sorgen ignoriert werden. Überall dort, wo das „politische Establishment“ in den Augen eines Großteils der Bevölkerung die Kontrolle über die Migrationspolitik verloren hat, haben Rechtspopulisten die Wahlen gewonnen.
Populisten kann man nur „wegregieren“, nicht „wegdemonstrieren“
Die Menschen müssen wieder spüren, dass ihre Wahlentscheidung ihren Alltag verändert und einen Unterschied macht. Denn mit jedem Anschlag und mit jedem Attentat wird immer klarer: Die AfD wird nicht durch Lichterketten oder Massendemonstrationen besiegt, sondern nur durch eine Politik, die die berechtigten Sorgen ihrer Wähler ernst nimmt. Es sind Sorgen, die eine zunehmende Zahl von Menschen in der Mitte der Gesellschaft teilt – nicht erst seit dem jüngsten Anschlag auf eine Gewerkschaftsdemonstration durch einen Asylbewerber in München. Wer will, dass die Demokratie stark bleibt, muss dafür sorgen, dass nicht die Rechts- und Linkspopulisten die Probleme definieren – sondern dass die Probleme gelöst werden. Denn eines ist sicher: Probleme verschwinden nicht, wenn man sie ignoriert. Deutschland kann es besser. Die Politik muss nur endlich den Mut haben zu handeln.