Habecks Berater wollen Schuldenbremse aufweichen: Folgen dann Mega-Inflation und teure Kredite?

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Der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums spricht sich für eine Aufweichung der Schuldenbremse aus. Wirtschaftsexperten sehen darin eine Gefahr.

München – Die Schuldenbremse – hilft sie den Deutschen und ihrer Wirtschaft langfristig oder schadet sie? Die Bremse steht im Kern der Beratungen für einen verfassungsgemäßen Haushalt für 2024, der in diesen Tagen unter anderem von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) festgezurrt wird. Um diese einzuhalten, gilt es für die Ampel-Koalition, mindestens 17 Milliarden Euro einzusparen.

Habecks Berater plädieren nun erstmals für eine weitreichende Reform der Schuldenbremse. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums bemängelt in einem Gutachten, die Schuldenbremse setze Fehlanreize für zu wenig staatliche Investitionen. Darüber berichtete unter anderem das Handelsblatt. Am Dienstag (5. Dezember 2023) wurde das Gutachten offiziell in Berlin vorgestellt. Der Beirat besteht aus einem Gremium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Habeck unabhängig beraten sollen.

Habecks Berater befürworten „Goldene Regel Plus“ für den Haushalt 2024

Die Experten argumentieren für eine Neuausrichtung der Finanzpolitik. Bisher habe die Bundesregierung für Investitionen vor allem auf schuldenfinanzierte Sondervermögen gesetzt. Neues Schlüsselwort ist nun eine „Goldene Regel Plus“, die der Beirat vorschlägt. Für staatliche Konsumausgaben wie Sozialtransfers solle weiter die Schuldenbremse gelten, die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt. Bei Nettoinvestitionen hingegen dürfen Schulden gemacht werden, sie sollen so finanziert werden können. Dies umfasst alle einmaligen Investitionen. Dadurch würden „Verzerrungen“ der Politik zulasten der jüngeren Generationen beseitigt, schreiben die Wissenschaftler laut Handelsblatt.

Scholz, Habeck und Lindner konsterniert. Laut einer Umfrage stehen die Deutschen mehrheitlich zur Schuldenbremse. (Archivbild)
Scholz, Habeck und Lindner konsterniert: Laut einer Umfrage stehen die Deutschen mehrheitlich zur Schuldenbremse. (Archivbild) © Christoph Soeder/dpa

Habeck hält die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form für „zu wenig intelligent“. Klar für die Schuldenbremse argumentiert nicht nur Finanzminister Christian Lindner (FDP), sondern auch Professor Niklas Potrafke vom ifo Institut. Gegenüber der Bild sagte er, die Bremse helfe bei der Sanierung des Bundeshaushalts. Kredite seien außerdem durch die Bremse günstiger zu bekommen. Durch weniger Zinszahlungen sei „mehr Geld für andere Vorhaben wie Straßen, Schulen und Klimaschutz“ vorhanden. Ebenso sieht es die Wirtschaftsweise Veronika Grimm von der Uni Erlangen. Gegenüber der Bild äußerte sie: „Für die Lösung der aktuellen Probleme wäre das ohnehin nicht nützlich, weil eine Reform sorgfältig abgewogen werden müsste und viel Zeit und Sachverstand bräuchte.“

Auch der ehemalige ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sagte gegenüber der Wirtschaftswoche, dass eine Aufweichung staatlicher Schuldengrenzen dazu führe, die Wiederkehr sehr hoher Inflationsraten zu riskieren. Die Vorsitzende Wirtschaftsweise Monika Schnitzer dagegen hatte sich offen für Ausnahmen von der Schuldenbremse gezeigt: „Eine transparente Lösung könnte sein, eine erneute Ausnahme von der Schuldenbremse zu begründen, mit den Auswirkungen der Energiekrise“, sagte die Wirtschaftsweise der Düsseldorfer Rheinischen Post (RP).

Haushalt 2024: Wann werden Kredite auf die Schuldenbremse angerechnet?

Ob der Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition überhaupt zulässig sein wird, darüber streiten sich auch vom Bundestag berufene Experten. Umstritten war in einer Anhörung des Haushaltsausschusses am Dienstag, ob die Bundesregierung infolge des Karlsruher Haushaltsurteils ihre allgemeine Buchungssystematik ändern muss. Dabei geht es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt Kredite auf die Schuldenbremse angerechnet werden: Wenn sie genehmigt oder wenn sie tatsächlich aufgenommen werden.

Das Finanzministerium berücksichtigt die Kredite in dem Jahr, in dem sie genehmigt wurden. Unter anderem der Bundesrechnungshof hält das für verfassungswidrig. Es würden damit Defizite in Höhe mehrerer Milliarden Euro verschleiert. Mehrere Rechtswissenschaftler widersprachen in der Anhörung: Das Bundesverfassungsgericht habe sich ausschließlich auf Sondervermögen mit Notlagenkrediten bezogen. Die allgemeine Buchungsregel sei vom Urteil nicht betroffen.

Karlsruhe hatte die Umschichtung von 60 Milliarden Euro im Etat von 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber später für Investitionen in Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft genutzt werden. Die Richter entschieden, dass sich der Bund Notkredite nicht für spätere Jahre aufsparen darf. In Vorjahren bewilligte Kredite hatte der Bunde für die Energiepreisbremsen und Fluthilfen genutzt. Diese sollen nun nachträglich abgesichert werden, indem eine erneute Notlage erklärt und die Schuldenbremse ausgesetzt wird. (cgsc mit dpa)

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