Koalitionsbruch nach Renten-Knall? Union spielt wohl Szenarien für Minderheitsregierung durch

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Wie raus aus dem Renten-Streit? Merz versucht, die Lage in den Griff zu kriegen: Doch in der Union steht wohl auch ein Raus aus der Regierung im Raum.

Berlin – Der Streit über das Renten-Paket der Regierung schwelt weiter über dem politischen Berlin. Ein Streit, dessen Tragweite wohl über die Frage nach dem Rentenniveau nach 2031 hinaus geht. Schon jetzt kursieren Berichte: In der Union spricht man hinter vorgehaltener Hand über das Aus der schwarz-roten Regierung unter Kanzler Merz.

Koalitionsbruch nach Renten-Knall? Union spielt Szenarien für Minderheitsregierung durch.
Koalitionsbruch nach Renten-Knall? Union spielt Szenarien für Minderheitsregierung durch. (Symbolbild) © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

So berichtete bereits die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Sonntag: „Von rechts bis links und von unten bis oben“ würde über „das Undenkbare nachgedacht, oft überraschend konkret“. In den Reihen von CDU/CSU glaube jedoch niemand an Neuwahlen und auch ein Kanzler Merz stehe nicht zur Debatte: Vielmehr male man sich eine Minderheitsregierung aus. In der vergangenen Woche sollen solche Szenarien innerhalb der Union schon einmal durchgespielt worden sein.

Renten-Streit spitzt sich zu: Union spielt wohl Szenarien für Minderheitsregierung unter Merz durch

Die Bild-Zeitung berichtete jetzt, dass immer mehr Unionsabgeordnete mit einem vorzeitigen Scheitern der Regierung rechnen würden. „Mir fehlt die Fantasie, wie das bis 2029 gut gehen soll“, zitiert die Zeitung einen CDU-Politiker. Ein Szenario aus den Reihen von CDU und CSU sei dabei: In der kommenden Woche den Haushalt verabschieden und dann den Druck auf den Koalitionspartner erhöhen – auch in einem „ranghohen Zirkel“ sei dieses Szenario diskutiert worden. Und: auch hier stehe eine Minderheitsregierung im Raum – mit Merz an der Spitze. Wechselnde Mehrheiten im Bundestag wären dann wohl der Plan.

Doch wie sollen solche Mehrheiten aussehen? Dass Union und SPD – sollte die Bundesregierung vorzeitig scheitern – weiter zusammenarbeiten, erscheint unwahrscheinlich. Nicht zuletzt, weil man sich in vielen Bereichen ohnehin nicht einig ist. Ähnlich verhält es sich hier mit Grünen und Linken. Und dann bleibt auch nur noch eine übrig: die AfD. Hier jedoch haben sich auch CDU und CSU sowohl in ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss als auch in zahlreichen mündlichen Versprechen entschlossen: Mit der in Teilen gesichert rechtsextremistischen Partei soll es keine Zusammenarbeit geben.

CDU und CSU schließen AfD-Zusammenarbeit aus – aber was bedeutet Zusammenarbeit für Merz?

Wie schon Anfang des Jahres würde sich dann jedoch die Frage stellen: Was ist für Merz und die Union eine Zusammenarbeit? Braucht es eine Absprache oder reicht das gemeinsame Ergebnis aus? Merz hatte sich hierzu schon einmal geäußert. Rund um die umstrittene Abstimmung über einen Entschließungsantrag zur Migrationspolitik sagte der CDU-Chef im Januar: „Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen.“

Damals bekam der Antrag der Union eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD im Bundestag. Der CDU-Chef wies den Vorwurf einer Zusammenarbeit jedoch stets von sich: Alle anderen hätten ja schließlich auch zustimmen können.

