Rund 270 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft diskutierten auf der Highlight-Veranstaltung der Wirtschaftsjunioren Memmingen-Unterallgäu über den Faktor Freiheit im Unternehmertum.
Memmingen – Mit einem kraftvollen Abend voller Denkanstöße, Begegnungen und Inspiration haben die Wirtschaftsjunioren Memmingen-Unterallgäu im Kaminwerk ihre diesjährige Highlight-Veranstaltung gefeiert. Das Thema des Abends lautete „Freiheit: Der Faktor im Unternehmertum!?“
Nach der Begrüßung durch Andreas Hoffmann, Sprecher der Wirtschaftsjunioren, und Maxi Weiß, die den Abend moderierte, stellten sich Andrea Thoma-Böck, Oberbürgermeister Jan Rothenbacher und Landrat Alex Eder im Interview den Fragen der Moderatorin.
Mit Blick auf das Thema des Abends sagte Andrea Thoma-Böck: „Freiheit ist die Grundlage des Unternehmertums. Aber sie ist kein Selbstläufer. Sie entsteht, wenn wir Verantwortung übernehmen – für unsere Mitarbeitenden, für unsere Region, für unsere Zukunft.“ Sie forderte grundlegende Veränderungen und eine Reduzierung des Staates, um die Wirtschaft zu stärken.
Oberbürgermeister Rothenbacher zog den Bezug zum Titel „Stadt der Freiheitsrechte“ als Rahmen für einen offenen Dialog und zur freien Auseinandersetzung.
Landrat Eder ergänzte: „Unsere Region steht für Innovation und Bodenständigkeit. Es sind viele Bausteine, die den Landkreis in den letzten Monaten weiterentwickelt haben. […] Die Wirtschaft ist der Motor, der unser Land am Laufen hält und soll jede mögliche Unterstützung durch die Politik erfahren.“
WJ-Sprecher Andreas Hoffmann schlug den Bogen vom regionalen Miteinander zur unternehmerischen Verantwortung. Er erläuterte das diesjährige Motto „ZAM: Mehr. Werte.schaffen.“ ZAM stehe für Zusammenhalt, Austausch und Mut, um gemeinsam ökonomische und menschliche Werte zu schaffen.
Hauptredner Prof. Dr. Heiko Kleve von der Universität Witten/Herdecke begann mit seiner persönlichen Geschichte, der das Publikum gespannt lauschte. Er erzählte von seiner Kindheit in einer mecklenburgischen Handwerker- und Unternehmerfamilie. „Meine Großväter waren starke Männer“, erzählte er. „Sie prägten mich mit ihrer Haltung, dass Arbeit, Können und Verantwortung zusammengehören.“ Die friedliche Revolution in der DDR nannte Kleve einen ersten Wendepunkt seines Lebens. Sie lehrte ihn, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist, sondern errungen und verteidigt werden müsse. Dies bildete den Auftakt zu seinem Vortrag, der Freiheit als individuelles Ideal, gesellschaftliche Bedingung und unternehmerische Herausforderung beleuchtete.
Anschließend erklärte Kleve, dass unternehmerisches Handeln auf bestimmten gesellschaftlichen Voraussetzungen beruht. „Unternehmertum braucht Freiheit – und es schafft Freiheit, wenn es verantwortungsvoll gelebt wird.“
Er stellte fünf gesellschaftliche Freiheitsdimensionen als Fundament einer lebendigen Wirtschaft vor:
- Willensfreiheit – die Fähigkeit, selbstbestimmt zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Ohne sie gäbe es keine Innovation und Verantwortung.
- Individuelle Freiheit – das Recht, die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Sie ist die Basis kreativer Prozesse und die Quelle unternehmerischer Energie.
- Positive Freiheit – die Freiheit „zu“ etwas: die Möglichkeit, Ziele zu verfolgen, Potenziale zu entfalten und Chancen zu gestalten.
- Negative Freiheit – die Freiheit von Zwängen, Verboten und Überregulierung. Freiheit bedeutet nicht Chaos, sondern klug gesetzte Grenzen, die Handlungsspielräume sichern.
- Systemische Freiheit – die Freiheit, die aus dem Zusammenspiel vieler Akteure entsteht. Kein Unternehmen ist für sich allein frei, sondern existiert in Systemen wie Netzwerken und Märkten, die Rahmen und Resonanzraum sind.
Kleve erklärte: „Diese fünf Freiheitsformen bilden das Spannungsfeld, in dem Unternehmerinnen und Unternehmer agieren. Wer unternehmerisch denkt, muss lernen, diese Dimensionen auszubalancieren – zwischen Selbstbestimmung und Verantwortung, individueller Initiative und kollektiver Bindung.“
Einen weiteren Schwerpunkt legte Kleve auf die Fähigkeit zur Abgrenzung, besonders bei Nachfolgeprozessen in Familienunternehmen. Freiheit bedeute auch, „Nein“ sagen zu können. Das bedeute auch, familiäres und Unternehmerisches zu trennen. Senior- und Juniorgeneration müssten ihre Rollen klar trennen und sich auf Augenhöhe begegnen. Der Übernehmende brauche die Freiheit, das Unternehmen neu zu denken, der Übergebende die Freiheit, loszulassen. Dieser Input stieß auf großes Interesse des Publikums – nicht zuletzt, da es in der Region eine große Anzahl an Familienbetrieben gibt.
Freiheit ist nie fertig. Sie ist eine tägliche Übung.
Zum Abschluss seiner Keynote präsentierte Kleve das WIFU-Forschungsprojekt „Narratives of Survival“, das fünf unternehmerische Freiheitsnarrative identifiziert: Purpose – dem eigenen Sinn folgen; Strategie – den Kurs selbst bestimmen; Entscheidung – unabhängig wählen, auch gegen Widerstände; Ziel – eigene Maßstäbe für Erfolg setzen; sowie Cleverness und Chancen – mit Kreativität und Mut unerwartete Wege gehen.
Beim anschließenden Get-together wurde im Sinne des Mottos intensiv diskutiert und genetzwerkt. Die Veranstaltung war ein Plädoyer für ein Unternehmertum, das Freiheit als Verantwortung versteht. Prof. Dr. Heiko Kleve zeigte eindrucksvoll, dass Freiheit dort beginnt, wo Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und über sich hinauszuwachsen.
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