Beitrags-Beben jetzt auch in der Pflegeversicherung: „Ampel schaut tatenlos zu“

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Immer mehr Pflegebedürftige strapazieren das System Pflegeversicherung. 2025 sollen die Beiträge steigen. Der Grund sind „klamme“ Kassen.

Berlin – Zwischen Versicherungen und Sozialabgaben kommen einige Kostensteigerungen auf Deutsche zu. Viele Krankenkassen wollen zum Jahreswechsel ihre Beiträge erhöhen, die Beiträge in der privaten Krankenversicherung steigen, auch für die Rente müssen Beitragszahler mehr Geld einplanen. Auch die Pflege, die derzeit kriselt, steht vor einem Kostensprung. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte bereits eine Reform angekündigt.

Beiträge zur Pflegeversicherung steigen – „Kurz vor dem Kollaps und die Ampel schaut zu“

Jetzt trifft es die Beiträge zur Pflegeversicherung. Wie die Bild berichtete, drohen die Beiträge im neuen Jahr von aktuell 3,4 Prozent auf 3,7 Prozent zu steigen. Als Grund gab sie „klamme“ Pflegekassen an. Die gesetzliche Pflegeversicherung warte nach wie vor auf finanzielle Mittel, die sie während der Coronavirus-Pandemie hatte auslegen müssen – unter anderem für Boni, ausgezahlt an Pflegekräfte, oder für Corona-Tests. Von so 13 Milliarden Euro ausgelegter Gelder fehlten noch sechs Milliarden.

Karl Lauterbach in Berlin.
Karl Lauterbach in Berlin (Symbolfoto). Immer mehr Pflegebedürftige strapazieren das System Pflegeversicherung. 2025 sollen die Beiträge steigen. Der Grund sind „klamme“ Kassen. Im Sommer hatte Lauterbach eine Reform der Pflegebeiträge angekündigt. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Allerdings stehe zu befürchten, dass die Regierung dieses Geld nicht zurückzahlt. Der CDU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger hatte dazu eine offizielle Anfrage gestellt – das Gesundheitsministerium hab die „angespannte“ Lage des Bundeshaushalts als Erklärung dafür genutzt, um auf weitere Zahlungen zu verzichten. Zumindest vorerst. „Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Obwohl der Bund rechtlich dazu verpflichtet ist, den Pflegekassen die noch offenen sechs Milliarden Euro aus Zeiten der Corona-Krise zurückzuzahlen, verweigert sich die Bundesregierung“, kritisierte Pilsinger gegenüber der Bild. „Die Pflegeversicherung steht kurz vor dem Kollaps und die Ampel schaut tatenlos zu.“

Seiner Meinung nach ist die Regierung bereits kollabiert. Die Pflegeversicherung müsse nun vor demselben Schicksal bewahrt werden.

Demografie-Problem in der Pflegeversicherung – „Kein Spielraum für zusätzliche Leistungen“

Die Pflegeversicherung hat dabei dasselbe Problem wie die Rentenkassen. Die Zahl der Pflegebedürftigen soll „stark zunehmen“, während die der erwerbsfähigen Beitragszahler abnimmt. So brachte es der PKV-Verband auf den Punkt. Laut dem Verband gerät die Soziale Pflegeversicherung in eine Schieflage. Mehr noch: Anfang Oktober warnte er vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, die offenbar auch die Bundesregierung bei der Pflegeversicherung befürchtet hatte.

„Die aktuelle, dramatische Entwicklung der sozialen Pflegeversicherung lässt keinerlei Spielraum für zusätzliche Leistungen“, sagte der PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther dazu. „Obergrenzen für die Eigenanteile oder gar eine Pflegevollversicherung sind Sozialpolitik mit der Gießkanne – weder zielführend noch bezahlbar.“ Vor allem die jüngeren Generationen würden die Kosten tragen. Es könne nur eine Lösung geben: Die Pflegefinanzierung brauche einen Neustart.

Ausgaben in der Pflegeversicherung steigen massiv – Einnahmen hinken hinterher

Das zeigen auch die Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums. Ein Blick auf die finanzielle Entwicklung der sozialen Pflegeversicherung zeigt, dass sie tendenziell immer mehr Geld braucht, aber die Beitragseinnahmen nicht mehr zuverlässig mit den Leistungsausgaben hinterherkommen.

Beitragseinnahmen soziale Pflegeversicherung Leistungsausgaben
1995 8,31 Milliarden Euro 4,42 Milliarden Euro
2000 16,31 Milliarden Euro 15,86 Milliarden Euro
2005 17,38 Milliarden Euro 16,98 Milliarden Euro
2010 21,46 Milliarden Euro 20,43 Milliarden Euro
2015 30,61 Milliarden Euro 26,64 Milliarden Euro
2020 47,98 Milliarden Euro 45,60 Milliarden Euro
2023 58,53 Milliarden Euro 56,91 Milliarden Euro

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit

Eine völlig neue Entwicklung ist das nicht: Schon in den Zweitausendern kam es hin und wieder vor, dass die Pflegeversicherung mehr Geld ausgeben musste als sie eingenommen hatte. So übertrafen die Ausgaben insgesamt aus dem Jahr 2000 (16,87 Milliarden Euro) die gesamten Einnahmen (16,54 Milliarden Euro). Neben den Beitragseinnahmen und -ausgaben kamen auch noch „sonstige“ Einnahmen dazu, während die Versicherung auch noch Ausgaben in der Verwaltung hatte, oder Zuführungen zum Pflegevorsorgefonds leisten musste.

Die deutsche Pflege steht derzeit unter hohem Druck. Die Wartelisten wachsen, gleichzeitig steigen die Kosten für Pflegekräfte, während die Pflegeplätze rar werden. Ein großer Anteil der Pflegebedürftigen bekommt die Pflege zu Hause. Wegen des Fachkräftemangels können Pflegeheime kein erweitertes Platzangebot darstellen.

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