Vom freundlichen Gesicht zur Managerin: Naturkäserei verabschiedet Vorstandsvorsitzende
Die 17. Generalversammlung der Naturkäserei Tegernseer Land eG im Seeforum stand im Zeichen des Abschieds der Vorstandsvorsitzenden Sophie Obermüller. Ihrer fünfjährigen Arbeit galt der stehende Applaus der 194 anwesenden Genossen.
Nach der Begrüßung der insgesamt 220 Gäste durch Aufsichtsratsvorsitzenden Josef Kandlinger, legte Obermüller noch einmal den Bericht über das zurückliegende Geschäftsjahr 2023/2024 ab. Dabei ging sie nicht allein auf Kennzahlen, Maßnahmen und neue Konzepte ein, sondern auch auf aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklungen, um die Naturkäserei mit ihren 1 696 Anteilseignern, 15 Heumilch produzierenden Zulieferern und 48 Mitarbeitenden im überregionalen Kontext einzuordnen. Sie zitierte den Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry mit „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann“, um auf die kleinteilige, bäuerliche Landwirtschaft hinzuweisen, die im vergangenen Jahr zum ersten Landwirtschaftlichen Kulturerbe ernannt worden war und die Grundlage für den handwerklich hergestellten Käse sei. „Schmecken Sie die Perfektion?“, fragte sie lächelnd, bevor sie auf das gesunkene Bruttoinlandsprodukt, die Inflation und die Sorgen der Menschen einging. Dass Steuergelder nicht mehr zum Wohl der Bevölkerung eingesetzt würden und sich Arbeit nicht mehr lohne, schüre Ängste und Unmut und triebe die Menschen auf die Straße. Die Verrohung der Gesellschaft sei eine Gefahr. Es brauche klare Regeln und Besonnenheit – und keine Stimmungsmache. „Wir brauchen mehr Anpacker als Ankläger“, sagt sie.
Kerngeschäft
Obermüller berichtete, dass unter der Aussicht eines 365-Tages-Jobs in der Landwirtschaft und dem Druck der Regularien einige Milchviehbetriebe aufgegeben hätten. 2 166 895 Liter Milch und damit neun Prozent weniger als im Vorjahr sind im vergangenen Jahr angeliefert worden, wobei sieben Landwirte ihren Ertrag um insgesamt 3,8 Prozent steigern konnten. Es wurden 231 Tonnen Käse hergestellt und davon 206 Tonnen abgesetzt. Die Naturkäserei konzentriere sich vor diesem Hintergrund wieder mehr auf ihre Kernausrichtung – das Käsen. Die Frischprodukte wie Joghurt und Topfen gibt es seit vergangenem Jahr nur noch im eigenen Laden und auf den Märkten. Die Joghurt-Produktion sei komplett an den neuen Partner, die Hofmolkerei „Zum Marx“ aus Obersöchring ausgelagert worden. Die Einführung des halbfesten Schnittkäses als Biolinie sei ein meßbarer Erfolg, ebenso die Einführung der innovativen Molke-Limonade „Li-Muh“.
Investitionen
Mit Julia und Thomas Knabl hat die Käserei-Gastronomie seit Oktober 2023 neue Wirtsleute. Die Käserei investierte unter anderem 80 000 Euro in die Erneuerung der Pressstempel in der Käsemaschine. Außerdem 150 000 Euro in einen Schmierroboter, der demnächst mit 30 000 Euro Förderzuschuss aufgestellt wird und für körperliche Entlastung, konstante Qualität und Wirtschaftlichkeit sorgen soll. Für die Zukunft sind Führungen in der Käserei geplant, wo O-Töne der Landwirte und kindgerechte Info- und Spiele-Tafeln Einzug halten werden. Obermüller schloss mit einem herzlichen Vergelt’s Gott an alle Wegbegleiter der vergangenen Jahre, die herausfordernd gewesen sein. „Ich war immer bemüht, mein Bestes zu geben. Die Käserei steht gut da und ist gerüstet für die Zukunft.“
Herausforderungen
Vorstandsmitglied Wolfgang Rebensburg würdigte Obermüller, die das Amt vor fünf Jahren ohne Übergabe übernommen hatte als wahren Glücksfall. Sie habe Corona-Krise und Energiekrise in der Folge des Ukrainekriegs gemeistert, außerdem die Inflation, durch die die Menschen nicht mehr so viel Geld für Lebensmittel haben und durch die sich die Discounter-Neigung wieder erhöht habe. Aus dem freundlichen Gesicht, das mit maximal zehn Wochenstunden die Käserei vertreten sollte, sei eine Managerin geworden, die Verantwortung für 40 Mitarbeiter und die Einlagen von 1 700 Genossen übernommen habe. Angesichts des 60-Stunden-Jobs zusätzlich zum eigenen Hof und zur Familie, hätten die Genossen volles Verständnis, dass Obermüller jetzt Kraft tanken und ihrer Akkus wieder aufladen wolle. „Wir schätzen Deine kluge, pragmatische und vorausschauende Weise sehr. Sophie, Du wirst uns abgehen!“, sagte Rebensburg.