Vorfall im Zug der Deutschen Bahn erregt Ärger: „Ich könnte heulen vor Wut“
Eine Mutter muss mit ihren drei Kindern stundenlang in einem überfüllten ICE stehen. Bei ihrer Bitte an einen DB-Schaffner um Hilfe bekommt sie ein „ungutes Gefühl“.
„Deutsche Bahn, ich könnte heulen vor Wut!“, lässt die Juristin Giti Khansay ihren Ärger über die Deutsche Bahn am 11. Mai auf LinkedIn heraus. Die 31-Jährige ist Mutter von drei Kindern im Alter von sieben, fünf und drei Jahren und fährt seit zwei Jahren regelmäßig einmal im Monat mit dem ICE zwischen München und Köln. Bisher seien diese Fahrten meist problemlos verlaufen. Sie schätze die Bahn für ihre Praktikabilität. Weil sie immer Flex-Tickets buche, verzichte sie auf Reservierungen, da diese kurzfristig oft nicht möglich seien.
„Bei unserer letzten Reise erlebte ich zum ersten Mal eine Situation, die mich so schockierte, dass ich sie öffentlich machen musste“, sagt Khansay BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Natürlich gehörten Verspätungen oder volle Züge zum Bahn-Alltag. Aber was sie am Sonntag, dem 11. Mai, im ICE 1123 von Köln Messe/Deutz nach München erlebt hab, sei ein „klarer Systemfehler – kein Einzelfall, sondern ein Versagen der DB“ gegenüber Familien mit Kindern.
Vorfall im Zug der Deutschen Bahn – „der schlimmste Moment“
Der Zug, den Khansay mit ihren drei Kindern nehmen wollte, hatte Verspätung, weswegen sie spontan einen anderen Zug nehmen mussten. Er sei komplett voll gewesen, selbst im Familienbereich war kein Platz mehr für sie und ihre Kinder, weil dort kinderlose Fahrgäste auf nicht-reservierten Sitzplätzen gesessen hätten. Aus diesem Grund mussten sie stundenlang im Gang sitzen und stehen. Ihre Tochter habe geweint, weil sie nicht mehr gekonnt habe.
Als sie einen DB-Schaffner höflich gebeten habe, ihr und ihren Kindern zu helfen, habe er sich geweigert. „Das sind keine verbindlichen Plätze. Es darf sich jeder dorthin setzen“, habe er gesagt und ihr sogar „mit Nachdruck untersagt, andere Fahrgäste selbst anzusprechen“, erzählt Khansay BuzzFeed News Deutschland. „In einem Tonfall, der weit über eine normale Dienstansprache hinausging.“
„Der schlimmste Moment: Als meine Tochter vor Erschöpfung weinte, unterstellte er mir, ich würde sie ‚gegen ihn hetzen‘“. Diese Aussage sei „verletzend“ gewesen, sagt die Juristin. Dass ein anderer Herr sofort einen Platz bekam, gepaart mit der „demütigenden Szene“ vor ihrem Kind, löst bei ihr „das ungute Gefühl aus, in dieser Situation nicht fair behandelt worden zu sein – und dass mein Migrationshintergrund dabei eine Rolle spielte.“ Dem DB-Mitarbeiter sei es nicht mehr darum gegangen, Regeln durchzusetzen, sondern „darum, mir meinen Platz zu zeigen.“

Deutsche Bahn reagiert auf Vorfall in ICE
Wir konfrontieren die Deutsche Bahn mit dem Vorfall und fragen, welche Regeln für den Familienbereich gelten. Eine Sprecherin erklärt uns, dass Sitzplätze im Familienbereich keine Vorrangplätze seien, wie etwa die für mobilitätseingeschränkte Personen. Das Abteil solle Familien die Möglichkeit bieten, unter sich zu sein, schließe aber keine kinderlosen Fahrgäste aus. Nur im Kleinkindbereich seien ausschließlich entsprechende Familien erlaubt. Aber auch hier empfehle sich eine Reservierung.
Sich vor der Reise mit Kindern die Auslastungsanzeige anzuschauen und gegebenenfalls eine Reservierung vorzunehmen, sei auch noch kurz vor Abfahrt des Zuges möglich, sagt die DB-Sprecherin BuzzFeed News Deutschland. Das Zugpersonal sei nicht dazu angehalten, Fahrgästen ins Gewissen zu reden, wenn eine Mutter mit drei Kindern keinen Platz habe und sie zum Aufstehen zu zwingen. Doch normalerweise sei es gerne behilflich, wenn es zu Konflikten komme. „Wir nehmen die Schilderungen der Mutter ernst und werden diese zum Anlass für ein Gespräch mit dem Mitarbeiter nehmen.“

„Service oder Schein“: Welchen „Wert“ haben Familien bei der Deutschen Bahn?
In den Kommentaren unter Giti Khansays LinkedIn-Post entbrennt eine Diskussion darüber, ob die dreifache Mutter selbst schuld war und „einfach reservieren“ hätte sollen oder ob Eltern, vor allem für ein Flex-Ticket, einen Platz im extra als Familienabteil gekennzeichneten Bereich erwarten können. Einigkeit herrscht darüber, dass in Deutschland Nachholbedarf beim Thema Kinderfreundlichkeit besteht. Genau um diesen „Wert von Familien“ bei der DB gehe es ihr, sagt die Unternehmerin.
„Die Deutsche Bahn muss Familienbereiche auch schützen, wenn sie sie kennzeichnet – genauso konsequent wie alle anderen Schutzräume“. Eine technische Lösung dafür könnten eine Reservierungspflicht oder eine automatische Freihaltung nicht belegter Plätze in solchen Bereichen sein, schlägt sie vor. Oder zumindest Notfallprotokolle für Familien, wenn der Zug überfüllt sei. „Für mich ist der Familienbereich ein Sicherheitsraum, kein Komfort-Feature. Bei 300 km/h brauchen Kleinkinder festen Halt und Eltern Platz für den Kinderwagen“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland.
Rückblickend hätte sie ihren Beitrag gerne noch konkreter in diese Richtung formuliert. Denn im Kern gehe es ihr darum, ob es „ein verbrieftes Recht auf Familienbereiche“ geben sollte, oder nicht. „Die DB muss sich entscheiden: Sind Familienbereiche Service oder Schein? Solange das unklar ist, werden weiterhin Eltern – und vor allem Kinder – die Leidtragenden sein.“