Was geschah auf der Pamir?

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Auf der Suche nach der Wahrheit: Prof. Kai Lucks hat den Untergang der Pamir 1957 akribisch erforscht und ein Buch daraus gemacht. © Andrea Jaksch

Der Gautinger Prof. Kai Lucks hat eine der größten Schiffskatastrophen der vergangenen Jahrzehnte erforscht. Er hat zum Untergang der Pamir 1957 einen persönlichen Bezug: Sein Vater war Direktor der Reederei.

Gauting - Der Untergang der Pamir am 21. August 1957 war die größte deutsche Schiffskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Hurrikan „Carrie“, der sich im Atlantik direkt auf den Viermast-Großfrachtsegler zubewegte, kamen damals 80 der 86 an Bord befindlichen Seeleute zu Tode. Für den promovierten Brückenbau-Ingenieur Kai Lucks, der die technischen Daten der Schiffskatastrophe für sein aktuelles Buch „Der Untergang der Pamir“ recherchiert hat, war 1957 „das Fanal einer Zeitenwende“.

Schon 1905 ging der für die Reederei F. Laesiz gebaute große Viermast-Frachtsegler in Hamburg vom Stapel. Die Pamir war nicht nur wegen ihrer Zuverlässigkeit, sondern auch wegen ihrer Geschwindigkeit berühmt. Gut fünf Jahrzehnte nach dem Stapellauf geriet das Schiff, das auch als Schulsegelschiff eingesetzt war, etwa 600 Seemeilen (also etwa 1100 Kilometer) westsüdwestlich der Azoren in einen Hurrikan. Der Viermast-Großfrachtsegler, der über keinen Hilfsmotor verfügte, sank. In der Folge lief mit 78 Schiffen die umfangreichste Suchaktion an, die es bis dahin zur Rettung von Schiffbrüchigen gegeben hatte. Der Erfolg war begrenzt: Nur sechs der 86 Mannschaftsmitglieder überlebten, alle Offziere sowie der Käpitän waren tot.

Obwohl von der Schiffsleitung niemand überlebte und damit keiner direkt für seemännisches Verschulden belangt werden konnte, wurde der Untergang so eingehend untersucht wie nur wenige andere Seeunfälle.  Dennoch ist die Unglücksursache bis heute umstritten: „Horst Willner, Anwalt des Eigners, der Reederei Zerssen und ab dem Berufungsverfahren auch der Witwe des Kapitäns Diebitsch, durften in der Verhandlung vor dem Seeamt Lübeck nur auf gestellte Fragen antworten“, erinnert Kai Lucks an die Historie. Das Seeamt entschied schließlich „auf eine falsche Stauung der Gersteladung und die verspätete Reduzierung der Segelfläche im Sturm“.

Der Gautinger hat zu dem Drama, das damals die Welt beschäftigte, einen sehr persönlichen Bezug: Sein Vater Egbert Lucks fungierte als Direktor der Reederei Zerssen und war damit indirekt für die Pamir mitverantwortlich. Aus diesem Grund habe er sich auch persönlich um den überlebenden Kochmaat Karl-Otto Dummer gekümmert und ihn angestellt. „Dummer hat uns bei Familienfesten bekocht, zum Beispiel bei meiner Konfirmation“, erinnert sich der 76-jährige Gautinger.

2006 wurde die Schiffskatastrophe verfilmt, mit Herbert Knaup, Jan Josef Liefers und Klaus J. Behrendt in den Hauptrollen. „Danach geisterte das fehlerhafte Urteil des Lübeckers Seeamts durch die Medien“, erinnert sich der Autor. Er wollte es genau wissen und begab sich selbst auf Recherche. Ihm ging es darum, die bisherigen Darstellungen von Legenden zu bereinigen und eine neue, rein faktenbasierte Darstellung der Katastrophe vorzulegen. Das Jahr 1957 bezeichnet für den Gautinger die große Zeitenwende in der Handels-Schifffahrt. Nach dem Untergang der Pamir wurde auch der letzte große deutsche Frachtsegler, die Passat, ausgemustert.  Die Ära der großen Segelschulschiffe unter Fracht endete.

Knapp 70 Jahre danach sei es an der Zeit, die technischen Fakten der untergegangenen Pamir neu auszuwerten, findet Lucks. Nach seiner Ansicht könne man heutzutage von damaligen Handelsseglern viel lernen. „Sie haben eine gewaltige Transport- und Logistikleistung erbracht und das unter minimaler Belastung der Meeresökologie“ sagt er. Schließlich sei die See „der größte Organismus unseres Blauen Planeten“.  

Die Gedanken des Autors schweifen noch weiter in die Zukunft. „Es zeichnet sich ab, dass Schiffe und Meeressäuger miteinander sprechen können und sich über ihre Wünsche austauschen können“, sagt er. Was nach Science-Fiction klingt, ist für ihn durchaus denkbar. „Die Basis-Technik dazu gibt es schon, die Künstliche Intelligenz.“ Das Buch von Kai Lucks „Der Untergang der Pamir – Fanal einer Zeitenwende“ ist im Multimedia Industrieverlag, umfasst 214 Seiten und kostet 26 Euro. Es ist in der Buchhandlung Kirchheim erhältlich.

Christine Cless-Wesle

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