„Kraftvoll fürs Allgäu“: CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek im Interview

Mit dem ehemaligen Gesundheitsminister Klaus Holetschek führt wieder ein Allgäuer die CSU-Fraktion im Landtag. Mit unserer Zeitung sprach der Memminger über seine neue Aufgabe.
Herr Holetschek, Sie gelten als Allzweckwaffe der CSU. Zuletzt waren Sie Gesundheitsminister, jetzt sind Sie Fraktionsvorsitzender der CSU im Landtag. Wann und wie haben Sie davon erfahren, dass Sie Nachfolger von Thomas Kreuzer werden sollen?
Holetschek: „Ab einem gewissen Zeitpunkt wurde darüber spekuliert, weil klar war, dass Thomas Kreuzer aufhört. Irgendwann hat mich der Ministerpräsident dann gefragt, ob ich mir das vorstellen kann. Nachdem ich schon in verschiedenen Funktionen in der Politik tätig war und der Fraktionsvorsitzende eine entscheidende Schnittstelle ist, hat mich das Amt natürlich interessiert. So habe ich mich dazu entschieden, mich zur Wahl zu stellen und habe dann 84 von 85 Stimmen erhalten – ein großer Vertrauensbeweis!“
Was sind Ihre täglichen Aufgaben als Fraktionschef einer Regierungspartei?
Holetschek: „Am Anfang gab es viel zu organisieren. Wir haben 29 neue Kolleginnen und Kollegen, die müssen eingebunden und die Ausschüsse besetzt werden. In den Koalitionsverhandlungen war ich in alle entscheidenden Gesprächen sehr eng eingebunden, ebenso wie bei der Kabinettsbildung. Jetzt freue ich mich, dass wir loslegen können, weil wir die Themen aus dem Koalitionsvertrag abarbeiten wollen.
Wir wollen aber auch als Fraktion Themen neu setzen. Deshalb ist mein Amt auch eine Scharnierstelle zu den Freien Wählern, damit die Regierungsarbeit funktioniert – und das am besten reibungslos. Unsere Fraktion hat den Anspruch und das Selbstverständnis, ein Stück weit den Takt vorzugeben und mit unseren Ideen aus den Stimmkreisen zu zeigen, wofür wir stehen und wie wir die Probleme der Menschen lösen wollen.“
Auf was muss sich die Staatsregierung da gefasst machen?
Holetschek: „Es geht nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander. Es geht zum einen darum, die Staatsregierung aus dem Parlament heraus zu unterstützen, aber zum anderen auch darum, eigene Akzente und Themen zu setzen und zu verdeutlichen: Wir sehen draußen bei den Menschen, dass das ein oder andere möglicherweise schneller gehen oder ein Thema eine andere Priorität bekommen muss. Ich habe das in meiner Antrittsrede so gesagt: Die Kolleginnen und Kollegen im Parlament sind Seismographen für die Probleme der Menschen vor Ort. Es ist unsere Aufgabe, sich um diese zu kümmern und vor allem auch Lösungen zu präsentieren.“
Können Sie ein konkretes Beispiel für ein solches Problem vor Ort nennen?
Holetschek: „Viele Menschen fragen sich: Hat der Staat überhaupt noch Handlungskompetenz? Kann der Staat noch Probleme lösen? Ich habe im Wahlkampf oft erlebt, dass Menschen sagen: DIE Politik. Die Thematik war dann aber oft in Berlin verortet. Sei es das Gebäudeenergiegesetz bzw. das handwerklich schlecht gemachte Heizungsgesetz oder andere Beispiele wie nicht verfassungskonforme Schatten- und Nebenhaushalte, wo die Leute völlig zu Recht sagen: Da funktioniert nichts mehr. Ich sage klipp und klar: Wenn wir die Probleme der Menschen nicht lösen können, dann verlieren wir sie an radikale Kräfte, die überhaupt keine Konzepte und Lösungskompetenzen haben. Deswegen ist es immens wichtig, dass wir die Handlungsfähigkeit des Staates wieder stärken.“
Jetzt haben Sie vor allem Themen angesprochen, die die Bundespolitik betreffen. Was kann denn Bayern, was kann die CSU konkret bewirken?
Holetschek: „Wir haben in Bayern – das ist aus dem Wahlergebnis abzulesen – sicher nicht alles richtig gemacht. Aber vieles auch in turbulenten Zeiten gut, sonst hätten uns die Menschen nicht das Vertrauen gegeben. Wir haben verschiedene Bereiche, wo wir vieles bewegen können. Nehmen Sie die Innere Sicherheit, die Bildung oder auch Gesundheit und Pflege. Wir haben zum Beispiel ein Landespflegegeld eingeführt, für das der Freistaat allein in diesem Jahr rund 430 Millionen Euro investiert. Das ist einmalig in Deutschland! Wir haben ein Familiengeld. Wir machen die Meisterausbildung kostenlos.
Ich glaube, die Menschen sehen schon, dass im Freistaat vieles besser funktioniert als woanders. Wir müssen aber dranbleiben. Wenn ich das Thema Migration nehme, eines der zentralen Themen, das die Menschen bewegt, dann müssen wir hier Lösungen finden. Deshalb ist es auch wichtig, die Bezahlkarte möglichst schnell umzusetzen.“
Sie haben gesagt, Sie wollen neue Impulse mit der Fraktion setzen. Heißt das, es hat der Fraktion zuletzt etwas an Durchschlagskraft gefehlt?
