Analysten sehen Tausende Jobs in Gefahr - Das Jahr 2025 entscheidet die Zukunft unserer Autoindustrie
„Der Markt passt sehr gut zu uns”, sagt BMW-CEO Oliver Zipse bei der Präsentation der jüngsten Unternehmenszahlen. „Wir scheinen die richtigen Produkte zu haben, bei Verbrennern und bei Elektroautos. In den USA sind wir für die Zukunft fast perfekt aufgestellt.”
Zipse verdeutlicht eine Sichtweise auf die deutsche Autoindustrie, die die meisten Menschen derzeit selten hören: eine positive. Die Manager bei Mercedes sagen ähnliches wie er und, mit Abstrichen, sogar jene bei Volkswagen. Die Chefs vermeintlicher Krisenunternehmen verbreiten Optimismus.
2025 entscheidet sich, ob sie recht behalten. Oder jene, die viel kritischer denken.
VW, BMW und Mercedes: Analysten sehen Hunderttausende Jobs in Gefahr
Im Grunde habe VW „keine Chance“, sagte Fondsmanager Bert Flossbach jüngst der Börsenzeitung. „Der Zug ist abgefahren“, sagte Daniel Hartmann vom Fondsverwalters Bantleon der Neuen Züricher Zeitung über die gesamten Branche.
Flossbach und Hartmann verdeutlichen die Sichtweise der deutschen Autohersteller, die die meisten Menschen derzeit häufiger hören: Die kritische. Diese klingt etwa so: Die Verkaufsschwäche in China verdeutlichte den Anfang vom Ende der deutschen Autoindustrie. Im weltgrößten Automarkt, wo die deutschen Autobauer lange ein Drittel bis die Hälfte ihres Umsatzes einfuhren, gewinnen einheimische Marken immer mehr Kunden. Bis 2030 stammen fast drei Viertel aller Wägen von chinesischen Herstellern. Die deutschen Hersteller fristeten dann nur noch ein Randdasein.
Ursache des Schlamassels sei die Selbstgefälligkeit von VW, BMW und Mercedes. Während der Corona-Pandemie hätten sie die immensen Fortschritte der Autobauer im abgeriegelten China übersehen. Als sie diese nach dem Ende der strengen Corona-Politik doch erkannten, hatten die Chinesen einen riesigen Vorsprung.
Nun sei der Rückstand uneinholbar. China stelle Autos deutlich günstiger her und exportiere bereits doppelt so viele Fahrzeuge wie Deutschland. Bis ins Jahr 2030 könnte jedes dritte Auto weltweit chinesisch sein. In Deutschland verliere der Fahrzeugbau hingegen 30 bis 40 Prozent seiner Wertschöpfung. Bis zu 400.000 Jobs seien in Gefahr.
Die Unterschiede zwischen den Prognosen dieser Analysten und der Autobauer wirken, als müsse einer von beiden an Realitätsverlust leiden. Doch sie sind erklärbar.
Die Autobauer sehen die Schuld eher beim Umfeld
Als die Chefs von BMW, Mercedes und VW im Herbst ihre jüngsten Geschäftszahlen vorstellten, sprachen sie zwar von Herausforderungen. Die Mercedes-Führung nannte den Gewinneinbruch ihres Unternehmens „offensichtlich inakzeptabel“. BMW klagt über Kosten durch Rückrufe am Bremssystem, die besonders gewinnstarke Premium-Fahrzeuge trafen. Die Vorstände blickten dennoch optimistisch nach vorn.
Einerseits sehen die Autobauer die Schuld an der derzeitigen Situation vor allem beim Umfeld. Schwächelnde Wirtschaft, Inflation, Unsicherheit durch Kriege. Einige Menschen schieben den Autokauf auf, andere kaufen kleinere Modelle. Beides dämpft die Gewinne.
Viele Probleme lösen sich demnach von allein, sobald die Weltwirtschaft wieder anspringt. Langfristig erwartet BMW etwa einen freien Cash-Flow von mehr als sieben Milliarden Euro jährlich. Das wäre ein Rekord. Sogar mehr als im günstigen Marktumfeld nach der Corona-Pandemie.
BMW erwartet also, trotz Schwierigkeiten bald so profitabel zu wirtschaften wie nie zuvor. Auch bei Mercedes und Volkswagen sprechen Manager von langfristig soliden Gewinnen.
Die Autobauer meinen, sie haben alles im Griff
Wieso die Autobauer so viel positiver nach vorn blicken als die Analysten, erklären zwei Punkte: die Forschung und neue Modelle. In der Vorhersage der Analysten verlieren VW, BMW und Mercedes durch rückständige Autos auf absehbare Zeit Marktanteile. Dem widersprechen die Manager in München, Stuttgart und Wolfsburg.
VW investiert derzeit Unmengen in Forschung und Entwicklung: gemäß dem jüngsten Geschäftsbericht mehr als 18 Milliarden Euro innerhalb eines Jahres. Das sind rund sechs Milliarden mehr als im Jahr 2020. Diese Ausgaben drücken den Gewinn.
Die Wolfsburger zeigen sich aber optimistisch, den technischen Rückstand, den Kunden dem ID.3 noch deutlich anmerkten, durch die Investitionen aufgeholt zu haben:
- Der neue, elektrifizierte Audi A6, bietet dank 800-Volt-Technik schnelle Ladenzeiten. Weitere Modelle auf Basis des verbesserten Elektrobaukastens folgen.
- Der von der Fachpresse gelobt VW ID.7 ist nun auch als Kombi am Markt.
- Der Skoda Elroq könnte sich zum Volksstromer entwickeln, urteilen Experten.
Der VW-Vorstand betont, die richtigen Modelle für die Zukunft auf den Markt zu bringen. Er glaubt, Marktanteile zurückzugewinnen und den Umsatz zu steigern. Er glaubt an die Trendwende, statt an den fortgesetzten Abschwung.
Hoffnung auf sinkende Forschungsausgaben
Hinzu kommt, dass die Forschungskosten ab dem kommenden Jahr sinken sollen. 2024 habe VW den Höhepunkt der Ausgaben erreicht, sagte Finanzchef Arno Antlitz bei der Vorstellung des jüngsten Zwischenberichts. Allein dadurch könnte der Konzern, zusätzlich zum jüngsten Sparprogramm, Milliarden einsparen und den Gewinn deutlich steigern.
VW ist kein Einzelfall. Mercedes hofft auf den elektrischen CLA: niedriger Verbrauch, große Reichweite, schnelles Laden. BMW setzt auf seine Neue Klasse. Bessere Batterien, bessere Software, bessere Modelle. Auch die Münchner und Wolfsburger sagen, sie hätten, was der Markt braucht. Auch sie widersprechen dem Urteil, verlorene Marktanteile seien unwiederbringlich weg.