Lieferdienste-Boom hält an, Geschäfte lohnen sich wieder für Anleger

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    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
AFP via Getty Images Die Lieferdienste erwarten stark wachsende Umsätze, der Markt bleibt umkämpft.
Dienstag, 25.03.2025, 07:13

Als „Geldvernichtung auf zwei Rädern“ wurden Lieferdienste nach dem coronabedingten Boom klassifiziert. Anleger können an der neuen Konsolidierung in der Branche mitverdienen.

Man sieht sich immer zweimal im Leben, mag sich Fabricio Bloisi gedacht haben, als er 2019 beim Versuch abblitzte, den Online-Essenslieferanten Just Eat zu übernehmen. Als Firmenchef der niederländischen Beteiligungsgesellschaft Prosus zog er den Kürzeren gegenüber Takeaway.com. Der niederländische Platzhirsch hatte zuvor bereits die deutschen Anbieter Lieferando, lieferheld.de, Foodora und Pizza.de geschluckt.

Jetzt legt Prosus 4,1 Milliarden Euro auf den Tisch, um die fusionierte Just Eat Takeaway, kurz JAT, zu übernehmen.

Die Branche der Lieferdienste erwartet hohe Zuwachsraten.
Bloomberg, FOCUS MONEY Die Branche der Lieferdienste erwartet hohe Zuwachsraten.
 

Hinter Prosus steht der südafrikanische Medienkonzern Naspers. International bekannt geworden ist Prosus durch den frühen Einstieg beim chinesischen Internetkonzern Tencent.

Einen ähnlichen Glücksgriff wie beim Tencent-Investment erhofft sich Prosus-Chef Bloisi jetzt beim Aufbau einer globalen Plattform von Lieferdiensten. Wachstum und neue Arbeitsplätze, nicht Umstrukturierungen, sind das Ziel.

Dabei dreht sich im Lieferdienst-Sektor bereits das Karussell der Marktbereinigungen. So hatte Just Eat Takeaway im Herbst seinen Verlustbringer Grubhub zum Bruchteil des einstigen Kaufpreises an den Wettbewerber Wonder abgestoßen – ein Schritt, der wohl auch für Prosus den Weg für die Übernahmeofferte frei machte.

Dichte Spitze unter den Lieferdiensten.
FOCUS MONEY Dichte Spitze unter den Lieferdiensten.
 

Konsolidierung der Branche läuft

Für JAT bezahlt Prosus einen Aufschlag von 49 Prozent zum durchschnittlichen Aktienkurs der letzten drei Monate. Ein stolzer Kaufpreis, der auch zeigt, dass Lieferdienste an den Börsen nach den Kurseinbrüchen von 2022 und 2023 wieder gefragt sind. So hat der Aktienkurs des führenden US-Lieferdienstes Doordash fast wieder das Niveau des Allzeithochs von Ende 2021 erreicht.

Davon sind die deutschen Spezialisten Delivery Hero und Hellofresh immer noch weit entfernt. Aber die Investoren sind wieder bereit, die Essens- und Lebensmittel-Lieferdienste wieder mit frischem Kapital zu versorgen, wenn das Geschäftsmodell attraktiv erscheint. So hat der Berliner Lieferdienst Flink, der Supermarkteinkäufe binnen weniger Minuten ausfährt, im September in einer neuen Finanzierungsrunde 100 Millionen Euro eingesammelt. Im zweiten Quartal 2025 will das drei Jahre alte Start-up schwarze Zahlen schreiben.

Lieferdienste betreiben ein kostenaufwendiges Geschäft

Lieferdienste sind ein Markt mit niedrigen Eintrittsbarrieren. Dementsprechend schwer ist es, nachhaltig Gewinne zu erwirtschaften. Ein paar Fahrer engagieren und einige Restaurants einbinden reicht nicht aus, um profitabel zu wirtschaften. Zu viele wollen mitverdienen: die Restaurants, die das Essen zubereiten, die Fahrer, die das Essen ausliefern und diejenigen, die die Logistik dafür zur Verfügung stellen.

Dazu drücken die Ausgaben für Werbung und Rabattaktionen auf die Margen. Ähnlich verhält es sich mit den Lebensmittellieferungen. Das Geschäft ist extrem kostenaufwendig.

Vor allem die lokalen Warenlager binden Kapital. Selbst große Lebensmittelkonzerne wie Metro, Rewe oder Edeka tun sich sehr schwer damit, Gewinnmargen im mindestens mittleren einstelligen Bereich einzufahren.

Intakte Wachstumsstory des Markts für Lieferdienste

Dabei boomt der Markt für Online- Lieferservices weiter. 2023 belief sich der Umsatz mit Essenslieferungen weltweit auf rund 390 Milliarden Dollar.

Bei Lebensmittellieferungen waren es 640 Milliarden Dollar (Infografik oben). Anders als bei den Essenslieferanten ist bei den Lieferservices für Lebensmittel und der Einzelhandel nicht nur die Schnelligkeit der Lieferungen erfolgsentscheidend, sondern die Qualität und Vielseitigkeit der gelieferten Ware. Marktforscher sind sich darüber einig, dass dieser Markt in Zukunft das größte Wachstumspotenzial bietet.

