Integrationsbegleiter Maher Janoudi hilft Neuankömmlingen im Landkreis Landsberg am Lech

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Maher Janoudi © privat

Landsberg – Fremdes Land, fremde Sprache, fremde Bürokratie: Wer als Geflüchteter kommt, braucht Unterstützung – nicht nur finanziell, auch ‚sozial‘. Am besten von jemandem, der die eigene und die ‚neue‘ Sprache spricht: zum Beispiel von Maher Janoudi. Der 42-Jährige steht als ehrenamtlicher Integrationsbegleiter Neuankömmlingen zur Seite. Er selbst ist 2012 aus Syrien geflohen – und kennt die Hürden der Integration.

„Ich vermisse meine Heimat Syrien sehr“, sagt Janoudi. In der Stadt Latakia hatte der Arabischlehrer Arbeit, seine Familie um sich, das erste Kind kommt im Juni 2012 – und zwei Monate später die Einberufung zur Armee. „Ich helfe keinem Diktator“, sagt Janoudi – und flieht. Erst in die Türkei, wo er an einer syrischen Schule arbeitet. Sein Gehalt deckt aber gerade mal die Miete. Und seine Familie braucht Hilfe: „Wir schicken alle Geld an unsere Familien. Nicht, um ihnen zur Flucht zu helfen. Sondern damit sie überleben.

Weil Janoudi in der Türkei keine Perspektive hat, beschließt er, sein Glück in Deutschland zu suchen. Im Nylonboot geht es auf die Insel Leros, per Fähre nach Athen, mit dem Zug nach Thessaloniki. Und ab da geht es zu Fuß – mit der Hilfe von Schleusern, „eine Mafia“, sagt Janoudi. Über Serbien und Ungarn gelangt der Syrer nach München, von dort aus nach Obermühlhausen, wo er im Juli 2014 mit neun Geflüchteten in einer Wohnung Unterkunft findet.

„Deutsch habe ich alleine gelernt“, erzählt Janoudi. „Jeden Tag 70 Wörter.“ Denn bis sein Asylantrag bewilligt wird, heißt es warten. Auch seine Familie kann er erst Ende Oktober 2015 nachholen. Schon von Anfang an hilft er aber anderen Geflüchteten, geht mit ihnen zum Arzttermin, arbeitet mit ihnen die Anträge im „Papierland Deutschland“, wie er es nennt, durch. BRK und Landratsamt setzen ihn als Dolmetscher ein. Seit Oktober 2015 gibt er Arabischkurse an der vhs Landsberg. Aber einen Vollzeit-Job als Lehrer findet er nicht. Deshalb schult er um: zum Industrieelektriker. Der Betrieb, in dem er sein Praktikum macht, bietet ihm einen Job an, den er gleich am ersten Tag nach seiner Prüfung antritt. Aber nach einem Jahr hat Janoudi einen Arbeitsunfall, der zu einem Bandscheibenvorfall führt – was seine bisherige Arbeit unmöglich macht. Seitdem hat sich Janoudi bei zahlreichen Stellen beworben – erfolglos. Aber dennoch hilft er ehrenamtlich: als Integrationsbegleiter. „Ich habe ja auch Zeit zu helfen, anders als jemand, der einen Vollzeitjob hat.“

Auf den ‚Job‘ bringt ihn Integrationslotsin am Landratsamt Stefanie von Valta, die er bei einem Fest kennenlernt. Ausgebildet werden laut Innenministerium Personen, die „die Widerstände und Chancen, in einem neuen Land heimisch zu werden, aus eigenem Erleben“ kennen. Menschen, die „zu wichtigen Übersetzern und Brückenbauern“ werden. So wie Janoudi, der die Probleme im neuen Land nur zu gut kennt: das ewige Warten. Die fremde Sprache. „Dass man immer Zeugnisse braucht.“ Und dass die, die man hat, oft nicht anerkannt werden.

„Die Ausbildung zum Integrationsbegleiter findet einmal im Jahr an zwei Wochenenden statt“, sagt von Valta. Ausbildungsinhalte seien „die Geschichte Deutschlands als Aufnahmeland nach den Weltkriegen, Push- und Pull-Faktoren und Kommunikationsunterricht, Dialektik, sowie den Umgang mit Vorurteilen.“ Anschließend helfen Integrationsbegleiter im 1-zu-1-Format, Orientierung zu geben: bei Behörden- oder Arztterminen, als Begleitung bei der Wohnungssuche, aber auch als Sprachlehrer. Sie sollen die Neuangekommenen mit Vereinen bekanntmachen, ihnen beim Bildungssystem helfen, als „begleitende Mentoren“ neu angestellten Geflüchteten zur Seite stehen. Aber auch eigene Ideen sind willkommen. Ein gutes Konzept, findet Janoudi. Dennoch bleibt Unlösbares: „Wie sollen die Menschen in Penzing einen Sprachkurs machen, wenn es keinen Bus nach Landsberg gibt?“ Auch das Einkaufen sei oft schwierig.

Janoudi lebt jetzt in Landsberg. Bewirbt sich auf Stellen, um vom Bürgergeld wegzukommen und seine jetzt fünfköpfige Familie ernähren zu können. Und er hilft, wo er kann. Weil seine Religion das sagt. Weil er weiß, wie es ist, fremd zu sein. Und weil er es will: „Denn wo ich gehe, muss ich Blumen pflanzen.“

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