Von bösen Geistern und Kletzenbrot-Scherzln: Erzählungen über altes Brauchtum
Es gibt einige alte Rituale und Bräuche, einige sind in Vergessenheit geraten, andere leben weiter. Bei der „Raunachtmusi“ erzählte Kreisheimatpfleger Martin Englert davon.
Wackersberg – „Auch die Raunächte sind nicht mehr das, was sie mal waren“, sagt Martin Englert. Der früherer Kreisheimatpfleger weiß viel über die Zeit zwischen den Jahren und das Brauchtum aus früherer Zeit. Davon erzählte er bei der gut besuchten „Raunachtmusi“, zu der der Verein „Zither und Kontra“ in den Wackersberger „Altwirt“ eingeladen hatte.
Viele Rituale, um die wilden Dämonen auszutreiben
Mit der Einführung des Gregorianischen Kalenders Ende des 16. Jahrhunderts waren ein Dutzend Tage zum Jahresende „übrig“. Die wilden Dämonen sollen sich der dunklen Nächte angenommen haben, so der Volksglaube. Um die wilden Gesellen auszutreiben, gab es viele Rituale: Das bäuerliche Volk räucherte alle Räume und Ställe in Haus und Hof aus und versprengte Weihwasser. Es durfte keine Wäsche auf der Leine aufgehängt werden, „denn sonst kriechen die unheiligen Geister hinein“, so Englert. Das sogenannte Ausräuchern zum Dreikönigsfest habe vielerorts Bestand. „Der Weihrauch hat ja auch eine medizinische Wirkung, weil er die Luft desinfiziert.“ Das Verbot des Wäschewaschens sei dagegen weitgehend in Vergessenheit geraten, stellte Englert fest.
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Der Ellbacher Brauchtums-Experte erinnerte an alte Zusammenhänge mit der Thomas-Nacht, an Auftritte der schrecklichen Perchten und an das süße Kletzenbrot. Das Backwerk mit den getrockneten Früchten galt vielerorts als Fruchtbarkeitssymbol. „Ledige Burschen haben heiratsfähigen Mädchen am Stefanitag ihre Aufwartung gemacht“, wusste Martin Englert zu berichten. Wenn ein Mädchen ihrem Liebsten das „Scherzl“ (den Anschnitt) schenkte, dann konnte sich der Bursche gute Hoffnung auf ein baldiges Ja-Wort machen.
„Schön, dass bairische Zithermusik zur Geltung kommt“
Bereits zum dritten Mal fand die Raunachtmusi statt, sagte Schriftführer Michael Reiter, der stellvertretend für den Vorsitzenden Josef Müller („Kranzler“) den Besuchern und den vielen Musikanten für ihr Kommen dankte. Die Gruppen und Solisten ließen sich nicht lange bitten und spielten in der historischen Wirtsstube fleißig auf. Mit dabei waren: der erst zwölfjährige Harfenspieler Thomas Wiltschko, die Krickerl-Musi aus dem Tegernseer Tal, die Imker-Musi aus Lenggries, das Schaurer-Ensemble aus Gaißach und Umgebung, die Ammerseer, die Melkstatt-Musi aus Bad Tölz, das Duo Hausl Brandhofer/Roman Mairock und die aus Slowenien stammende Zither-Hochschullehrerin Tajda Krajnc, die zusammen mit Tommi Keller als Zither-Virtuosen auftraten.
„Schön, dass an der Münchner Hochschule auch die bairische Zithermusik zur Geltung kommt“, freute sich die Tölzer Harfenistin und Musiklehrerin Rita Reiter. Auch so erfahre die traditionelle Volksmusik den gebührenden Stellenwert. (ao)