100 Kinder ohne Kita-Platz

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Holzkirchen
  4. Holzkirchen

KommentareDrucken

Soziale Kompetenzen erwerben Kinder im Spiel mit anderen Kindern in der Kita. Doch fast überall fehlen Betreuungsplätze, auch in der Gemeinde Holzkirchen. © Archiv TP

Wer betreut mein Kind? Vor dieser Frage stehen viele Holzkirchner Eltern ab September: Insgesamt 100 Kindergarten- und Krippenplätze fehlen zum Start des kommenden Betreuungsjahres. Die gute Nachricht: Ende des ersten Quartals 2025 entspannt sich die Lage wohl.

Holzkirchen – „Planen geht momentan gar nicht“, sagt Sandra Meineke. Die Customer-Marketing-Expertin arbeitet 32 Stunden pro Woche, während ihr Sohn die Krippe besucht. Allerdings wird der Kleine demnächst drei Jahre alt, weshalb im September der Übertritt in den Kindergarten ansteht. Die Holzkirchnerin hatte sich fristgerecht über das zentrale Portal „little bird“ für einen Kindergartenplatz angemeldet – und jetzt eine Absage kassiert.

Damit ist die 43-Jährige nicht allein: Etwa 100 Kindergarten- und Krippenplätze fehlen zum Start des neuen Betreuungsjahres, wobei der Mangel bei den Kindergartenplätzen höher ist als im Krippenbereich. In der Vergangenheit war es meist andersherum. Ganz fix ist die Zahl noch nicht, da das Aufnahmeverfahren an den Schulen noch nicht abgeschlossen ist.

Kommentar: Herber Rückschlag

Wer hätte gedacht, dass sich „Familie und Gedöns“ (Altkanzler Gerhard Schröder 1998 über das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) einmal zu zentralen Themen der Politik entwickeln würden? Der Paradigmenwechsel, den Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) ab 2002 und ihre Nachfolgerin Ursula von der Leyen (CSU) eingeleitet hatten, führte dazu, dass sich die Kommunen in Sachen Kinderbetreuung bewegen mussten. Für Familien ist das Recht auf einen Betreuungsplatz ein Fortschritt, und es ist richtig, diesen im Ganztagsanspruch für Grundschüler fortzuführen. Sonst würden die Frauen, die sich Kinder UND wirtschaftliche Unabhängigkeit wünschen, heute noch an die Grenzen des Leistbaren stoßen, wie Generationen von Frauen vor ihnen. Oder sie würden gar nicht erst Mutter werden.

Wahr ist aber auch, dass der Rechtsanspruch Erwartungen geweckt hat – die sich derzeit immer öfter nicht erfüllen lassen. Nach jahrzehntelangen Bemühungen um Chancengleichheit und um eine Umkehr des demografischen Wandels ist das ein herber und beunruhigender Rückschlag.

Bettina Stuhlweißenburg

Die Gemeinde Holzkirchen hat die Betroffenen zum Gespräch geladen. Bürgermeister Christoph Schmid (CSU) versuchte, die Wogen zu glätten. „Wir können allen Betroffenen einen Platz anbieten, sobald die Erweiterung des Kinderlandes abgeschlossen ist.“ Das sei Ende des ersten Quartals 2025 der Fall.

Für Sandra Meineke ist das kein Trost: Sie hat ab Ende August für die Dauer von voraussichtlich sieben Monaten keinen Platz für ihren Sohn. Dabei hatte sie eigentlich vor, wieder mehr zu arbeiten. Auf 32 Stunden hatte sie reduziert, weil die Krippe um 16 Uhr schließt. Was nun? „Gute Frage“, sagt sie. Derzeit erwägt sie rechtliche Schritte, allerdings ist ihr bewusst, dass eine Klage nicht unbedingt zielführend ist: Würde ihr der Landkreis, der in der Gesamtverantwortung für ein Betreuungsangebot steht, zum Beispiel einen Platz in Tegernsee zuweisen, würden Hol- und Bringzeit einen zeitlichen Aufwand bedeuten. Würde es sich dann auch noch um einen Halbtagsplatz handeln – Kindergartenkinder haben anders als Krippenkinder keinen Anspruch auf ganztägige Förderung, weil das zugrundliegende Gesetz älter ist – wäre der vollzeitnah arbeitenden Mutter nicht wirklich geholfen. Meineke versucht es mit Optimismus: „Man kriegt es immer irgendwie hin.“

Für Härtefälle versucht die Gemeinde, in bilateralen Gesprächen und in Zusammenarbeit mit dem Kinderland eine Lösung zu finden. „Ich habe Verständnis für die betroffenen Eltern, die nun ein Problem haben“, sagt Schmid. „Ich freue mich aber, dass wir mit dem Kinderland als Partner allen einen Platz anbieten können, sobald der Erweiterungsbau fertig ist. Das war im Vorjahr nicht der Fall.“ Ursprünglich sei eine frühere Fertigstellung geplant gewesen. Aber im Zuge der Verwerfungen durch den Ukrainekrieg sei es zu Materialengpässen und Teuerungen in der Baubranche gekommen, weshalb die Gemeinde keine verwertbaren Angebote von Bauunternehmungen bekommen habe. „Das hat zu Verzögerungen geführt“, erklärt Schmid. Dass Holzkirchen im Jahr 2021 mit 190 Kindern einen Geburtenrekord erlebt habe, der Zuzug sowie die Möglichkeit zur späteren Einschulung seit Einführung des sogenannten Korridors mache der Kommune die Planung zusätzlich schwer.

Eine Auswahl aller wichtigen Geschichten aus Ihrer Region erhalten Sie in unserem kostenlosen Newsletter regelmäßig und direkt per Mail. Melden Sie sich hier an für Tegernsee, hier für Miesbach und hier für Holzkirchen.

Auch interessant

Kommentare