Bürde des Bären beeindruckend beleuchtet: Freisinger Kunstausstellung regt zum Nachdenken an
Korbinian steht in Freisings Festjahr 2024 im Zentrum der Aufmerksamkeit. Bei einer Ausstellung hingegen sind es nun die vielen Packerl, die der Bär des Heiligen zu tragen hat.
Freising - Vier Frauen sind die Protagonistinnen der Ausstellung in Freisings Stadtkirche. Sturmwind 2.0 nennen sie sich. Dahinter stehen die Künstlerinnen Gabriele Abs, Helma Dietz, Maria Kiess und Elisabeth Seitzl. Ihre Kunstinstallation ist mit zwei Fragen überschrieben: „Wann, wenn nicht jetzt?“ und „Wer, wenn nicht wir?“
Zwei Fragen als Motto der Ausstellung
Wer die Kirche von der Rathausseite her betritt, kommt nicht an der Ausstellung, die noch bis zum 21. Juli zu sehen ist, vorbei. Über einem kreuzförmigen Tisch hängen Papierfahnen. Aus denen wurden Wörter herausgeschnitten. Auf den dunkleren Fahnen sind Negativbegriffe zu lesen. Zorn, Neid, Umweltzerstörung etwa. Auf den hellen Fahnen positiv konnotierte Wörter wie Hoffnung, Gemeinschaft, Mitgefühl.
Anna-Laura de la Iglesia y Nikolaus, Fachreferentin für byzantinische & klösterliche Sammlungen am Diözesanmuseum, die bei der Vernissage eine kunsthistorische Einordnung des Werks vornahm, assoziierte mit der Installation den Kampf zwischen Tugenden und Laster, sah darin eine Aufforderung, Position zu beziehen, einen Weg zwischen den dunklen und hellen Fahnen zu finden. Unter den Schlagwörtern, auf dem Kreuz-Tisch, liegen die Packerl – zusammengeschnürte Bücher – jene Last, die in sämtlichen bildlichen Darstellungen des Korbiniansbärs zu sehen ist. „Päckchen, von denen wir nie erfahren, was darin ist“, wie die Kunsthistorikerin sagte. Aus der Sicht des Bären seien sie eine Bürde, die ihm ungefragt auf den Rücken gepackt wurde.
„Aus Sicht des heiligen Korbinian waren diese Packerl sein Gepäck, das er brauchte, um den weiten Weg von Paris nach Rom zu laufen.“ Je nach Blickwinkel also etwas Überlebenswichtiges oder etwas, das einen den Weg nur unnötig schwer macht.
Eine Einladung, sich selbst zu hinterfragen
Kulturreferentin Susanne Günther unterstrich, wie ausdrucksstark der Spruch „Wann, wenn nicht jetzt?“ sei, verdeutliche er doch, wie essenziell wichtig es sei, sofort auf drastische Dinge zu reagieren. Denn: „Nicht zu handeln ist immer die schlechteste aller Lösungen.“ Und die Frage „Wer, wenn nicht wir?“ verdeutliche, dass „wir es sind, die handeln müssen, wenn sich ändern soll, was sich ändern muss“. Für jede und jeden einzelnen, der diese Ausstellung besuche sei es eine Einladung, zu hinterfragen, „was ist denn mein Päckchen, dass ich mit mir herumschleppe“. Und was müsse jede und jeder tun, um es loszuwerden.
Stadtpfarrer Daniel Reichel ging ebenfalls auf die Packerl ein, von denen manches leicht zu tragen sei und sogar Kraft und Energie gebe, andere jedoch das Leben schwer und untertäglich machen. Dabei hatte Korbinian einen Bären, der ihm die Last abnahm. „Und wir?“, fragte der Geistliche in die Runde der vollbesetzten St.-Georgs-Kirche. Die Fahnen dieser Kunstinstallation fordern die Menschen konkret zum Handeln auf. Haltung zeigen. Mut machen. Verzicht üben. Ein Besuch lohnt sich.