Reich mit „Carbon Removal“? - Emissionen werden teurer - doch dahinter steckt auch eine Milliarden-Chance
CO2 direkt aus der Luft ziehen?
Neben diesen natürlichen Methoden gibt es auch andere Varianten. Direct Air Capture zielt darauf ab, CO2 direkt aus der Umgebungsluft zu entziehen und zu speichern. Das Verfahren ähnelt denen, die manche Fabriken heute schon einsetzen, um Emissionen abzufangen, bevor sie in die Atmosphäre entweichen. Noch ist das aber sehr teuer: Eine Tonne CO2 aus der Luft zu entziehen kostet derzeit je nach Region zwischen 100 und 1000 US-Dollar. Zudem ist es sehr energieintensiv. Beim aktuellen weltweiten Strommix sind die Anlagen bisher kaum ein Gewinn für die Atmosphäre. In den kommenden Jahren dürfte sich das aber stetig verbessern – auch, weil sich die weltweiten Forschungsgelder in dem Bereich seit 2019 verzehnfacht haben.
Ein natürlicher Prozess, bei dem CO2 gebunden wird, ist Verwitterung. Dabei werden bestimmte Minerale, die sich zum Beispiel häufig in Gebirgen finden, Regen ausgesetzt. Das Wasser und CO2 aus der Luft reagieren auf diesen Mineralien zu Kohlensäure, die wiederum mit dem Mineral selbst reagiert. Das Endprodukt wird durch Regen, Bäche und Flüssen schließlich ins Meer gespült, wo die Carbonate auf den Meeresboden sinken und somit der Atmosphäre dauerhaft entzogen sind. Die Aufschichtung des Himalayas vor 50 Millionen Jahren soll durch solche Prozesse die Entstehung einer Eiszeit beschleunigt haben.
Heute verläuft die Verwitterung viel langsamer, sie ließe sich aber künstlich beschleunigen. Da Gesteine schneller verwittern, je größer ihre Oberfläche ist, gibt es Ideen, kleingemahlene Gesteine wie Basalt auf landwirtschaftlichen Flächen zu verteilen. Die Carbonate würden hierbei im Boden verbleiben. Das Schweizer Forschungsministerium hatte 2019 bereits ausgerechnet, dass sich im Alpenstaat allein damit 5 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen aus der Luft abziehen ließen.
Eine letzte große Möglichkeit zur CO2-Entnahme sind die Ozeane. Das hier enthaltene Wasser kann ebenfalls viel CO2 aufnehmen, sei es über Algen, Seegräser, Plankton oder oben erwähnten Verwitterungsreaktionen. Allerdings ist dies ein sensibles Thema, da jede Methode hier auch Einflüsse auf die oft feinfühligen Ökosysteme des Meeres, besonders in Küstenregionen hätte. Richtig eingesetzt, könnten Techniken hier aber auch Fischbestände retten.
Was bringt das alles überhaupt?
Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen hält Carbon-Removal-Techniken für absolut notwendig, um das im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen – oder jede andere Form der Erderwärmung zu stoppen. Die Forscher halten biologische Methoden, allen voran BiRCS, für die besten, um diese Ziele zu erreichen – auch weil die geschätzten Kosten mit 50 bis 200 Dollar pro Tonne CO2 hier derzeit am geringsten sind. „Wenn Regierungen Gesetze formulieren, um Null-Emissionen zu erreichen, werden sie zumindest einige CDR-Techniken einbauen müssen“, schreibt das IPCC auf seiner Übersichtsseite zu dem Thema.
Während Techniken, um CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, immer günstiger werden, wird die Emission von CO2 und anderen Treibhausgasen über Zertifikate immer teurer werden. Das eröffnet Unternehmen, die CO2 entziehen, Geschäftsmöglichkeiten. Und das nicht zu knapp: Die Boston Consulting Group schätzt in einer aktuellen Studie, aus der das Handelsblatt zitiert, dass das Geschäft mit negativen Emissionen bis 2050 pro Jahr so stark wachsen werde wie die Solar- und Windkraftindustrie. Von 2 Milliarden Euro Umsatz im kommenden Jahr soll es auf 469 Milliarden Euro im Jahr 2050 nach oben gehen. Möglich wäre aber auch doppelt so viel, womit sich mit negativen Emission dann so viel Geld umsetzen ließe wie heute mit der globalen Luftfahrt. Den größten Anteil daran sollen Biomasse-Lösungen haben, knapp vor Direct Air Capture und der Aufforstung. Die anderen genannten Methoden folgen mit Abstand, bewegen sich aber auch in Umsatzbereichen von mehreren Milliarden Euro pro Jahr.
Welche Chancen haben deutsche Unternehmen dabei?
In Deutschland treffen Unternehmen aus dem Bereich CDR auf eine Politik, die ihnen wohlgesonnen ist. Auch unabhängig von der aktuellen Ampel-Koalition hat sich Deutschland verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu sein. Da dies ohne CO2-Speicherung nicht geht, muss also auch in diesen Bereich investiert werden. Das unterstützt auch die EU, die ähnliche Ziele mit ihrem Green Deal verfolgt.
Unternehmen haben die Möglichkeiten bereits erkannt. Vergangenes Jahr schlossen sie sich im Deutschen Verband für negative Emissionen (DVNE) zusammen, der auch die oben zitierte BCG-Studie in Auftrag gegeben hatte. Darin sind viele Startups organisiert, aber auch Energieriesen wie Siemens Energy und E.ON. Damit sich das Geschäft aber richtig lohnt, setzt sich der Verband dafür ein, dass CDR mit dem Emissionshandel verknüpft wird. Die Idee ist, dass ein Unternehmen, welches der Atmosphäre CO2 entzieht, dafür Zertifikate in bestimmtem Umfang erhält, die es dann an Emittenten weiterverkaufen könnte – mit Gewinn.