Bahn AG in der Kritik - Experte nennt Lösungen für Bahnreform - die werden dem Bund aber nicht gefallen

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imago images/Arnulf Hettrich Die Deutsche Bahn steht vor riesigen Herausforderungen.
Dienstag, 03.09.2024, 16:29

Die Deutsche Bahn AG befindet sich wirtschaftlich und betrieblich in einer tiefen Krise. Um das den gesamten Sektor und das Unternehmen zu stabilisieren und zu sanieren, sind laut Bahn-Experte Christian Böttger Reformen auf unterschiedlichen Ebenen erforderlich.

Finanzierung des Neu- und Ausbaus

Der Bund muss entscheiden, wie viel Geld er künftig für den Ausbau der Schiene bereitstellen will. Wachstum ist nur möglich, wenn der Bund auch Mittel für den Ausbau des Netzes bereitstellt. Durch die Mittelkürzung der letzten Jahre besteht eine lange Liste dringend überfälliger Projekte. Da sich die Kapazitäten für Planung und Bau dem Volumen angepasst haben, hilft zusätzliches Geld allein nicht, auch die Ressourcen müssen wieder aufgebaut werden.

Von zentraler Bedeutung ist eine längerfristige Planbarkeit der verfügbaren Mittel. Das betrifft nicht nur die Schiene, sondern auch andere öffentliche Infrastrukturen. Hier muss eine haushaltsrechtlich vertretbare Lösung gefunden werden, die es ermöglicht, langfristige Zusagen für Infrastrukturprojekte zu tätigen.

Sofern ein Aufwuchs der Mittel geplant wird, müsste auch ein konzertiertes Programm zum Aufbau von Planungs- und Bauressourcen geschaffen werden. Zum anderen muss die Politik ehrlicher werden. Derzeit werden viele Planungsmittel für Projekte ausgegeben, für die auf Jahrzehnte kein Geld zur Umsetzung vorhanden sein wird.

Das Ministerium lässt Fahrpläne entwickeln für eine Infrastruktur, die auf Jahrzehnte nicht vorhanden sein wird. Ehrlichkeit würde auch bedeuten, dass die politisch Verantwortlichen offenlegen, welche Projekte nicht finanzierbar sind. Dazu gehört auch, Nachbarländer zu informieren, dass Deutschland seine Verpflichtungen zum Anschluss internationaler Strecken wie Brennertunnel und Fehmarnbeltquerung nicht erfüllen wird.

Über Christian Böttger

Prof. Dr. Christian Böttger
HTW Berlin Prof. Dr. Christian Böttger

Prof. Dr. Christian Böttger ist Professor im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin). Er beschäftigt sich seit vielen Jahren Organisation und Finanzierung von Eisenbahnen.

Ersatzinvestitionen/Sanierung

Für die Sanierung des Bestandsnetzes haben DB und Bund in den letzten Jahrzehnten zu wenig investiert, entsprechend hat sich der Netzzustand verschlechtert. Künftig sollte der Zustand besser überwacht werden und sichergestellt werden, dass stetig Mittel zum stabilen Erhalt des Netzes investiert werden.

Subventionen an die DB AG

Der Bund stellt für die DB AG und andere Betreiber eine Reihe kleiner, unübersichtlicher Subventionen bereit, darunter vor allem Trassenpreisförderungen. Diese Förderprogramme sind chaotisch und widersprüchlich, selbst Fachleute haben kaum noch einen Überblick über die Wirkung der Subventionen. Jedes Jahr besteht das Risiko von Haushaltskürzungen, Marktteilnehmen können sich nicht auf die Rahmenbedingungen verlassen. Diese Struktur muss vereinfacht werden, die Akteure sollten Planungssicherheit über mehrere Jahre erhalten.

Steuerung der DB AG

Dem Bund ist es in den letzten Jahrzehnten weder in seiner Rolle als Eigentümer noch über vertragliche Vereinbarungen gelungen, die DB AG zu steuern. Die bisherigen Steuerungsmethoden haben versagt, eine Blaupause für eine bessere Steuerung ist, auch im Ausland, nicht sichtbar.

Im ersten Schritt ist eine Entscheidung zu treffen, ob künftig die DB AG direkt aus der Politik gesteuert werden soll oder wieder eine Trennung zwischen der Rolle des Eigentümers und der des Vertragspartners eingerichtet werden soll. Derzeit deutet viel darauf hin, dass die Politik anstrebt, die Bahn direkt zu steuern. Hierfür wäre es in einem ersten Schritt sinnvoll, die Bahn und ihre Tochtergesellschaften in GmbHs umzuwandeln, dadurch könnte der Eigentümer die Aufsichtsräte etwas besser steuern, ohne das damit das Steuerungsproblem gelöst wäre.

