Sexualberaterin über Geheimnisse in Beziehungen - Muss ich in einer Partnerschaft sagen, wenn ich mich selbst befriedige?

  • Kommentare
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Getty Images/Morsa Images Geheimnisse in einer Partnerschaft können wie unsichtbare Mauern wirken, die langsam aber sicher jede Nähe ersticken.
Sonntag, 29.09.2024, 16:00

Dürfen Liebende Geheimnisse voreinander haben? Oder gilt in einer Beziehung das Prinzip „alles auf den Tisch“? Vor allem, wenn es um intime Themen wie zum Beispiel Selbstbefriedigung geht. Paar- und Sexualberaterin Regina Heckert berichtet wahre Begebenheiten aus der Praxis.

„Seit zwei Jahren läuft es einfach nicht mehr“, erzählt Inge seufzend in der Frauengruppe. „Mein Mann lässt keine Nähe mehr zu.“ Die anderen Frauen nicken mitfühlend – Beziehungsprobleme, die viele kennen. Doch dann stelle ich Inge eine einfache, aber unbequeme Frage: „Gibt es etwas, das du vor deinem Mann geheim hältst?“

Für einen Moment ist es still. Inge wirkt überrascht, fast ertappt. Ihre Augen wandern, als würde sie nach einer Antwort suchen. Dann kommt es ans Licht: „Seit zwei Jahren habe ich einen Liebhaber.“ Ein Raunen geht durch die Gruppe. Inge hatte ihr Geheimnis sorgfältig gehütet, aber jetzt, wo es ausgesprochen ist, wird plötzlich klar: Die Probleme in ihrer Beziehung begannen genau zu dem Zeitpunkt, als das Versteckspiel begann. Könnte da ein Zusammenhang bestehen?

Das Verschweigen des Liebhabers erschafft ein Gefühl der Distanz zu ihrem Mann. Ich empfehle ihr, die Verantwortung dafür zu übernehmen, anstatt sie ihrem Partner zuzuschieben. Ob Inge sich entschließt, ihrem Mann die Wahrheit zu sagen, bleibt offen. 

Geheimnisse in einer Partnerschaft können wie unsichtbare Mauern wirken, die langsam aber sicher jede Nähe ersticken. Natürlich ist nicht jedes Geheimnis ein Beziehungskiller, aber wenn es um so tiefgehende Dinge wie einen Seitensprung geht, dann kann das Schweigen die Kluft zwischen den Partnern immer weiter vertiefen.

Über Regina Heckert

Über Regina Heckert
Regina Heckert

Regina Heckert ist Leiterin von BeFree Tantra, der größten Tantraschule Deutschlands, Sexualberaterin, Buchautorin und Expertin für die Lust der Frau. Seit mehr als 35 Jahren trägt sie bundesweit durch Seminare, Vorträge und Online-Kurse dazu bei, die wirkliche weibliche Lust zu verbreiten. Sie konnte schon Zehntausenden Frauen und Männern zu sexuellem Glück verhelfen. Mehr unter www.befree-tantra.de.

Welche Arten von Geheimnissen gibt es in einer Beziehung?

In Beziehungen gibt es viele Arten von Geheimnissen: Berufliches, Finanzen, Süchte, Nachbarschaft, Freundeskreis und Familie – oft wird geschwiegen, angeblich, um den Partner nicht zu belasten.

„Nur die wirklich wichtigen Dinge sollte man offenlegen“, meinte ein Mann zu mir, der seine aktuelle Affäre als unwichtige Nebensache abtat. 

Als Tantralehrerin stoße ich vor allem auf Geheimnisse rund um das Thema Sex. Ob diese unwichtige Nebensachen sind, bleibt fraglich – denn Schweigen kann in Liebesbeziehungen oft mehr kaputt machen, als man denkt.

1. Fantasien beim Sex

„Ich habe all meinen Mut zusammengenommen und meinem Partner gestanden, dass ich mir beim Sex mit ihm oft andere Männer vorstelle“, erzählt Pauline. Ihr Herz raste, doch die Reaktion war überraschend: Ihr Mann lachte erleichtert und gestand, dass er das Gleiche tut. „Seitdem erzählen wir einander unsere Fantasien. Das hat uns noch näher zusammengebracht.“

Für viele bleiben ihre sexuellen Fantasien ein gut gehütetes Geheimnis – aus Scham oder aus Angst vor Ablehnung, besonders bei ausgefallenen Vorlieben. Doch wie Pauline zeigt: Ehrlichkeit kann die Intimität und das Vertrauen stärken und manchmal sogar das Liebesleben aufpeppen.

