Thüringen sucht Regierungsbündnis – Experte sieht mögliche Rolle für Ramelow

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CDU, SPD und BSW haben keine Mehrheit im Thüringer Landtag. Um nach der Wahl zu regieren, bräuchte es Stimmen aus der Linken. Oder die von Bodo Ramelow merkte ein Experte an.

Erfurt – Die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse nach der Thüringer Landtagswahl sind verfahren: Der rechtsextreme AfD-Landesverband von Björn Höcke hält ein Drittel der 88 Mandate. Alle anderen Parteien schlossen vor der Wahl eine Koalition mit der AfD aus. Am Montag beschloss die CDU Sondierungen mit BSW und SPD. Dem Dreierbündnis würde die Mehrheit fehlen, und deshalb wäre es wohl auf Stimmen aus der Linken, geführt vom noch amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow angewiesen.

Landtagswahl in Thüringen
Muss die Linke in Thüringen bei der Regierungsbildung helfen? © Michael Kappeler/dpa

Nach Wahl in Thüringen: Experte sieht rechnerisch nur ideologisch „absurde“ Koalitionen

Koalitionen und Zusammenarbeit mit der Linkspartei sind CDU-Parlamentsfraktionen jedoch per Unvereinbarkeitsbeschluss durch den Bundesparteitag verboten. Um das zu umgehen, könnte Ramelow eine besondere Rolle spielen, meint der Darmstädter Politologe Christian Stecker.

Grundsätzlich braucht eine neue Regierung erstmal eine Landtagsmehrheit, um ins Amt zu kommen. Danach reicht es, wenn es im Parlament lediglich keine Mehrheit gegen sie gibt. Das wäre der Fall, wenn Voigt eine Minderheitsregierung bilden würde und mit wechselnden Mehrheiten Politik mache, erklärte Stecker im Nachrichtenmagazin Focus. Grundsätzlich seien alle rechnerisch möglichen Mehrheitskoalitionen in Thüringen, bei denen die AfD außen vor bleibe, der ideologischen Unterschiede wegen „absurd“, sagte Stecker. Daher müssten die Parteispitzen über „neue Formate“ der Regierungszusammenarbeit nachdenken.

CDU, SPD und BSW fehlt nach Wahl in Thüringen eine Stimme zur Mehrheit – Retter Ramelow?

Und da einer Koalition aus CDU, SPD und BSW nur eine Stimme zur Mehrheit im Thüringer Landtag fehlt, hatte der Politikwissenschaftler auch einen Ratschlag parat: Ramelow soll es richten. Der ehemalige Gewerkschafter aus dem Westen hat keine Vergangenheit in der DDR-Staatspartei SED, deren Nachfolgepartei die Linke ist. Zudem gelte er eher als Sozialdemokrat, sagte Stecker. In diesem Szenario könnte Ramelow sein Direktmandat in den „Dienst der Demokratie“ stellen, meinte Stecker.

Hindernis für Koalition in Thüringen: CDU begründet Ablehnung der Linken mit SED-Erbe

CDU-Chef Voigt müsste in dieser Konstellation seinen Parteifreunden keine Zusammenarbeit mit der Linken, sondern nur mit einem, dann ehemaligen, Ministerpräsidenten erklären. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit der Linken ist in weiten Teilen mit dem SED-Erbe der Partei begründet. Die CDU warf der Linken in dem Papier von 2018 vor, sich „mehr schlecht, als recht“ von den Verbrechen der DDR distanziert zu haben. So war etwa Hans Modrow, letzter SED-Regierungschef der DDR, bis 2022 Vorsitzender des Ältestenrates der Partei.

Ramelow vor Thüringen-Wahl: „Jeden anderen“ Demokraten als Ministerpräsident unterstützen

Außerdem arbeiteten CDU und Linke bereits in der letzten Legislaturperiode zusammen, als Ramelow eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung führte. „Stabilitätspakt“ hießen die kurzfristigen Abkommen, in denen sich Regierungsfraktionen und Union versprachen, nur untereinander Mehrheiten für Gesetze zu finden, oder sich etwa bei Haushaltsbeschlüssen nicht gegenseitig zu blockieren.

Im Wahlkampf betonten die Spitzenkandidatinnen und Kandidaten aller demokratischen Parteien, dass sie keine Minderheitsregierung wünschten. Ramelow selbst sagte vor der Wahl zu fr.de von IPPEN.MEDIA, er würde, „jeden anderen einer demokratischen Partei unterstützen“, das Ministerpräsidentenamt auszufüllen.

Politikwissenschaftler schlägt unkonventionelles Modell für Regierung nach Thüringen-Wahl vor

Neben einem solchen Modell schlug Politologe Stecker noch weitere Modelle des Regierens vor: So etwa sogenannte „agree-to-disagree-Klauseln“, mit denen sich Parteien die Politikfelder aufteilen und in diesen quasi keine Rücksicht auf Kompromisse mit ihren Koalitionspartnern nehmen müssten. Hypothetisch müsste die Linke dafür die Migrationspolitik des Thüringer CDU-Generalsekretärs Christian Herrgott, der als Landrat Asylsuchende mit Arbeitspflichten belegt, mittragen und die Union müsste im Gegenzug etwas aus dem eher sozialdemokratischen Landtagswahlprogramm der Linken unterstützen. Eine solche Koalition bildete 2019 Österreichs konservativer Ex-Kanzler Sebastian Kurz mit den Grünen. In zentralen Fragen ist diese Regierung seit Jahren blockiert.

Nach Thüringen-Wahl: CDU sondiert mit SPD und BSW – Ramelow weist Wechsel-Gerüchte zurück

Der Thüringer CDU-Landesvorstand beschloss am Montag Sondierungsgespräche mit SPD und BSW zu führen, erklärte Herrgott, der die Gespräche gemeinsam mit Voigt führen wird, im MDR. Ramelow betonte unterdessen, er strebe kein weiteres Amt in der Fraktion der Linken mehr an, wenn seine Amtszeit als Regierungschef ende. Gegenüber dem Sender wies er Gerüchte, er würde in die Fraktion des BSW wechseln, zurück. (kb)

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