Der Streit um die Rente – darum geht es:

Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, bis 2031 die Haltelinie für das Rentenniveau – also das Absicherungsniveau im Verhältnis zu den Löhnen – bei 48 Prozent zu verlängern. In dem vom Kabinett beschlossenen Rentengesetzentwurf ist vorgesehen, dass auch nach 2031 das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht liegen soll. Die Junge Union moniert, dass das nicht im Koalitionsvertrag vereinbart ist und 118 Milliarden Euro zusätzlich kosten würde. Ihre Bundestagsabgeordneten drohen deswegen, dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Im Renten-Streit: Grüne warnen vor CDU-Gedankenspielen – und appellieren an Merz und Spahn

Vor den Gedankenspielen in Teilen der Union warnen auch die Grünen. Andreas Audretsch, stellvertretender Bundestagsfraktionsvorsitzender, erklärte am Montagmorgen (17. November) gegenüber ntv: Merz und Spahn gleite die Lage aus den Händen. Spahn habe die Stimmung in der Fraktion falsch eingeschätzt und Merz habe lange Unterstützung für die Junge Gruppe suggeriert und sich dann gegen sie gestellt. Das habe nun Auswirkungen: „Die Bundesregierung ist kaum noch zusammenzuhalten von Friedrich Merz.“

Dass man innerhalb der Union nun Pläne schmiede, „wie man aus der Bundesregierung rausgehen könnte – eine Minderheitsregierung, mit der AfD zusammenarbeiten könnte: Das ist brandgefährlich“. Damit stelle man den Grundkonsens infrage, nicht mit Rechtsextremen zusammenzuarbeiten: „An dem Punkt sind wir, das ist hochgefährlich.“ In Richtung der Unionsspitzen forderte Audretsch daher: „Jens Spahn und Friedrich Merz wären gut beraten, das endlich in den Griff zu kriegen.“

Merz versucht im Renten-Streit zu schlichten: Ein Angebot an die Junge Gruppe

Und das scheint der Bundeskanzler dieser Tage zu versuchen: Auf seinen Auftritt beim Deutschlandtag der Jungen Union folgte ein Spontan-Auftritt in der ARD. Dabei kündigte Merz an, dass noch in diesem Jahr eine Rentenkommission eingesetzt, würde: „Die wird auch so besetzt werden, dass diejenigen, die das jetzt alles kritisch sehen, mit dabei sind.“ Die Kommission solle noch vor der Sommerpause 2026 ihre Arbeit abschließen. Unmittelbar danach werde das Gesetzgebungsverfahren beginnen.

Man könne diese Schrittfolgen auch in einem „Begleittext“, etwa einem Entschließungsantrag, zum aktuellen Gesetzesentwurf klarstellen. Damit versucht Merz, den unionsinternen Kritikern des aktuellen Rentenpakets entgegenzukommen. Ob die Vorschläge bei den Abgeordneten der Jungen Gruppe, aber auch bei den Sozialdemokraten auf Zustimmung treffen, ist jedoch mindestens fraglich. Beim Deutschlandtag jedenfalls blieb der Parteinachwuchs hart: Der Auftritt des Kanzlers stieß auf wenig Zustimmung. Und kompromissbereit hatte sich auch die SPD im Renten-Streit bislang nicht gezeigt: Man habe sich schließlich geeinigt.

Wie raus aus dem Renten-Streit: Verschieben oder Vertrauensfrage?

Ein weiterer Vorschlag kommt ebenfalls aus den Reihen der Union: Eine Verschiebung der Rentenreform. „Die Situation bei der Rente ist maximal verfahren. Statt weiter Züge aufeinander rasen zu lassen, sollte man besser ein Gesamtpaket im nächsten Jahr anstreben“, sagte der Vorsitzende des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, am Wochenende gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Allerdings hängt nicht nur die SPD an einem Teil des Pakets: Mütterrente und Aktivrente sind Kernprojekte der Union. Sowohl die Sozialdemokraten, als auch Teile CDU und CSU dürften daher grundsätzlich wenig Interesse daran haben, das Paket noch einmal aufzuschnüren.

Ein weiteres Szenario, über das ebenso in Teilen der Union, aber auch der SPD gesprochen werden soll, ist die Vertrauensfrage. Damit könne der Kanzler seine Kritiker im Streit um das Renten-Paket auf Linie zwingen, beschrieben die stern-Politikchefs Veit Medick und Jan Rosenkranz das Szenario im Podacast „5-Minuten-Talk“. Der Kanzler verknüpfe so das Thema Rente mit sich und seinem Amt. Für Merz jedoch ein heikles Unterfangen: Eine Mehrheit wäre dem Kanzler wohl nicht sicher. (Quellen: FAZ, Stern, Bild, dpa, AFP) (pav)