Holetschek: „Das will ich gar nicht sagen. Wir waren ja in einer Krise. Das war extrem schwierig und hat die Gesellschaft gelähmt und in Teilen auch gespalten. Deswegen ist das keine Kritik in der Rückschau. Ich blicke nach vorne. Mein Anspruch ist, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen Impulse zu setzen. Wir haben uns in der CSU-Fraktion immer als Herzkammer verstanden!“
Im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen wurde viel über mögliche Konflikte zwischen der CSU und Freien Wählern spekuliert. Wie bewerten Sie das Machtgefüge in der neuen Regierung?
Holetschek: „Erstmal muss man festhalten, dass wir in nur vier Wochen die Koalitionsverhandlungen geführt und die Regierungsfähigkeit hergestellt haben. Das zeigt, dass viel gelungen ist. Ich glaube, dass es gut war, dass wir uns in der ersten Sitzung offen und deutlich die Meinung gesagt haben. Aber wir werden sicherlich auch in Zukunft Probleme erleben, denn wir sind zwei verschiedene Parteien mit eigenen Zielen und Ambitionen. Aber wir haben einen klaren Wählerauftrag – die bürgerliche Koalition.“
Neben den Freien Wählern ist auch die AfD nun stärker im Landtag vertreten. Was muss die Koalition unternehmen, um ein weiteres Erstarken der AfD zu verhindern?
Holetschek: „Wir müssen noch besser erklären, die Menschen mitnehmen und deutlich machen, dass WIR die Probleme der Menschen lösen können und keine radikalen Kräfte, die außer Hass und Spaltung nichts anzubieten haben. Die Wahrnehmung, dass die Politik nicht handlungsfähig ist, ist die größte Triebfeder für radikale Gruppen. Wir müssen gute Politik für die Menschen machen und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates stärken.
Was mich schon schockiert, ist, dass diese AfD eine radikale Partei geworden ist, eine Höcke-AfD. Ich nehme jetzt den Fall Halemba: Allein, dass sich die Fraktionsvorsitzende der AfD zu diesem Fall überhaupt nicht äußert und sich nicht distanziert, irritiert mich. Dazu kommt, dass man in der Debatte über die Geschäftsordnung des Landtags und über die Anwendung des Verfahrens von einem Ermächtigungsgesetz spricht. Das ist ein Jargon, der schlichtweg nicht akzeptabel und nicht tolerierbar ist. Wir müssen die AfD inhaltlich stellen, aber wir dürfen ihr auch nicht durchgehen lassen, wo sichtbar wird, welch Geistes Kind die meisten in dieser Fraktion sind. Wir stehen für eine wehrhafte Demokratie!“
Kommen wir zum Allgäu. Inwieweit können Sie als Fraktionsvorsitzender etwas für die Region bewegen?
Holetschek: „Der Fraktionsvorsitz hat eine starke Funktion, weil er in alle Themen eingebunden ist. Ich bin auch nicht allein, sondern wir sind ja mehrere Kollegen aus dem Allgäu. Ich glaube, da kann man viel bewegen. Ob das jetzt der Allgäu Airport ist, ob das Straßenbaumaßnahmen sind, ob das soziale Projekte sind, ob das wissenschaftliche Vorhaben sind – es ist insgesamt ein sehr breites Spektrum und da kann ich meinen Beitrag leisten.“
Mit Thomas Kreuzer, Angelika Schorer und Franz Josef Pschierer hat das Allgäu drei erfahrene und bestens vernetzte Politiker verloren. Ein Gesundheitsminister hat zudem ein ganz anderes Gewicht als ein Europaminister. Ist das Allgäu der große Verlierer der Landtagswahlen?
Holetschek: „Nein. Wir haben einen Generationswechsel und es ist wichtig, dass man sich erneuert. Die genannten Personen waren ja auch nicht vom ersten Tag an in der ersten Reihe. So wie ich die Allgäuer Kollegen einschätze, ist das eine tolle, hoch engagierte Mannschaft. Jeder bringt etwas Besonderes mit ein, jeder hat eine Erfahrung, die zählt. Mit Eric Beißwenger haben wir auch wieder einen Staatsminister und mit mir einen starken Fraktionsvorsitzenden. Insofern sind wir gut aufgestellt für unsere Region. Wir werden auch in Zukunft kraftvoll für das Allgäu in die Bresche gehen.“
Viele Städte im Allgäu, beispielsweise Füssen oder Bad Wörishofen, haben massive finanzielle Probleme. Wie kann der Freistaat hier unter die Arme greifen?
Holetschek: „Die Unterstützung der Staatsregierung für die Kommunen ist über die FAG-Mittel so hoch wie noch nie. Wir haben über zehn Milliarden Euro in diesem Topf. Wir müssen uns aber auch überlegen, welche Standards wir für die Zukunft setzen und uns die Frage stellen: Was können und wollen wir uns künftig noch leisten?“
Vielen Dank für das Gespräch.