Mehr vom EXPERTS Circle

Die Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit sorgt für Wirbel. Storytelling-Profi Veit Etzold beleuchtet die Hintergründe und was die Übernahme für die Zukunft bedeuten könnten.

Chris Oeuvray, Spezialistin für Narzissmus, nennt 10 Warnsignale, die Sie nicht übersehen sollten, um einen Narzissten oder eine Narzisstin zu entlarven.

2. Heimliche Selbstbefriedigung

Selbstbefriedigung nach dem Sex: „Unser Sex ist meistens viel zu schnell vorbei“, erzählt Irene. „Mein Mann schläft, und in mir brodelt noch die ungestillte Lust. Dann schleiche ich mich manchmal heimlich raus und befriedige mich selbst. Er weiß nichts davon.“

Irene vermeidet die Auseinandersetzung um erfüllenden Sex mit ihrem Mann und findet die Lösung in der Selbstbefriedigung. Wirklich glücklich ist sie aus zwei Gründen nicht: Erstens, dass sie sich selbst befriedigen muss, und zweitens, dass sie es heimlich macht und ihren Partner im Ungewissen lässt.

Selbstbefriedigung statt Sex: „Mir ist die Sexualität mit meiner Frau oft zu anstrengend. Bis die mal in Fahrt oder zum Orgasmus kommt. Nach einem langen Arbeitstag fehlt mir da einfach die Einsatzfreude. Also verzichte ich auf Sex und mache es mir lieber selbst. Dann erspare ich mir auch ihren Frust, wenn es mit ihrem Orgasmus nicht klappt. Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht, schließlich machen das viele Männer.“ (Jan)

Selbstbefriedigung per Mausklick: „Ab und zu brauche ich einfach Fotos von nackten Mädels“, gibt Ernst zu. Unter dem Vorwand, abends noch zu arbeiten, surft er heimlich im Netz und lebt seine Sexualität online aus. Seine Partnerin? Hat keine Ahnung. „Sie würde sicher verletzt sein, wenn sie wüsste, dass mich diese perfekten Modelkörper anmachen“, sagt er. Für Ernst ist es ein privates Ventil, doch das heimliche Vergnügen könnte die Beziehung auf lange Sicht belasten.

Früher heimlich, jetzt offen: „Mein Freund hat mir gestanden, dass er sich in meiner Abwesenheit mit Playboy-Models befriedigt“, erzählt Marina. Neugierig wollte sie bei einem solchen Ritual dabei sein. Nach anfänglichem Zögern gewährte er ihr Einblick in sein bis dahin streng gehütetes Geheimnis. „Ich fragte ihn, warum er welche Mädels auswählt und was ihn daran anmacht. Es war spannend und brachte uns sogar näher.“ Zwar hatte Marina zunächst Mühe, sich nicht mit den perfekten Körpern zu vergleichen, doch als er nach dem Samenerguss das Heft einfach wegwarf, wurde ihr klar: Für ihn sind die Models kein Mensch, sondern nur Fantasie. Heute bringt sie ihm manchmal einen neuen Playboy mit und sie integrieren ihn in ihr gemeinsames Liebesspiel.

Buchempfehlung (Anzeige)

"Frauen im Kommen. Der weibliche Weg zu sexuellem Glück." von Regina Heckert

3. Die Orgasmus-Lüge

In der Sexualität wimmelt es leider förmlich vor Geheimnissen und unausgesprochenen Bedürfnissen. Lustlosigkeit und das Kummerthema Orgasmus führen auch in der heutigen Zeit noch dazu, dass im Bett vieles vorgetäuscht wird, um Konflikten aus dem Weg zu gehen.

Doch nicht nur Frauen greifen zu mancher Sex-Performance. Auch Männer sind in der Lage, Orgasmen vorzutäuschen. Die Orgasmus-Lüge ist ein Symptom für ein weit größeres Problem: Kommunikation und Ehrlichkeit bleiben in der Intimität oft auf der Strecke – mit weitreichenden Folgen für beide Partner.

4. Sexuelle Orientierung

Ein lange gehütetes Geheimnis über die sexuelle Orientierung kann eine Beziehung erschüttern. So erlebte es Pia nach zwanzig Jahren Ehe: „Adrian hat sich kürzlich geoutet. Eigentlich hätte ich es merken müssen – er liebte es, mit mir Kleider zu kaufen und sie selbst anzuprobieren. Doch ich war blind. Jetzt will er offiziell als Frau leben und sich operieren lassen.“

Um der Auseinandersetzung und der gesellschaftlichen Abwertung zu entgehen, hat Adrian Jahrzehnte lang ein Doppelleben geführt. Viele Wochenenden war er als Frau – und nicht, wie behauptet, beruflich – unterwegs. Pia gibt zu:

„Ich bin fast erleichtert, dass ich es so lange nicht wusste. Mein Leben war dadurch einfacher.“ Doch jetzt steht die Beziehung vor einer großen Herausforderung, die alles verändert.

