„Verein am Scheideweg“: Fan-Kritik an BVB-Führung schlägt hohe Wellen
Borussia Dortmund hat die Bundesliga auf Platz vier beendet. Ende gut, alles gut? Das wichtigste Fanbündnis widerspricht vehement.
Dortmund – Dank eines fulminanten Endspurts und einiger Schwächen der Konkurrenz hat Borussia Dortmund die Bundesliga-Saison doch noch versöhnlich beendet. Mit dem 3:0-Sieg über Holstein Kiel gelang der Sprung auf Platz vier, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt und elementar wichtige Einnahmen sichert.
Unmittelbar nach dem Spiel vermischten sich Erleichterung und Euphorie, Aussagen wie die von Lars Ricken, Niko Kovač habe „eine der größten Trainerleistungen in der Geschichte des BVB“ geliefert, sollten deshalb nicht überbewertet werden.
Der Chefcoach selbst fand bereits am Samstag vergleichsweise nüchterne Worte. „Ich bin glücklich, aber wir müssen jetzt nicht feiern. Wir sind vierter geworden, wir haben das Minimalziel erreicht“, erklärte Kovač. Damit hat er den richtigen Ton getroffen, in den auch viele Fans einstimmen. Ende gut, alles gut? Diese Maßgabe darf beim BVB nicht gelten. Das hat nun auch das wichtigste Fanbündnis in einem kritischen offenen Brief in aller Deutlichkeit eingefordert.
Dortmund enttäuschte die Fans nicht nur sportlich
„In einem Jahr, in dem sich zeitweise ein Nackenschlag an den nächsten reihte, fand sich unsere Mannschaft noch vor dem 27. Spieltag völlig verdient und leistungsgerecht auf dem elften Tabellenplatz wieder – was weder den hiesigen Ansprüchen noch den aufgewendeten Mitteln entsprechen kann“, heißt es im öffentlichen Saisonfazit der Südtribüne Dortmund, in dem mehrere Fanclubs und Ultragruppen zusammengeschlossen sind.
„An dieser Bewertung darf auch die erneute Qualifikation für die Champions League nichts ändern“, fordert das Bündnis eine schonungslose Aufarbeitung der vergangenen Monate beim BVB. Die Forderung bezieht sich beileibe nicht nur auf das Geschehen auf dem Platz. Noch kritischer betrachtet das Fanbündnis das Wirken und die Außendarstellung der Verantwortlichen.
„Dazu gehörten nicht nur die Machtspielchen hinter den Kulissen, die einmal mehr in Form von Indiskretionen gegenüber der Presse an die Oberfläche getreten sind, die unwürdige Entlassung von Trainer Nuri Şahin im Kabinentrakt von Bologna oder etwa die wiederholt peinlichen Einlassungen des ‚externen Beraters‘ Matthias Sammer im TV“, so der offene Brief.

BVB-Führung bot erstaunlich viel Angriffsfläche
In der Tat boten die Verantwortlichen in Dortmund in der Spielzeit erstaunlich viel Angriffsfläche: Sportdirektor Sebastian Kehl und der Technische Direktor Sven Mislintat lieferten sich mehr oder minder unverhohlen einen Machtkampf, der über die Medien ausgetragen und von Sportchef Lars Ricken erst nach Monaten mit der Freistellung von Mislintat beendet wurde.
Die Beurlaubung von Şahin indes erfolgte quasi im Alleingang durch Ricken. Zeitgleich zerlegte Sammer als TV-Experte den BVB nach der Niederlage beim FC Bologna, sprach von einer „körperlichen und geistigen Nicht-Verfassung“. Infolgedessen stellten Ricken und Klubchef Hans-Joachim Watzke den Berater vor die Wahl, entweder die Tätigkeit beim BVB ruhen zu lassen oder keine Spiele des Klubs mehr für den Streamingdienst Amazon Prime Video zu begleiten.
Das Engagement von Kovač als Nachfolger sickerte dann übrigens sogar während des laufenden Champions-League-Spiels gegen Schachtar Donezk an verschiedene Medien durch.
Watzke-Abschied als große Chance für BVB
„In Summe erzeugten all diese Aspekte das Bild eines strategielosen Vereins, der die immergleichen Fehler mit den immergleichen althergebrachten Methoden zu beheben versucht – und sich damit seit Jahren im Kreis dreht“, kritisiert das Fanbündnis.
Eine große Chance für den BVB bestehe nun im Ausscheiden von Watzke aus dem operativen Geschäft gegen Ende des Jahres 2025. „Der Abgang einer solch prägenden Figur bietet die Chance auf einen echten Neuanfang fernab der insbesondere sportlich ausgeprägten Rückwärtsgewandtheit. Dazu braucht es allerdings klare Strukturen und eine Vision darüber, was Borussia Dortmund in Zukunft darstellen will.“
Borussia Dortmund stehe „angesichts der wachsenden Konkurrenz in der Bundesliga nun am Scheideweg“, stellt das Fanbündnis fest. Neben sportlichen Faktoren gehe es dabei auch um die Identität nach innen und außen, die aus Sicht der Hardcore-Fans zuletzt unter der Anbiederung an neue Märkte gelitten hat.

Aktive Fanszene wird dem BVB genau auf die Finger schauen
„Die fragwürdige Vorreiterrolle bei den Investorenplänen der DFL und die nervenaufreibenden Diskussionen rund um das Rheinmetall-Sponsoring ließen das eigene Profil abseits des Sports zuletzt ebenso weiter verblassen, wie es die One-Piece-Kooperation, der Verkauf von ramschigen Wrestlinggürteln oder das x-te neongelbe Sondertrikot in Erinnerung an längst vergangene Tage taten“, so die beißende Analyse.
Wie der Klub auch diese Themen aufarbeitet, will das Fanbündnis genau begutachten. Zuletzt habe man sich in Anbetracht der sportlich schwierigen Situation zurückgehalten, künftig könne sich die Vereinsführung darauf nicht verlassen. „Wir Fans können einen entscheidenden Anteil haben, wenn es darum geht, bei einem ‚Weiter wie bisher‘ unser gesamtes Gewicht in die Waagschale zu werfen“, kündigt das Statement an.
Die Veröffentlichung des offenen Briefs rief am Dienstagnachmittag ein großes Echo hervor, in den sozialen Medien gab es viel Zustimmung für die kritischen Töne gegenüber der Vereinsführung. Die weiß spätestens jetzt, dass die aktive Fanszene dem BVB in der Zukunft ganz genau auf die Finger schauen wird.