Europawahl-Königsmacherin Meloni: „Für Europas Zukunft ein Fehler“

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Rechte und konservative Kräfte stecken kurz vor der Europawahl in einem Durcheinander. Profitieren könnte Meloni. Von der Leyen muss sich entscheiden.

Brüssel – Etwa mehr als eine Woche vor der Europawahl am 9. Juli sind die Bündnisse der rechten und konservativen Kräfte im EU-Parlament noch immer ungewiss. Die Vorfälle um AfD-Spitzenkandidat Krah hatten zuletzt zu einem Ausschluss der Partei aus der rechten Fraktion Identitär und Demokratie (ID) geführt. Gleichzeitig sorgen derzeit die Ambitionen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Wirbel. Sie ist Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP), möchte aber eine Zusammenarbeit mit den rechtspopulistischen Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) nicht ausschließen. Diesen gehört auch die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni an – die ebenfalls von der ID-Fraktion umworben wird.

Ein Jahr lang hat von der Leyen die rechte italienische Ministerpräsidentin Meloni als potenzielle Partnerin auf der europäischen Bühne umworben. Doch in der vergangenen Woche sei ihr das „um die Ohren geflogen“, schreibt die Nachrichtenwebsite Politico. Und tatsächlich scheint es, als müsse die EU-Kommissionspräsidentin jetzt mit Bedacht vorgehen. Kurz vor der Europawahl hat von der Leyens Mitte-Links-Koalitionspartner in Brüssel damit gedroht, ihr eine zweite Amtszeit als EU-Exekutivministerin zu verweigern, wenn sie mit Meloni zusammenarbeitet. Derzeit bildet die EVP zusammen mit den Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen (Renew) eine informelle große Koalition.

Sozialdemokraten und Grüne kurz vor Europawahl gegen Koalition mit EKR

Bereits Ende April hatte sich der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Nicolas Schmit, vehement gegen eine Zusammenarbeit von EVP und EKR ausgesprochen, wie Euractiv berichtete. Die EKR, so Schmit, würden „die Grundrechte, für die unsere Kommission gekämpft hat, nicht respektieren“. Auch die Sozialdemokraten auf Bundesebene sprachen sich zuletzt klar gegen eine solche Koalition aus. „Für mich ist klar, wenn die nächste Kommission gebildet wird, darf sie sich nicht auf eine Mehrheit stützen, bei der es auch die Unterstützung von Rechtsextremen braucht“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag (24. Mai). Die Wahl der neuen Kommissionsspitze könne nur Erfolg haben, wenn sie sich auf „traditionelle Parteien“ stütze. „Alles andere wäre für Europas Zukunft ein Fehler“, so Scholz weiter.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit der italienischen Saatschefin Giorgia Meloni (vl.).
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit der italienischen Saatschefin Giorgia Meloni (vl.). © IMAGO/R4924_italyphotopress

Auch die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Europawahl, Terry Reintke, warnte jüngst vor einer Zusammenarbeit mit der rechtskonservativen EKR-Fraktion. Eine solche wäre ein „Desaster für die Menschen in Europa“, so Reintke gegenüber dem Tagesspiegel. Reinke erinnerte in dem am Donnerstag (30. Mai) veröffentlichten Interview daran, dass es „maximal unehrlich“ sei, sich in Deutschland gegen „Demokratiefeinde“ zu positionieren, aber im EU-Parlament eine Zusammenarbeit anzustreben.

Von der Leyen schließt EKR-Zusammenarbeit nach Europawahl 2024 nicht aus

Gegenüber dem Deutschlandfunk hatte von der Leyen eine Zusammenarbeit mit denjenigen Parteien angekündigt, die „für Europa, für die Ukraine, also gegen Russland und für den Rechtsstaat“ seien. Einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik zufolge ist dies bei den EKR gegeben. Es sei „deutlich, dass die EKR-Parteien die rechtsstaatliche und humanitäre Lage in der Russischen Föde­ration ebenso wie den Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen überwiegend geschlossen ver­urteilen“, heißt es dort. Zudem nehme die Fraktion „in der Außen- und Sicherheitspolitik eine größ­ten­teils konstruktive und anschlussfähige Rolle ein“ und „unterstützte mehr­heit­lich geschlossen die vorgebrachten Resolu­tio­nen und Beschlüsse“.

Trotzdem ist die Partei Sammelbecken für extrem rechte Ansichten. Islamophobie und Homophobie sind fester Bestandteil der Regierungspolitik der polnischen PiS-Partei, die Teil des Bündnisses ist. Auch der ehemalige französische Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour gehört dazu. Er sieht die Werte der westlichen Kultur durch den Islamismus bedroht und gilt als radikal migrationsfeindlich. Giorgia Meloni steht ebenfalls weit rechts. Seit ihrem Amtsantritt als Ministerpräsidentin im Jahr 2022 hat sie sich für mehr Einfluss auf den staatlichen Rundfunk eingesetzt und ein hartes Vorgehen gegen die Migration propagiert.

Bei Europawahl: Meloni könnte von der Leyens Königsmacherin werden

Laut Euractiv könnten die EKR bei der kommenden Europawahl drittstärkste Kraft werden. Das macht sie nicht nur für von der Leyen als Koalitionspartner interessant. Auch die ID-Fraktion würde sie gerne im Boot haben. Die französische Rechtsnationalistin Le Pen machte am vergangenen Wochenende ein entsprechendes Angebot. „Jetzt ist der Moment, um sich zu vereinen“, so Le Pen gegenüber der italienischen Zeitung Corriere della Sera. Sie hofft demnach, die „zweitgrößte Fraktion im Europäischen Parlament“ zu stellen, falls sie sich mit Meloni verbünden kann.

Seit ihrem Amtsantritt bemüht sich Meloni eher als gemäßigte Konservative aufzutreten, obwohl sie eigentlich eine Postfaschistin ist. Zu von der Leyen pflegte sie daher stets ein demonstrativ gutes Verhältnis. Dieses mühsam aufgebaute Image ginge verloren, sollte sie sich zugunsten einer Stärkung des rechten Flügels im Europäischen Parlament entscheiden – was auch für von der Leyen kritisch wäre. Die EU-Kommissionspräsidentin benötigt für ihre Wiederwahl nicht nur die Zustimmung des Rates der Staats- und Regierungschefs, sondern auch die absolute Mehrheit im Europaparlament. Meloni könnte so zur Königsmacherin avancieren. (tpn)

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