Drei Kandidaten im Kreuzverhör: Podiumsdiskussion in Kochel zur Bürgermeisterwahl
Die drei Bürgermeister-Kandidaten Rosi Marksteiner (Mitte), Thomas Bacher (CSU) und Jens Müller (UWK) stellen sich bei der Podiumsdiskussion den Fragen des Tölzer Kurier.
Kochel am See – Riesengroß war der Andrang bei der Podiumsdiskussion mit den drei Kochler Bürgermeister-Kandidaten, zu der der Tölzer Kurier in die Heimatbühne eingeladen hatte. Um die 300 Zuhörer verfolgten, was Thomas Bacher (CSU), Rosi Marksteiner (Mitte) und Jens Müller (UWK) zu Themen wie der Belebung der Ortsmitte, dem Verkehrschaos und der Bürgerbeteiligung zu sagen hatten. Gesprochen wurde über viele Vorschläge – wie Kreisverkehre an den Ortseingängen, einen Ortsbus, Lärm-Blitzer am Kesselberg sowie höhere Gebäude. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Redaktionsleiterin Veronika Ahn-Tauchnitz.
Belebung der Ortsmitte
Ahn-Tauchnitz wollte wissen, ob die Kandidaten Möglichkeiten sehen, den Kochler Ortskern zu beleben und mehr Geschäfte ins Zentrum zu bringen. Bacher würde sich wünschen, dass Ladenflächen an der zentralen Kreuzung vermietet werden, räumte allerdings ein: „Jeder weiß, dass das nicht einfach wird.“ Man könne nur mit den Eigentümern reden und mit „Ehrgeiz und Elan“ am Thema dranbleiben.

Müller erinnerte daran, dass schon mal ein Bauantrag gestellt worden ist. Dieser sei an Formalien gescheitert. Mittlerweile sei der Denkmalschutz das entscheidende Hindernis. Müller fürchtet, „dass die Gebäude so lange stehen bleiben, bis sie nicht mehr sanierungsfähig sind“. Juristisch könne man nichts dagegen unternehmen.
Rosi Marksteiner sagte, die Dorfentwicklung sei eines ihrer Hauptthemen. Sie setzt auf Bürgerbeteiligung, um die Aufenthaltsqualität in der Ortsmitte zu steigern und den Kurpark attraktiver zu gestalten.
Günstige Wohnungen
Die drei Kandidaten sollten erläutern, ob sie Möglichkeiten sehen, in Kochel bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Rosi Marksteiner ist der Meinung, dass sich die Gemeinde mit der Lenggrieser Wohnungsbaugesellschaft in Verbindung setzen muss. An der Alten Straße könne Wohnraum geschaffen werden. Auch er habe das natürlich auf dem Schirm, sagte Bacher. Die Gemeinde habe schon analysiert, welche Grundstücke verwertet und selbst bebaut werden können: „Wir müssen Eigentümer bleiben, damit wir die Hand drauf haben.“ Die Gebäude müssten zudem in die Höhe wachsen: „Irgendwann müssen wir zu drei Vollgeschossen hinkommen.“
Jens Müller empfindet es als sehr intelligent, wenn Betriebe Wohnungen für ihre Mitarbeiter bauen. Auf diese Weise könnten sie sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Zudem plädierte er dafür, dass auf gemeindlichen Flächen, beispielsweise in Altjoch, „Tiny Houses“ entstehen. Bacher hält diese Idee „für nicht so einfach zu realisieren“. Die Flächen in Altjoch lägen im Außenbereich, Behörden würden Einwände haben. Personalwohnungen kämen allenfalls für große Betriebe in Betracht, ergänzte Marksteiner: „Nicht jede Firma kann irgendwo Häuser hinstellen.“
Soziale Bodennutzung
Seit längerer Zeit ist die sozial orientierte Bodennutzung (Sobon) ein Thema. Sie sieht vor, dass bei Ausweisung von Bauland ein Teil für bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung gestellt werden muss. Veronika Ahn-Tauchnitz wollte wissen, wie die Kandidaten dazu stehen. Marksteiner äußerte sich allgemein: „Natürlich ist das ein Thema. Es gibt eine lockere Arbeitsgruppe, die versucht, eine passende Lösung zu finden.“ Ähnlich äußerte sich Bacher: „Jeder hat seine eigene Meinung dazu. Es ist immer die Frage, wie man das im Gemeinderat einbringt und durchsetzt.“
Klar dagegen positionierte sich Müller. Sobon bedeute Abschöpfung von Eigentumsgewinn, wenn landwirtschaftliche Fläche zu Bauland umgewandelt wird. Die Sobon ist seiner Ansicht nach verträglich für Eigentümer, wenn riesige Flächen ausgewiesen werden: „Aber nicht in Kochel, wo vielleicht drei, vier Grundstücke zusammengefasst werden“.
