Irans Regime vor dem Kollaps? Warum die Mullahs trotzdem gefährlich bleiben
Der Krieg Israels gegen den Iran hat die Regierung der Islamischen Republik geschwächt. Ein Regimewechsel liegt trotzdem in weiter Ferne.
Teheran – Es war ein kurzer Moment der Hoffnung für die Gegner der Islamischen Republik: Der Krieg zwischen Israel und Iran schien das Regime in Teheran an den Rand des Zusammenbruchs zu bringen. Mehrere hochrangige Funktionäre wurden bei gezielten israelischen Angriffen getötet. Religionsführer Ali Chamenei und Premierminister Massoud Peseschkian tauchten ab. Der Sturz des Gottesstaats, der über vier Jahrzehnte jede Form von Opposition brutal unterdrückt hatte, schien greifbar.
Doch mit dem überraschend von US-Präsident Donald Trump vermittelten Waffenstillstand im Nahost-Konflikt ist der Umsturz wieder in weite Ferne gerückt. Die durch Israels Angriffe schwer angeschlagene Islamische Republik war offenbar nicht mehr in der Lage, eine weitere Eskalation zu riskieren. Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass ein anhaltender Krieg die Herrschaft Chameneis selbst hätte beenden können.
Israel-Iran-Krieg: Israel habe alle seine Ziele erreicht
Israel betrachtet seine Ziele im Krieg gegen den Iran aber als erfüllt. Laut Premierminister Benjamin Netanjahu habe man „eine doppelte, unmittelbare Bedrohung beseitigt – sowohl im Bereich des iranischen Atomprogramms als auch der ballistischen Raketen“. Die Armee habe zentrale Regierungs- und Militärziele zerstört und zeitweise die Lufthoheit über Teheran erlangt.
Und doch hatte Netanjahu kurz zuvor in einem Interview mit dem US-Sender ABC News erklärt, dass die Tötung Ajatollah Chameneis den Konflikt mit dem Iran beenden würde. Ein Sturz des Regimes sei „sicherlich möglich“, da es derzeit „sehr schwach“ sei. Mit den Angriffen verfolge Israel das Ziel, „die Aggression des Iran zu beenden.“ Das könne man nur erreichen, „indem wir uns den Mächten des Bösen entgegenstellen“, führte Netanjahu aus.
Wegen Iran-Israel-Krieg: Sturz des Mullah-Regimes?
Binnen weniger Tage hat Israel dem Iran die drei zentralen Säulen seiner Abschreckung genommen. Das weitverzweigte Netzwerk schlagkräftiger Stellvertreter-Milizen, das mit ausländischer Hilfe aufgebaute Raketenprogramm und die technische Infrastruktur zur Urananreicherung. So dramatisch ist die Lage, dass in Teheran inzwischen Gerüchte über Machtkämpfe im Inneren des Regimes kursieren. Einflussreiche Figuren aus der zweiten Reihe sollen versuchen, Ajatollah Chamenei zu entmachten.
Die Politologin Shukriya Bradost, von der Non-resident Scholar am Middle East Institute, sieht eine Chance: Sollte das Regime ernsthaft geschwächt werden, könnte ein politisches Vakuum entstehen. Das wäre eine Gelegenheit für oppositionelle Gruppen, Proteste und Streiks zu organisieren und grundlegende Veränderungen anzustoßen. Doch wer könnte überhaupt die Macht in einem System übernehmen, das jede echte Alternative jahrzehntelang unterdrückt hat?
Die Opposition des Mullah-Regimes: Schah-Erbe hat Pläne für Umsturz des Mullah-Regimes
Die Opposition im In- und Ausland ist zersplittert. Reza Pahlavi, Sohn des 1979 gestürzten Schahs, hat sich aber erneut als Stimme der Exilopposition positioniert. Bereits 1980, im Alter von 20 Jahren, legte er im US-Exil symbolisch den Eid auf die Krone ab – seither versteht er sich als rechtmäßiger Monarch. In den Iran ist er nie zurückgekehrt. Stattdessen wurde er zur Projektionsfigur der monarchistisch-nationalistischen Diaspora.
