Nach Angriff auf kurdische Ziele in Syrien an: Erdogan droht weitere Militärschläge an

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Die Türkei greift mehr als 60 kurdische Standorte in Syrien an und zerstört Infrastruktur. Die Beobachtungsstelle spricht von Kriegsverbrechen.

Ankara – Die Türkei fliegt Angriffe auf kurdische Gebiete in Syrien. Laut der kurdischen Nachrichtenagentur ANF wurden in rund 80 Angriffen mit Flugzeugen und Drohnen Teile der kurdischen Infrastruktur in Nord- und Ostsyrien zerstört. Fünf syrische Soldaten sowie sieben zivile Personen sollen seit Samstag getötet worden sein, hieß es am Donnerstag (18. Januar) in einer traurigen Zwischenbilanz. Neben den Kämpfen in Gaza, Jemen, Irak und Libanon schwelt somit ein weiterer Brandherd in der Region.

Ein Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bestätigte die Kampfhandlungen gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Die Angriffe hätten hauptsächlich auf zivile Infrastruktur wie Elektrizitätswerke oder Weizenspeicher gezielt. Das einzige Gaskraftwerk im Nordosten Syriens wurde völlig zerstört. Außerdem sei ein Kraftwerk, das in der Region rund 930 Orte mit Strom versorgte, beschädigt worden.

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Der Kampf gegen die ethnische Minderheit der Kurden ist für Erdogan eine Herzensangelegenheit. © IMAGO/Mehmet Masum Suer

Türkei-Angriff auf Kurden: Beobachtungsstelle spricht von Kriegsverbrechen

Viele Dörfer wurden durch die Angriffe komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Die Bewohner harren jetzt im Dunkeln aus. Doch Licht ist nicht das einzige Problem. „Ohne Strom kann man auch kein Trinkwasser pumpen“, so der SDF-Sprecher. Die Nachrichtenagentur ANF berichtet außerdem von Angriffen auf Häuser von Privatpersonen und landwirtschaftliche Versorgungsstrukturen und Bildungseinrichtungen. Die Bildung von rund 890.860 Studierende in Nord- und Ostsyrien sei gefährdet.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Kampf gegen Kurdinnen und Kurden zur Chefsache erklärt. Erdogans Kampf richtet sich gegen das kurdische Volk als Ganzheit und soll das autonom organisierte Kurdengebiet in Syrien (kurdisch: Rojava) zerstören. Dabei wählt Erdogan den Gegnern gegenüber oft eine menschenverachtende Rhetorik, die ihre gesamte Ethnie mitsamt der Sprache abwertet.

Auch die Angriffe auf kurdisches Leben sind nach Meinung vieler Beobachter oft unverhältnismäßig. So auch bei den jüngsten Kampfhandlungen. „Es handelt sich um Kriegsverbrechen, die von türkischen Streitkräften in einer Region begangen werden, in der mehr als fünf Millionen Syrer leben“, sagte der Leiter der Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte gegenüber der dpa.

Angriff der Türkei auf kurdische Gebiete in Syrien: Miliz oder Freiheitskampf?

Auslöser für den türkischen Angriff in Syrien waren Zusammenstöße mit PKK-Kämpfern im Nordirak, bei denen mindestens neun türkische Soldaten getötet wurden. Das war bereits der zweite Zusammenstoß zwischen türkischem Militär und PKK in drei Wochen.

Nach türkische Angaben handelt es sich laut der österreichischen Tageszeitung Der Standard bei den aktuellen Angriffszielen um Posten der mutmaßlichen Kurdenmiliz YPG. Für Erdogan ist diese gleichzusetzen mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei, Europa und den USA als Terrororganisation gelistet ist. Für die USA ist die YPG allerdings ein wichtiger Partner im Kampf gegen die Terrormiliz des Islamischen Staates (IS).

Präsident Erdogan will seinen Kampf gegen die Kurdinnen und Kurden währenddessen eher ausweiten als eindampfen. Nachdem die Türkei während des Syrienkrieges als Verbündeter der Rebellengruppen bereits drei Mal in die kurdische Selbstverwaltungszone einmarschiert war, drohte er erneut mit einer Militäroffensive in Syrien: „Wir werden uns so lange nicht wohlfühlen, solange blutrünstige Mörder in Syrien und im Irak herumlaufen.“ 

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