5. Affären: Das wohl häufigste Geheimnis in Beziehungen

Das wohl am weitesten verbreitete Geheimnis in Beziehungen ist die heimliche Affäre. Ina erlebte es auf schmerzhafte Weise: „Bei unserer Trennung riet mir mein Mann, zukünftig meinen Träumen zu trauen. In jeder Nacht, in der er Sex mit einer anderen Frau hatte, hatte ich es geträumt – sogar wer es war. Wenn ich ihn darauf ansprach, log er mich jedes Mal an.“

Obwohl Ina immer wieder spürte, dass etwas nicht stimmte, ahnte sie nicht das Ausmaß: „Wir hatten unglaublich viel Sex, da dachte ich nicht an andere Frauen.“ 

Affäre mit dem Schwiegervater: „Wie sollte ich meinem Partner bloß sagen, dass ich eine Affäre mit seinem Vater hatte?“, erzählt Miriam. Nach Wochen des Schweigens fasste sie sich eines Abends ein Herz und gestand: Sie ging seit drei Monaten fremd – mit seinem Vater. Doch statt Wut folgte unerwartet Lachen. Ihr Partner hielt es für einen Scherz, bis allmählich der Ernst der Situation durchsickerte. Danach wurde es noch komplizierter: Er verlangte, dass sein Vater nichts vom Geständnis erfährt. Die gemeinsamen Abende am Familientisch wurden zum Albtraum, als der Vater Anspielungen machte, die plötzlich auch der Sohn verstand. „Diese schreckliche Zeit möchte ich nie wieder erleben“, sagt Miriam.

Sollte man seinem Partner alles erzählen?

Viele Menschen verschließen sich emotional, sobald Geheimnisse im Raum stehen. Statt sich mit dem Partner auseinanderzusetzen, wird ausgewichen, Abstand gehalten, und plötzlich steht man sich in der Beziehung wie Fremde gegenüber. Die Lösung? Offenheit – auch wenn sie weh tut. Denn nur durch ehrliche Gespräche kann man die Nähe wiederfinden, die verloren ging.

Doch währt Ehrlichkeit wirklich am längsten? Sind alle Geheimnisse dazu da, gelüftet zu werden? Es gibt Paare, die bewusst entscheiden, einander ihre Sex-Abenteuer nicht zu beichten und damit gut klarkommen – doch das ist eher selten. Heimlichkeiten und Verschweigen sind sicherlich keine vertrauensfördernden Maßnahmen, denn wie im Fall von Ina spürt der andere oft, dass etwas nicht stimmt.

Als Paar- und Sexualberaterin plädiere ich generell für den Mut zur Wahrheit. Ja, sie kann erschüttern, aber sie schafft langfristig Klarheit und Vertrauen. Geheimnisse und Lügen machen das Leben meist komplizierter und belasten die Liebe. Dennoch soll Ehrlichkeit um jeden Preis nicht zum Dogma erhoben werden. 

Ausnahmen bestätigen die Regel

Elisabeth, 82, war die älteste Teilnehmerin eines Tantraseminars. Doch sie war nicht wegen der Übungen dort – sie wollte ihr schlechtes Gewissen loswerden. Seit Jahren war sie mit ihrem Nachbarn liiert, nachdem beide ihre Partner verloren hatten.

Sie teilten ein liebevolles Leben, doch was er nicht wusste: Einmal im Monat fuhr Elisabeth nach München, um mit ihrem Tantrafreund erfüllten Sex zu genießen. „Muss ich ihm das sagen?“, fragte sie mich besorgt. Zu meiner eigenen Überraschung antwortete ich: „In dem Alter nicht mehr!“ Warum? Ihr konservativer Nachbar, auch schon 84 Jahre alt, hätte diese Offenbarung wohl nicht verkraftet. Angesichts des baldigen Lebensendes kann ihm dieses Leid erspart werden.

Die Sammlung der Sex-Geheimnisse ist nur eine kleine Auswahl und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Jede Geschichte ist wahr. Die Namen wurden geändert.

Content stammt von einem Experten des FOCUS online EXPERTS Circles. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.