Worauf Betroffene achten sollten - Duschen, kochen: Bereits simple Tätigkeiten können Long-Covid-Symptome verschlimmern

Schätzungen zufolge leiden etwa 6 bis 15 Prozent aller Corona-Infizierten noch Wochen oder sogar Monate später an Long-Covid. Sie kommen nach überstandener Infektion nur schwer wieder auf die Beine. Long-Covid-Symptomen sind etwa

  • Müdigkeit, Erschöpfung (Fatigue)
  • Kurzatmigkeit
  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme (Gehirnnebel)
  • Herz-Kreislauf-Beschwerden
  • Angst und Depressionen

Obwohl Menschen, die einen schweren Verlauf durchgemacht haben, ein höheres Risiko haben, Long-Covid zu bekommen, können auch leichte Infektionen Long-Covid verursachen.

Studie mit 376 Long-Covid-Betroffenen aus Großbritannien

Nun haben Forscher der Universität Leeds in Großbritannien untersucht, wie sich verschiedene Arten von körperlicher, kognitiver, sozialen und emotionaler Anstrengung auf die Schwere der Symptomatik auswirken. Dazu haben die Forscher die Daten von 376 Betroffenen aus 273 Kliniken über einen Zeitraum von bis zu 24 Tagen erfasst und analysiert. Fatigue war das häufigste Leiden der Probanden, die durchschnittlich 47 Jahre alt waren. Der Begriff steht für Müdigkeit und Erschöpfung.

„Die vorliegende Studie ist die erste, die den unmittelbaren Zeitpunkt der Aktivität und verzögerte Steigerungen später am selben Tag oder am nächsten Tag quantifiziert“, heißt es in der Studie, die im Fachmagazin „The Lancet“ erschienen ist. 

Symptomverstärkung bereits 30 Minuten nach Aktivität

Die Ergebnisse waren eindeutig und zeigten, dass die Symptome sich

  • 30 Minuten

nach jeder Art von Anstrengung verschlechterten. Auf einer Skala von 1 bis 10 verschlechtere sich nach körperlicher Aktivität beispielsweise

  • Fatigue um 1,8 Punkte.

Eine kognitive Anstrengung hatte zur Folge, dass sich

  • Fatigue um 1,5 Punkte

verschlechterte.

Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler heraus, dass sich die Anstrengungen teilweise noch nach drei Stunden bis zu einem Tag auf die Schwere der Symptomatik auswirkte. So verschlechterten soziale Aktivitäten häufig noch Fatigue am nächsten Tag.

Bereits simple Tätigkeiten wie Essen kochen und duschen erhöhten nicht nur das Risiko für verstärkte Fatigue, sondern sorgten bei den Teilnehmern auch für mehr Herzklopfen, heißt es in der Studie.

Was Long-Covid-Betroffene tun können

  • Leiden anerkennen und Körper nicht überfordern

Fatigue kann infolge einer Corona-Infektion auftreten. Sabine Köhler, Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Nervenärzte erlebt Fatigue häufig auch bei Patienten mit Multipler Sklerose oder nach Krebserkrankungen mit einhergehender Therapie.

Anstatt so funktionieren zu wollen wie vorher, empfiehlt sie eine Bestandsaufnahme: „An welchen Stellen ist es mir wichtig, Leistung zu erbringen und wo ist es nicht so wesentlich?“ Kraftraubende Arbeiten oder Ziele könnte man so erst mal ein Stück zurücktreten lassen.

Für Betroffene sei es ratsam, ihr Leben um das Fatigue-Syndrom herum einzurichten, sagt Köhler. „Wichtig ist es, dass man eine moderate Anstrengung anstrebt, um die Leistungsfähigkeit langsam wieder zu steigern, ohne den Körper zu überfordern“, so die Expertin. Ob die Fatigue verschwindet oder ein dauerhafter Lebensbegleiter bleibt, ist unterschiedlich. Die allermeisten Patienten finden zwar in ihre Lebenssituation zurück, „aber auf einem anderen Leistungsniveau“.

Wenn eine Fatigue festgestellt wurde, müssen sich Patienten mit ihrem Krankheitsbild vertraut machen. Für viele ist die Diagnose in gewisser Weise auch eine Erleichterung: „Ein wesentlicher Faktor ist, dass die Patienten und Angehörigen die Leiden wirklich registrieren und als solche anerkennen“, sagt Sabine Herzig. Man sehe den Patienten ihre Fatigue in der Regel nicht an, deshalb fühlten sie sich oft unverstanden.

  • Pacing-Methode

Claudia Ellert, Gefäßchirurgin aus Wetzlar, ist leitende Oberärztin und selbst an Long-Covid erkrankt. Sie berichtete im Gespräch mit FOCUS online, wie ihr die sogenannte Pacing-Methode durch den Alltag hilft: „Ich betreibe Energiemanagement, das sogenannte Pacing. Wie viel Energieressourcen habe ich? Wie komme ich mit diesen Ressourcen durch den Tag? Das sind ganz wichtige Überlegungen. Wenn ich sie übergehe, kann ich einen sogenannten Crash auslösen. Eine Verstärkung der Symptome also. Das passiert, wenn ich mir zu viel zumute, körperlich oder geistig. Ich lerne stückweise den Umgang mit der Einschränkung, ich reduziere auf wichtige Aktivitäten.“

Die Ärztin lenkt allerdings ein: „Ich scheitere aber immer wieder an meinen eigenen Ansprüchen. Pacing ist leicht erklärt, aber schwer zu praktizieren.“

  • Lesetipp: Lesen Sie das ganze Interview mit Claudia Ellert hier.