Am 11. Oktober sammelt die Kolpingsfamilie Wolfratshausen zum letzten Mal Kleidung – das nachhaltige Second-Hand-Angebot bringt nichts mehr ein.
Die Kleiderschränke in Bayern werden immer voller, die Müllberge auf dem Globus wachsen, und eine Fernseh-Doku über Fast-Fashion und die Wegwerfmentalität bei Textilien jagt die nächste. Man könnte den Eindruck haben, dass es eine ziemlich perfekte Zeit ist für Angebote wie die Kleidersammlung der Kolpingsfamilie Wolfratshausen. Die Aktion am 11. Oktober wird aber bis auf Weiteres die letzte Benefizsammlung der Gruppe sein. „Es lohnt sich einfach nicht mehr“, sagt Vize Marinus Vogl. In den vergangenen Jahren hat er beobachtet, dass sich die Rahmenbedingungen für die Kleidersammlungen verändert haben. Die jahrzehntealte Tradition steht vor dem Aus.
Waldram überlegt
Irene Gies weiß, dass nicht mehr viel hängen bleibt bei den Sammlungen. Sie organisiert die Aktion im Ortsteil Waldram für die dortige Kolpingsfamilie. „Wir wissen, dass diese Sammlung für viele Menschen noch wichtig ist und viele Waldramer wirklich darauf warten.“ Ob und wie es weitergeht? „Wir haben das noch nicht entschieden.“ Die Abwägung sei schwer. Dass die Wolfratshauser Kolperer Tatsachen geschaffen haben, mache das Geschäft mit den alten Kleidern nicht unbedingt wirtschaftlicher. Die Waldramer kennen die Trends im Second-Hand-Bereich – und richten sich darauf ein: Am Tag vor der Sammlung in Wolfratshausen, am 10. Oktober, bietet die Kolpingsfamilie im Pfarrheim an der Steinstraße einen Kleidertauschmarkt an.
Über viele Jahre säckeweise Kleidung gesammelt
Säckeweise trugen die Ehrenamtlichen über viele Jahre Kleider, Hemden, Hosen und Jacken in der Loisachstadt zusammen. Nur in Waldram sammelt eine andere Kolpingsfamilie (siehe Kasten). Zum ordentlichen Kilopreis gaben die Sammler die Säcke weiter – und spendeten das Geld für soziale Zwecke in der Gegend – regional, nachhaltig und ehrenamtlich. Themengebiet Mode: Viel mehr Zeitgeist in einem Projekt geht fast nicht.
Eigentlich. Denn die Sammlungen bringen kaum mehr Geld ein. Vogl: „Der Marktpreis von Altkleidern ist massiv gesunken. Inzwischen ist es billiger, Neuware aus China in die armen Regionen der Welt zu liefern, als getragene Kleidung zu sammeln, zu sortieren und zu spenden.“ Der Nachhaltigkeitsgedanke sei zwar in Deutschland ausgeprägt, aber in den Ländern, in denen die Textilien weiterverkauft werden sollen, stehe der nicht sonderlich weit oben. „In Afrika kaufen die Menschen das, was am günstigsten angeboten wird. Da schaut keiner vorher, ob das aus schlechten Produktionsbedingungen stammt oder in Deutschland schon getragen wurde.“
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Apps und Angebote zum Kleidertausch oder Weiterverkaufen haben Hochkonjunktur. Flohmärkte werden zum Lieblingstreffpunkt vieler junger Leute. Das merken die Kolperer auch: „Es gibt immer weniger Sammelkleider, weil die Menschen ihre Klamotten lieber selber verkaufen wollen“ – oder im Freundeskreis Kleidung weitergeben. Grundsätzlich sei das ja eine gute Entwicklung, weil Konsumenten Müll einsparen wollen. Das Ergebnis für Kolping ist aber ernüchternd. „Wir haben viel weniger Material zu einem viel geringeren Preis“, sagt Organisator Vogl. Im Jahr 2008 hatten die Kolperer noch mehr als 9,3 Tonnen Kleidung gesammelt. Es gab pro Tonne 230 Euro für den guten Zweck. Im vergangenen Jahr brachte die Aktion pro Tonne nur noch 70 Euro ein – und am Straßenrand lag nur etwas mehr als ein Drittel der bisherigen Menge. Der logische Schluss: „Wir setzen die Leute künftig lieber bei Aktionen ein, wo es etwas bringt.“
Hoffnung auf die letzte große Aktion
Bei der letzten Kleidersammlung der Kolpingsfamilie hofft Vogl nochmals auf volle Säcke im Lastwagen: „Wir setzen darauf, dass die Menschen ihren Kleiderschrank für den guten Zweck ausmisten wollen.“ Gesammelt wird am Samstag, 11. Oktober, am Vormittag im ganzen Stadtgebiet. Danach stehen in Wolfratshausen zumindest die Altkleider-Container für Spenden bereit. Die werden bleiben. Und das alleine ist besonders: „Die meisten anderen Anbieter haben die Sammelstellen längst abgebaut.“ Die rechnen sich offenbar genauso wenig.