Verkehrsberuhigung
Kochel ist geplagt von Staus und Verkehrslärm. Ahn-Tauchnitz fragte, ob die Kandidaten eine Möglichkeit sehen, wie man die Probleme in den Griff bekommen kann.
Müller machte den Zuhörern keine großen Hoffnungen: „Man muss ganz ehrlich sein und sagen: Es gibt nicht für alle Probleme eine Lösung.“ Durch Kochel führe eine Bundesstraße, und auf die könne die Gemeinde keinen Einfluss nehmen. Er selbst könne sich eine Tempo-30-Zone zwischen Bahnhof und Heimatbühne vorstellen. Doch auch dies sei auf einer Bundesstraße nicht möglich. Die entsprechende Gesetzesinitiative sei eben erst gescheitert. Müller könnte sich auch vorstellen, dass am Trimini oder beim Edeka Kreisverkehre gebaut werden. Diese würden den Verkehr verlangsamen. Staus würden sich dann an Kreisverkehren außerhalb der Ortschaft bilden und nicht mehr im Ort.
Nach Ansicht von Marksteiner seien nicht die Autos, sondern die Motorräder das Hauptproblem. Messungen hätten ergeben, dass der Lärmpegel gesunken ist, „aber als Bürger merkt man da nicht unbedingt was davon“. Daher müsse man nachsteuern und verstärkt kontrollieren. Im Hinblick auf die Staus sieht sie nur wenig Verbesserungspotenzial, „denn wir können niemand verbieten, zu uns zu fahren“. Besserung könnten ihrer Ansicht nach vielleicht digitale Lösungen bringen: „Wenn jemand in München sieht, dass es bei uns keine Parkplätze mehr gibt, fährt er vielleicht woanders hin.“
Bacher hofft darauf, dass Lärm-Blitzer irgendwann zugelassen werden. Zudem gehe es darum, den Druck auf den Bund hoch zu halten. Denkbar seien neue Ampelschaltungen und Kreisverkehre. Doch diese Fragen müssten Experten klären.
Nahverkehr
Kochel war in den vergangenen Monaten nicht mit dem Zug erreichbar, abends gibt es keine Möglichkeit, mit dem Bus nach Bad Tölz zu kommen. Ahn-Tauchnitz wollte deshalb wissen, ob die Kandidaten Verbesserungsmöglichkeiten sehen. Ein besserer Öffentlicher Personennahverkehr sei natürlich wünschenswert, da dieser den Individualverkehr verringert, antwortete Marksteiner. Gerade eben erst sei ein Stundentakt nach Walchensee eingeführt worden. Nachdenken könne man vielleicht über die Taktverdichtung zu Stoßzeiten und an Wochenenden.
Bacher verwies auf die enorme Größe der Gemeinde. Von Ried nach Einsiedl sei man länger unterwegs als von Ried nach Bad Tölz. Seiner Ansicht nach sei der Mangel an Busfahrern das Hauptproblem. Erst wenn dieser behoben ist, könne man sich über eine neue Bus-Taktung Gedanken machen.
Müller empfahl, dankbar zu sein, dass in die Bahntrasse nach Kochel investiert wird: „Wenn so viel investiert wird, ist klar, dass die Bahnlinie nicht geschlossen wird.“ Versuche mit einem Ruf-Bus nach Bad Tölz seien gescheitert. Er könne sich allenfalls einen Ortsbus in Kooperation mit dem Trimini vorstellen.
Klimaneutralität
Eine Zuhörerin sagte, die ganze Welt spreche über Klimaschutz. Sie wollte wissen, wo Kochel in dieser Frage die Hebel ansetzen will. Müller entgegnete, in Kochel gebe es keine großen Industriebetriebe. Er gehe daher davon aus, dass Kochel „relativ gut aufgestellt“ ist. Er plädierte zudem für das Heizen mit Holz, das seiner Ansicht nach ein klimaneutraler Brennstoff ist.
Marksteiner sieht dagegen in Kochel noch „sehr viel Luft nach oben“. Sie plädierte für ein gemeinsames Wärme-und Energie-Versorgungsnetz: „Es ist ganz wichtig, den Bürgern zu zeigen: Wir sind dran und überlegen, welche Lösungen es für Kochel geben kann.“ Man müsse sich überlegen, wo Quartierslösungen oder Lösungen für einzelne Straßen sinnvoll sind. Es sei „ganz, ganz wichtig“, eine Studie zu machen und ein Konzept aufzustellen. Menschen, die Häuser bauen oder ihre Heizungen austauschen wollen, müsse man aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt.
