Wadephul in Nahost – „Wir sehen gerade den Zusammenbruch des Gazastreifens“

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Während Außenminister Wadephul in Israel ist, steigt die Not im Gazastreifen. Die Welthungerhilfe spricht von „einer der schlimmsten Krisenregionen weltweit“.

Der Gazastreifen ist einer der dichtbesiedelten Orte der Welt. Über zwei Millionen Menschen leben in dem kleinen Küstenstreifen. Die Situation der Zivilbevölkerung war noch nie so dramatisch wie derzeit. Unter dem andauernden Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas leiden vor allem Zivilistinnen und Zivilisten. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) war bereits in Israel, spricht außerdem mit Palästinenserpräsident Abbas. International wächst der Druck auf Israels Regierung, die die Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen oft blockiert. Die Welthungerhilfe und das Rote Kreuz machen im Gespräch mit dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA auf das Ausmaß des Leids aufmerksam.

Humanitäre Lage im Gazastreifen schlimmer als je zuvor

„Die Lage der Menschen im Gazastreifen ist katastrophal, wir sprechen hier gerade von einer der schlimmsten Krisenregionen weltweit“, sagt Simone Pott, Sprecherin der Welthungerhilfe im Gespräch mit dieser Redaktion. „Die Menschen sind auf engstem Raum zusammengepfercht, fast die gesamte Bevölkerung muss innerhalb des Gazastreifens wegen Evakuierungen oder Bombardierungen immer wieder fliehen“, so Pott. Die Welthungerhilfe ist gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen wie den Rotkreuz-Verbänden vor Ort und versucht, zivile Hilfe zu leisten.

Die Hilfsgüter, die noch in den Gazastreifen gelangen, sind umkämpft; denn sie reichen nicht für alle. Hilfsorganisationen warnen vor eine Katastrophe für zwei Millionen Menschen.
Die Hilfsgüter, die noch in den Gazastreifen gelangen, sind umkämpft – denn sie reichen nicht für alle. Hilfsorganisationen warnen vor eine Katastrophe für zwei Millionen Menschen. © IMAGO/Hassan Jedi

„Es gibt zu wenig Essen, zu wenig Wasser, zu wenig Treibstoff und zu wenig Medikamente – kurzum: zu wenig von Allem“, so Pott von der Welthungerhilfe. Obwohl der Krieg in Israel und dem Gazastreifen schon seit dem 7. Oktober 2023 tobt, als die Hamas in einem beispiellosen Terrorangriff auf Israel über 1200 Menschen tötete, eskalierte die humanitäre Notlage im Gazastreifen besonders in der jüngeren Vergangenheit. „Seit Monaten werden die Hilfslieferungen von der israelischen Regierung gestoppt. De facto gibt es ausreichend Hilfsgüter – allerdings nur außerhalb des Gazastreifens. Es werden keine Lieferungen hineingelassen“, heißt es von der Welthungerhilfe. „Selbst die humanitären Helfer sind am Rande des Verhungerns“, so Pott.

Außenminister Wadephul soll Israel in die Pflicht nehmen

Auch die deutsche Bundesregierung, die sich mit Kritik an der politischen Führung Israels meist zurückhält, sprach zuletzt offen die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen an. Kanzler Friedrich Merz forderte eine Luftbrücke für die Versorgung. Außenminister Wadephul soll auf seinem derzeitigen Nahost-Besuch bei der israelischen Führung noch einmal klarmachen, dass sich die Lage im Gazastreifen verbessern müssen, so Merz‘ Ankündigung.

Außenminister Johann Wadephul in Israel.
Außenminister Johann Wadephul in Israel. © Felix Zahn / dpa

Doch nach Verbesserung vor Ort sieht es derzeit noch nicht aus. Bis auf wenige Übergänge sind die Grenzen in den Gazastreifen blockiert. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) beklagt, dass dadurch nicht genügend Hilfsleistungen in die Region gelangen können. „Zudem muss Hilfe sicher und geschützt geleistet werden können; das gilt für die Bevölkerung und die Helfenden“, sagt Julia Meixner, stellvertretende Teamleiterin für die internationale Programmarbeit beim DRK gegenüber dieser Redaktion. „Alle“ Konfliktparteien sollten „dabei mit unparteilichen humanitären Organisationen kooperieren, die auch Erfahrung, die notwendigen Strukturen und Kompetenzen in der sicheren Verteilung von Hilfsgütern haben“, so Maixners Forderung.

Israels Premier Netanjahu: „Es gibt keinen Hunger in Gaza“

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu dagegen vermeldete jüngst, in Gaza gebe es keinen Hunger. Pott von der Welthungerhilfe schätzt die Lage gegenteilig ein. „Den israelischen Vorwurf, es gebe vor Ort genug zu essen und zu trinken, können wir überhaupt nicht bestätigen.”

Die Welthungerhilfe zeichnet ein düsteres Bild. „Das Leben der zwei Millionen Menschen im Gazastreifen ist wie ein Kartenhaus –von dem im Moment die untersten Karten weggenommen werden; wir sehen gerade den Zusammenbruch des Kartenhauses – und des Gazastreifens.”

Forderung eines beiseitigen Waffenstillstands

Die Hilfsorganisation fordert deshalb umgehen „einen tragfähigen Waffenstillstand, um dann endlich alle Grenzübergänge für Hilfsorganisationen zu öffnen“, so Pott. „Es muss wieder eine geordnete Verteilung von Hilfsgütern auf Grundlage der humanitären Prinzipien möglich sein. Und die Geiseln müssen auch sofort freigelassen werden.”

Die Sprecherin der Welthungerhilfe will trotz der katastrophalen Lage die Hoffnung nicht aufgeben. „Wir glauben weiterhin daran, dass Besserung der humanitären Lage möglich ist. Mit den komplizierten politischen Fragen vor Ort hat das erst einmal nichts zu tun. Wir von der Welthungerhilfe betonen aber, dass ein Waffenstillstand und die Öffnung von Grenzübergängen für Lebensmittellieferungen möglich sein muss.“

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