KI in der Landwirtschaft: Hightech-Industrie statt Bauernhof-Romantik?
Drohnen über Feldern, Chips in Kühen, selbstfahrende Traktoren: KI in der Landwirtschaft ist keine Zukunftsmusik. Vor allem die Betriebsart bestimmt, wer sie nutzt.
Dreckige Klamotten, Schwielen an den Händen, ein mitunter strenger Geruch: Landwirtschaft ist ein Knochenjob – der obendrein viel Zeit in Anspruch nimmt. Laut Zahlen des Deutschen Bauernverbands kommen Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei auf 1674 Jahresarbeitsstunden. Zum Vergleich: Das Mittel aller Erwerbstätigen liegt bei 1347 Arbeitsstunden. Bauern arbeiten also 327 Stunden mehr im Jahr als der Durchschnitt. Das entspricht einem Plus von 40 Acht-Stunden-Schichten.
An Arbeit mangelt in dem Beruf nicht. Dafür zusehends an Personal, da zum Beispiel in einem Familienbetrieb die Kinder seltener den Hof übernehmen. Die Aufgaben bleiben natürlich gleich, nur: Wie können Landwirte dabei unterstützt werden? In Zeiten der Digitalisierung spielt zusehends auch künstliche Intelligenz eine Rolle.
„Das Schicksal unserer landwirtschaftlichen Betriebe war in der Generation unserer Väter und Großväter mit sehr viel Arbeit verbunden“, betont Dirk Köckler, Vorstandschef bei Agravis, einem der führenden Agrarunternehmen in Deutschland. Doch das soll der Vergangenheit angehören. Ein Überblick über verschiedene KI-Produkte auf Deutschlands Höfen:
Hightech-Landwirtschaft? Melkroboter und Magen-Sender – Künstliche Intelligenz bei Kühen
Durch die Technisierung gebe es etliche Möglichkeiten, die Arbeit zu erleichtern. Etwa beim Melkroboter. Die Kuh geht in den Roboter, die Zitzen des Euters werden automatisch identifiziert und das Melkzeug angelegt. „Das erspart einem im Grunde 365 Tage im Jahr morgens und abends zweieinhalb Stunden zu melken“, sagt Köckler im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Die Technik erfordere zwar eine ständige Bereitschaft. „Im Ergebnis ist das aber ein völlig neues Arbeitsfeld.“
Bei Kühen gebe es zudem einen sogenannten Bolus im Netzmagen. „Das ist ein Sender, der Dinge wie Schrittzahl, Temperatur oder den pH-Wert misst.“ Dadurch habe man einen besseren Überblick und könne das Tier besser versorgen. „Das bringt Management-Unterstützung, ist ein echter Ansatz für KI und fördert somit das Tierwohl und die Langlebigkeit der Kuh.“

KI in der Landwirtschaft: Vollautomatische Traktoren und Futtersensoren
Datenauswertung ist ein entscheidender Vorteil von KI. Durch Bildüberwachung kann das Bewegungsverhalten von Tieren analysiert und bei Auffälligkeiten gegengesteuert werden. „Was heute noch das sehende Auge des Landwirts ist, kann morgen standardisiert werden“, sagt Köckler. Andere Parameter wie Akustiksensoren oder die Überwachung der Luft können frühzeitig auf Ungereimtheiten im Stall hindeuten. Sensoren melden, wenn das Futter ausgeht. „All das erhöht den Tierwohlstandard und verbessert Arbeitsqualität sowie Effizienz.“
Meine news
Künstliche Intelligenz kommt aber auch beim klassischen Ackerbau zum Einsatz, etwa bei der mechanischen Unkrautbekämpfung oder dem intelligenten, wassersparenden Bewässern. Zudem gibt es Drohnen und vollautomatische Maschinen für die Feldarbeit, die von allein über GPS-Tracking fahren. „Sie arbeiten umwelt- und ressourcenschonend und sparen CO₂, Arbeitszeit und Betriebsmittel ein.“

„Die Landwirtschaft ist in Sachen Digitalisierung teilweise weiter als andere Branchen“
Mögliches Hindernis für den Einsatz Künstlicher Intelligenz ist der Preis. „Das muss wettbewerbsfähiger sein als heute“, sagt Köckler. Ein normaler Melkroboter etwa kostet neu um die 150.000 Euro: Langfristig zahle sich der Einsatz neuer Methoden aber aus, da sie die Effizienz erhöhten.
Auch der Bauernverband zeigt sich offen für den Einsatz künstlicher Intelligenz. „Die Landwirtschaft ist in Sachen Digitalisierung teilweise schon weiter als andere Branchen“, erklärt Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied gegenüber IPPEN.MEDIA. „Seit Jahren sind Begriffe wie Digital oder Smart Farming keine Besonderheit mehr.“
Gemeint ist damit der Einsatz von Technologien in der Landwirtschaft. Der bringe Vorteile. „Die Digitalisierung hilft uns Bauern einerseits effizienter zu wirtschaften, andererseits unterstützt sie, den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln weiter zu reduzieren und das Tierwohl noch mehr zu verbessern.“ Mit KI könne man hier noch weitere Fortschritte machen.
Positiv gestimmt ist auch das Bundeslandwirtschaftsministerium. „KI bringt uns der Vision einer nachhaltigen und gleichzeitig hochpräzisen Landwirtschaft einen wichtigen Schritt näher“, erklärt ein Sprecher IPPEN.MEDIA. Davon profitierten auch die Bauern selbst. „Durch den Einsatz von KI und die damit verbundene Steigerung der Produktivität könnte das Gleiche oder mehr in weniger Arbeitsstunden geleistet werden.“
Auch deshalb fördert das Ministerium mehrere Projekte. Etwa die Entwicklung von Kameras und Sensoren, die Pflanzenschädlinge und -krankheiten frühzeitig erkennen.
Sorge vor Künstlicher Intelligenz: „Braucht ihre Zeit“
KI gehöre die Zukunft, meint auch Köckler. „Die Praxisreife braucht allerdings auch hier ihre Zeit.“ Etwa mit Blick auf den Generationswechsel. Die Realität zum Einsatz von KI sieht noch verhalten aus. Laut einer Umfrage der DZ Bank unter Agrarunternehmen planen derzeit knapp zwei Drittel der Befragten keinen KI-Einsatz. Laut einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft setzen momentan nur neun Prozent der Betriebe auf KI. Weitere 38 Prozent planen oder diskutieren das. Dabei gilt: je größer der Betrieb, desto intensiver der Einsatz und die Beschäftigung mit KI.
Vorbehalte gibt es nicht nur in der Landwirtschaft. Laut einer Civey-Umfrage von Ende 2023 gehen 42 Prozent der Befragten davon aus, dass KI langfristig eher Schaden mit sich bringe. Köckler betont, KI schaffe Freiraum für die Umsetzung von Innovationen wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit. Der Agrarunternehmer beschwichtigt: „Auch mit KI werden in der Landwirtschaft noch Geschäfte unter Menschen gemacht.“ (as)