Parallel zum Umsatzwachstum steigen die Nutzerzahlen – von 2,6 Milliarden Konsumenten im Jahr 2023 auf 3,7 Milliarden Personen im Jahr 2028. Wie lukrativ das Geschäft ist, zeigt sich auch darin, dass der Fahrerdienst Uber mit Uber Delivery einen Geschäftsbereich für Lieferdienste aufgebaut hat.

Wer sich langfristig behaupten will, muss den Qualitätscheck bei einigen Erfolgsfaktoren bestehen. Da wäre zum einen die richtige flächendeckende Präsenz. In der Praxis bedeutet das, über Beteiligungen und Tochterfirmen international mit verschiedenen Marken vertreten zu sein.

Konzentration auf einige wenige Standorte drückt Kosten

Zugleich ist die Konzentration auf einige wenige Standorte in einzelnen Ländermärkten ein probates Mittel, um die Kostenstrukturen zu verschlanken. Der Einsatz von digitalen Tools ist ein weiteres Vehikel, um profitabler zu arbeiten.

Kunden können per App Gerichte aussuchen, die dann gekocht und ausgeliefert werden. Eine andere App informiert die Kuriere darüber, wer die Bestellung aufgegeben hat und wo die Mahlzeiten abgeliefert und ausgeliefert werden müssen.

Digitale Zahlungsdienste und die Benutzung von Drohnen für die Lieferungen sind der nächste Schritt in dieser Wertschöpfungskette.

Bloomberg, FOCUS MONEY
 

Deliveroo A – Heißes Übernahmeziel

Digital erfolgreich: Die in London ansässige Gesellschaft Deliveroo A wird 2024 die Gewinnzone mit einem Überschuss von 110 bis 130 Millionen britischen Pfund erreicht haben. Deliveroo hat seine Präsenz verschlankt. So hat sich der Konzern 2019 mangels Rentabilität aus Deutschland zurückgezogen.

Zugleich wurde das Geschäft mit digitalen Tools auf Effizienz getrimmt. Eine App informiert die Kuriere, wer Bestellungen aufgegeben hat und wo die Mahlzeiten abgeholt und abgeliefert werden. Zugleich hat sich Deliveroo in den vergangenen Jahren verstärkt auf die Lieferung von Lebensmitteln und als Lieferant im Einzelhandel ausgerichtet.

Kunden nutzen die firmeneigene Plattform vor allem für mittelgroße Einkäufe zwischen 30 und 60 britischen Pfund. Dieser strategische Schwenk wirkt sich positiv auf die Profitabilität aus. Mit einer Eigenkapitalquote von 50 Prozent und einem Netto-Cashflow von 800 Millionen Euro ist Deliveroo finanziell sehr gut aufgestellt.

 

Bloomberg, FOCUS MONEY
 

Delivery Hero – Deutscher Comebackkandidat

Kräftiges Wachstum: Die Übernahme von JAT heizt Spekulationen an, dass Großaktionär Prosus bei Delivery Hero in Zukunft eine ähnliche Transaktion eintütet. Operativ läuft es beim Berliner Essenslieferanten.

Im Geschäftsjahr 2024 hat sich der operative Gewinn auf Ebitda-Basis von 254 auf 750 Millionen Euro fast verdreifacht. Der Gesamtumsatz kletterte um 22 Prozent auf 12,8 Milliarden Euro. Finanziell ist Delivery Hero mit 3,8 Milliarden Euro an Barmitteln sehr gut aufgestellt. Dazu hat der Börsengang der Nahost-Tochter Talabat im Dezember noch mehr finanzielle Beinfreiheit geschaffen. Von den zwei Milliarden Euro Emissionserlös will das Unternehmen die Hälfte für den Rückkauf von Wandelanleihen verwenden. Für 2025 peilt der Konzern auf Ebitda von 975 Millionen bis 1,03 Milliarden Euro an. Das Hauptaugenmerk der Investoren für 2025 wird darauf liegen, ob Delivery Hero auf operativer Ebene erstmals schwarze Zahlen schafft.

Delivery Hero
23,72 EUR
-0,10 (-0,42%)
Xetra
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Bloomberg, FOCUS MONEY
 

Prosus - Globaler Königsmacher

Breit diversifiziert: Die seit 2019 an der Börse Amsterdam gelistete Beteiligungsgesellschaft Prosus  landet mit der Übernahme von JAT einen weiteren Etappensieg.

Erklärtes Ziel ist es, bei den Lieferdiensten global ganz oben mitzumischen. Prosus ist Eigentümer des brasilianischen Online-Lieferdienstes iFood. Dazu hält der Konzern ein Drittel an Swaggy aus Indien und ist mit 23,6 Prozent an Delivery Hero beteiligt.

Die Online-Lieferdienste stehen für fast ein Viertel des Gesamtumsatzes. Die E-Commerce-Plattformen sind mit einem Umsatzanteil von 40 Prozent das mit Abstand größte Geschäftsfeld des Internetkonzerns. Im Ende März zu Ende gehenden Geschäftsjahr 2024/25 wird Prosus beim operativen Ergebnis die Gewinnzone erreicht haben. Der Konzerngewinn soll in den nächsten zwei Jahren im mittleren zweistelligen Bereich wachsen. Mit dem diversifizierten Geschäftsmodell können Anleger bei Prosus am künftigen Wachstum der Lieferdienstsparte mitverdienen, ohne das volle Risiko eines Gewinneinbruchs zu tragen.

Prosus
43,64 EUR
+0,06 (+0,13%)
Tradegate
  • 1 Tag
  • 6 Monate