Die Frage hier ist, wie ein Aufsichtsrat gefunden werden kann, der in der tiefen Krise des Unternehmens die erforderlichen Sanierungs- und Reformtätigkeiten im Unternehmen initiiert und überwacht und der zum anderen das Vertrauen der Politik genießt. Hier sehe ich keine klare Lösung, wie entsprechende Fachleute gefunden werden können. 

Institutionell sollte das System und seine Kernbestandteile durch die Politik definiert werden. Hierzu gehören Umfang und Ausstattung der Infrastruktur und Eckpunkte wie Trassenvergabe und technische Standards (z.B. Bahnsteighöhen). Die Erbringung von Leistungen, insbesondere der Bahnbetrieb, kann effizienter im Wettbewerb von Privaten erbracht werden.

Dies war bereits Grundprinzip der Bahnreform von 1994, in einigen Punkten bedürfen die damaligen Regelungen allerdings der Anpassung. Grundsätzlich sollte, insbesondere für den Regionalverkehr, die Haftung für Schlechtleistung neu geregelt werden. Die Betreiber zahlen Strafen an das Land für verspätete und ausgefallene Züge, können jedoch nach geltender Rechtslage den Infrastrukturbetreiber bei Schlechtleistung nur sehr begrenzt in Regress nehmen.

Für den Fernverkehr scheint eine gesetzliche Grundlage der Leistungserbringung sinnvoll, aufgrund der Kapazitätsengpässe hat dies jedoch keine Priorität. Für die Infrastruktur ist ein neues Steuerungskonzept mit neuen Zielwerten in Arbeit. Angesichts der desolaten Lage, bei der die DB InfraGo heute nicht einmal gesetzliche Minimalanforderungen erfüllen kann, stellt sich die Frage, wie viel Energie derzeit in die Entwicklung eines neuen Kennzahlensystems gesteckt werden sollte. Gleiches gilt für die Frage nach einer gesellschaftsrechtlichen Trennung zwischen der Infrastruktur und den Transportgesellschaften. Meiner Ansicht nach wäre eine solche Trennung sinnvoll, in der aktuellen Krise aber nicht prioritär.

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Auf jeden Fall sollte sichergestellt werden, dass die DB AG nicht zu einem geheimen Schattenorganisation des Bundes verkommt. Verkehrsministerium und DB AG verbergen immer mehr Informationen gegenüber Parlament und Öffentlichkeit.

Gerade ob der Zweifel über die Instrumentarien des Bundes bei der Steuerung scheint es wichtig, dass die Öffentlichkeit sich ein eigenes Bild machen kann. Denkbar wäre z.B., dass die Regierung verpflichtet wird, je Legislaturperiode quantitative Ziele für die Schiene und geplante Ressourcen verbindlich festzulegen und vor der nächsten Wahl Bericht zu erstatten.

Darüber hinaus sollte die DB AG jährlich einen Bericht über ihre bahnfernen Geschäfte und deren wirtschaftlichen Erfolg erstellen. Sie sollte für alle Tochterfirmen gemäß gesetzlichen Vorgaben Jahresabschlüsse veröffentlichen (derzeit nutzt sie eine Ausnahmeklausel, um nicht veröffentlichen zu müssen). Weiterhin sollte ein jährlicher Bericht über die Beschäftigung von Politikern, Parteispenden etc. veröffentlicht werden.

Das Unternehmen DB AG

Als letzten Punkt ist das Unternehmen DB AG zu betrachten. Hier besteht aufgrund der zunehmenden Verluste und der angespannten betrieblichen Lage kurzfristiger Handlungsbedarf. Wichtigster Punkt sind dabei alle Maßnahmen, um den Eisenbahnbetrieb zu stabilisieren. Aus dem Konzern gibt es immer mehr Klagen über die wachsende Bürokratie, verbunden mit einer Kultur der Verantwortungslosigkeit. Von außen kann die Richtigkeit dieser Kritik nicht verbindlich überprüft werden.

Es steht aber zu vermuten, dass eine massive Verschlankung der Overheadstrukturen und die Schaffung klarer Entscheidungs- und Verantwortungslinien die Voraussetzung für die Stabilisierung des Betriebs wären. Darüber hinaus sollten die bahnfernen Geschäfte auf den Prüfstand gestellt werden. Sofern sie keine Gewinne erwirtschaften oder ein überzeugendes strategisches Interesse nachgewiesen wird, sollten die Beteiligungen verkauft werden.

Fazit: Derzeit gibt fast täglich Hiobsbotschaften für den Bahnbetrieb. Aus Sicht des Autors sind organisatorische und finanzielle Reformen die Voraussetzung für eine Sanierung des Unternehmens DB AG und der Stabilisierung des ganzen Sektors. Die Zeit drängt.

Dieser Text stammt von einem Experten aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.