Fern- und Nahwärme sei immer ein Thema in Kochel, bestätigte Bacher. Der nächste Schritt sei, alle gemeindlichen Gebäude mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten. Zudem gehe es darum, bei der Stromerzeugung von Bürgern für Bürger einen Schritt vorwärtszukommen.
Bürgerbeteiligung
Wie soll Bürgerbeteiligung aussehen? Auch diese Frage sollten die Kandidaten beantworten. Der Kontakt zum Bürger sei zuletzt „etwas verloren gegangen“, sagte Müller. Er plädierte für Bürgerversammlungen und Gemeinderatssitzungen in den Ortsteilen. Abgesehen davon würden die Bürger erwarten, dass der Gemeinderat gute Arbeit leistet. Bürgerbeteiligung sei eher ein Thema, wenn der Rat keine gute Arbeit leistet.
Dies sieht Marksteiner anders: „Bürgerbeteiligung ist essenziell. Gute Ideen haben in Kochel nicht nur die 17 Gemeinderäte.“
Bacher sagte, Bürgerbeteiligung stehe bei ihm auf der Agenda. In Kochel laufe ein Städtebau-Förderprogramm, in Ortsteilen ein Dorfentwicklungs-Programm, daher werde Bürgerbeteiligung automatisch zum Thema.
Kämmerer
Der Schlehdorfer Zuhörer Martin Schuster wandte sich in seiner Frage konkret an Thomas Bacher. Schlehdorf bilde eine Verwaltungsgemeinschaft mit Kochel, sagte Schuster und fügte unter dem Gelächter der Zuhörer hinzu: „Daher sind wir sehr interessiert, wer in Kochel neue Bürgermeisterin wird.“ Er sagte weiter, er habe gelesen, dass Bacher in Zukunft Bürgermeister und Kämmerer sein will. „Wie stellen Sie sich diese Personalunion vor in Zeiten, in denen die meisten über Arbeitsüberlastung klagen?“ Die Arbeit als Kämmerer könne er in der Tat nicht zu 100 Prozent weiter erledigen, antwortete Bacher. Es gehe um Umstrukturierungen und Aufgabenverteilung.
Finanzen
Um die Finanzen drehten sich die Fragen von Angelica Dullinger und Felix Gerg. Dullinger sagte, in Kochel stünden Großprojekte wie die Kanalsanierung an. Sie wollte wissen, ob es einen Zehn-Jahres-Plan gibt. Gerg ergänzte, ihn interessiere, wo das Geld angesichts der hohen Pro-Kopf-Verschuldung herkommen soll.
Bacher antwortete, es sei klar, dass die Gemeinde keine großen Sprünge machen kann, trotzdem wolle er keine Grundstücke verkaufen. Er hofft auf Mieteinnahmen aus dem kommunalen Wohnungsbau, zudem müsse man sich die Gebühren „anschauen“ – sprich erhöhen.
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Ohne die Bürger zu belasten, werde es wohl nicht gehen, bestätigte Marksteiner. Wo noch eingespart werden kann, sei „eine schwierige Frage – vielleicht bei Geräten für den Bauhof“.
In den kommenden Jahren müsse die Gemeinde 20 Millionen Euro in die Kanalisation investieren, ergänzte Müller. Angesichts dessen könne eine Sonderumlage notwendig werden. In Richtung Bacher sagte Müller unter dem Gelächter des Publikums: „Angesichts dieser Herausforderungen brauchen wir weiter einen guten Kämmerer.“
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Wie lange dauert die Amtszeit?
Verwirrung herrschte in der Podiumsdiskussion über die Frage, wie lange die Amtszeit des neu gewählten Gemeindeoberhaupts von Kochel am See dauert. Das Gesetz regelt, dass ein Bürgermeister, der während der Amtszeit des Gemeinderats gewählt wird, bis zur nächsten Gemeinderatswahl im Amt bleibt. Es sei denn, diese Amtszeit dauert weniger als vier Jahre, in Kochel wären es sogar nur zwei Jahre. In diesem Fall greift die generelle Regelung, dass der Rathauschef für die Dauer von sechs Jahren gewählt wird. Das heißt, die nächste Bürgermeisterwahl wäre im Januar 2030. Es gibt jedoch noch eine andere Möglichkeit: Sollte der amtierende Bürgermeister dies beantragen, kann der Gemeinderat beschließen, dessen Amtszeit zu verkürzen. Dann könnten Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl zeitgleich 2026 stattfinden.