Am Montag rief der inzwischen 64-Jährige bei einer Pressekonferenz offen zum Umsturz auf und forderte Ajatollah Chamenei zum Rücktritt auf. In wenigen Tagen, so Pahlavi, wolle er ein Programm für die ersten 100 Tage nach einem möglichen Umbruch vorlegen – mit dem Appell: „Lasst uns diesen neuen Iran gemeinsam aufbauen.“
Name | Reza Pahlavi |
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Geburtsdatum | 31. Oktober 1960 (in Teheran) |
Titel | Kronprinz der gestürzten Pahlavi-Dynasti im Iran |
Familienstand | verheiratet (seit 1986) |
Aufenthaltsort | USA (seit 1978) |
Bei einem Regimewechsel im Iran: Wer könnte dem Mullah-Regime folgen?
Die Volksmudschahedin (MEK) wurden 1965 als antiimperialistische Guerillabewegung gegründet. Nach der Islamischen Revolution 1979 wandten sie sich gegen das neue Regime und wurden in den frühen 1980er Jahren brutal zerschlagen und ins Exil gedrängt. Die Bewegung gibt sich als demokratische Alternative zur Islamischen Republik. Doch ihre Vergangenheit ist umstritten: Zusammenarbeit mit Saddam Hussein im Iran-Irak-Krieg, Vorwürfe interner Repression, Personenkult und ideologischer Starrheit.
Auch iranische Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen zählen im Iran zu den Kräften, die Menschen mobilisieren können. Politisch sind sie meist wenig ideologisch gebunden und vermeiden oft explizite Systemkritik. Doch ihr beständiges Einfordern sozialer Rechte ist ein stiller, aber kontinuierlicher Protest gegen die strukturelle Ungerechtigkeit des Regimes.
Daneben werden einzelne Persönlichkeiten als potenzielle Führungspersönlichkeiten im Falle eines Sturzes des Mullah-Regimes gesehen. Etwa die Journalistin Masih Alinejad oder die Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi. Allerdings fehlt beiden bislang eine tragfähige Organisation im Hintergrund.
Trump bringt Regimewechsel ins Spiel: „Make Iran great again“
Donald Trump griff die Idee eines Umsturzes auf. Am Sonntag (22. Juni) schrieb er auf seiner Plattform „Truth Social“: „Es ist nicht politisch korrekt, den Begriff Regimewechsel zu verwenden, aber wenn das derzeitige iranische Regime nicht in der Lage ist, den Iran großartig zu machen – warum sollte es dann nicht einen Regimewechsel geben??? MIGA!!!“ Das Kürzel steht offenbar für „Make Iran great again“.
Allerdings veröffentlichte Trump diese Botschaft noch vor der Einigung auf die Waffenruhe. Es ist also möglich, dass sich in der iranischen Regierung nichts ändert. Zugleich zeigen sich bereits erste Anzeichen, dass der Waffenstillstand bröckelt. Könnte Israel sein Kriegsziel, die Stürzung des iranischen Regimes, am Ende doch noch umsetzen?

Regimewechsel im Iran? Experte warnt vor falschen Erwartungen
Vielleicht gibt es Optionen, die Iran auf einen neuen Weg bringen könnten. Doch das Mullah-Regime wird nach über 40 Jahren nicht einfach abtreten. Ali Chamenei, 86, hat unzählige Präsidenten kommen und gehen sehen. Sein Handeln ordnet er seit Jahrzehnten einem einzigen Ziel unter: dem Überleben der Islamischen Republik.
Eckart Woertz, Leiter des Hamburger GIGA-Instituts für Nahost-Studien, warnt hier vor falschen Erwartungen: „Ob man einen Regimewechsel von außen per Knopfdruck herbeiführen kann, ist höchst fraglich“, erklärte er der Deutschen Welle. Selbst wenn es dazu komme, sei unklar, was danach folge. Möglich sei ein Machtwechsel zu den Revolutionsgarden, mit noch härterem Kurs nach außen. Oder ein völliger Zerfall des Landes, ähnlich wie im Irak nach 2003 oder in Libyen nach dem NATO-Eingreifen 2011.
Im Gespräch mit der Deutschen Welle weist der Nahostexperte Eckart Woertz auf ein weiteres grundlegendes Problem hin: Ein erzwungener Regierungswechsel erfordere letztlich auch Gewalt vor Ort. „Innerhalb des Iran sehe ich nicht, dass man eine massiv starke Rebellenbewegung hätte, die das aktuelle Regime stürzen könnte“, so Woertz. (lw)