9-Euro-Ticket, weg mit Homöopathie: Das bringen Forderungen der Grünen für Ihr Geld

Visionen statt Kompromisse wollten die Grünen auf ihrem Bundesparteitag am Wochenende in Hannover präsentieren. Herausgekommen ist ein buntes Bündel an finanz- und wirtschaftspolitischen Forderungen. An die großen Reformen traute sich die Partei nicht heran. Ein Vorschlag für eine Rentenreform soll analog zu den Plänen der Bundesregierung erst im kommenden Jahr entwickelt werden, auch zum Gesundheits- und Pflegesystem, Bürgergeld und Einkommensteuer gab es keine Beschlüsse. Doch Kleinvieh macht auch Mist und so lohnt es sich, das unter die Lupe zu nehmen, was die Partei am Wochenende tatsächlich in ihr Programm aufnahm. Zum Beispiel:

Die Rückkehr des 9-Euro-Tickets

Für alle bezahlbarere öffentlicher Personennahverkehr ist den Grünen schon seit langem ein Anliegen. Das in der Corona-Krise ausprobierte 9-Euro-Ticket ging auf die Idee der Partei zurück. Es war 2022 ein voller Erfolg und wurde in den drei Monaten seines Bestehens rund 62 Millionen Mal verkauft. Daraus entwickelte sich das heute noch existente Deutschland-Ticket, doch der Preis hat seitdem stark angezogen. Mittlerweile kostet es 58 Euro pro Monat. Das ist bereits hart an oder leicht über der Grenze dessen, was Menschen generell bereit sind, für so ein Ticket zu zahlen. Für viele Bürger mit niedrigem Einkommen ist es zu teuer.

Die Grüne Jugend setzte sich mit einem Antrag durch, wieder einen Preis von 9 Euro zu fordern. Der Bundesvorstand hätte lieber die realistischere Forderung von 49 Euro durchgesetzt. Denn das Deutschland-Ticket ist bereits jetzt ein Zuschuss-Geschäft. Bund und Länder zahlen pro Jahr etwa drei Milliarden Euro an die Verkehrsverbünde, um deren Verluste durch die Flatrate-Karte auszugleichen. Bei einem Preis von 9 Euro würden diese Kosten steigen.

Aktuell besitzen rund 13,4 Millionen Deutsche ein Ticket für 58 Euro. Würden allein all diese Personen nur noch 9 Euro bezahlen, müssten monatlich 656,6 Millionen Euro durch den Staat finanziert werden, pro Jahr also rund 7,9 Milliarden Euro. Allerdings ist davon auszugehen, dass ein 9-Euro-Ticket populärer wäre als die 58-Euro-Variante. Die wahren Kosten lägen also wohl höher. So ist es schnell möglich, dass hier Ausgaben von mehr als 10 Milliarden Euro im Jahr gegenfinanziert werden müssten. Derzeit teilen sich Bund und Länder die Ausgaben hälftig – bei so hohen Kosten dürften aber vor allem die notorisch klammen Bundesländer nicht mehr mitspielen.

Klimageld ab 2027

Das Klimageld wurde 2021 auf Wunsch der Grünen in den Koalitionsvertrag der Ampel geschrieben. Der Plan war, die Einnahmen aus dem CO2-Preis jedes Jahr auf alle Bürger verteilt wieder auszuzahlen. Dieses Jahr nimmt der Staat damit planmäßig 15,4 Milliarden Euro ein. Jeder Bundesbürger würde über ein Klimageld damit also rund 185 Euro erhalten. Bei einer vierköpfigen Familie wären das 740 Euro. Die Logik dahinter: Wer wenig CO2 in seinem Alltag verbraucht, bekommt mehr Klimageld als er für den CO2-Preis ausgegeben hat – jeder Verbraucher hat also einen Anreiz, Emissionen im Alltag einzusparen.

Obwohl es im Koalitionsvertrag stand, wurde das Klimageld von der Ampel nie umgesetzt. Lange wurde das damit begründet, dass die Infrastruktur für solche flächendeckenden Auszahlungen fehle. Die gibt es mittlerweile, technisch gibt es also keine Hürden mehr. Im aktuellen Koalitionsvertrag wird das Klimageld aber nicht einmal mehr erwähnt und wird deswegen wohl auch in dieser Legislaturperiode, also bis 2029, nicht umgesetzt. Dabei steigt der CO2-Preis jedes Jahr weiter an.

Die Grünen fordern nun eine Auszahlung ab 2027, können diese aus der Opposition heraus aber logischerweise nicht selbst umsetzen. Zudem solle das Klimageld sozial gestaffelt sein, Geringverdiener also mehr bekommen als Spitzenverdiener. Eine genaue Aufschlüsselung dafür fehlt aber. So oder so sind die Kosten hier sehr genau berechenbar, entsprechend sie doch den bisherigen Einnahmen des CO2-Preises, also 15,4 Milliarden Euro in diesem Jahr mit ansteigender Tendenz.

Steuern auf Privatjets, Business- und First-Class-Tickets

Großes Leitthema der Grünen war an diesem Wochenende, den Klimawandel sozial verträglicher zu managen. Hatten sie zuvor oft gefordert, etwa die Abgaben für innerdeutsche Flüge anzuheben, was alle Flugtickets verteuert hätte, geht es jetzt nur noch um Flüge von reichen Menschen. Entsprechend soll Deutschland der erst im Sommer gegründeten „Premium Flyers Solidarity Coalition“ beitreten. Das ist eine Vereinigung von acht Staaten – Frankreich, Kenia, Barbados, Spanien, Somalia, Bein, Sierra Leone und Antigua und Barbuda – mit dem Ziel, Flüge von Privatjets sowie Tickets für die Business- und First-Class stärker zu besteuern. Bei Privatjets läge die Abgabe dadurch etwa bei 420 Euro für innereuropäische Flüge pro Passagier und 2100 Euro bei Langstreckenflügen. Zudem sollen Privatjets zu einer besonders hohen Quote klimafreundlicher Kraftstoffe verpflichtet werden. Die Logik dahinter ist, dass besonders die kleinen Privatjets pro Passagier sehr hohe Emissionen verursachen – weit mehr als etwa Sie täten, wenn Sie in einem vollbesetzten Airbus in den Urlaub fliegen.

Der Antrag sagt nichts darüber aus, wie hoch die Einnahmen Deutschlands aus solchen Abgaben sein könnten und wie viel Business- und First-Class-Passagiere extra zahlen sollten. Die Organisationen Oxfam und Greenpeace hatten in einer Studie ausgerechnet, dass sich global mit solchen Steuern bis zu 78 Milliarden Euro pro Jahr erzielen ließen. Deutschlands Anteil am weltweiten Flugverkehr von 2,5 Prozent als Schätzpunkt genommen wären das knapp zwei Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr.

Keine Homöopathie mehr von der Krankenkasse

In einem kurzen und knappen Antrag beschlossen die Grünen die Forderung, über die Krankenkassen keine Leistungen mehr bezahlen zu wollen, deren medizinisch bewiesene Wirkung nicht über den Placebo-Effekt hinausgeht. Wörtlich genannt wird dabei Homöopathie. Die wird derzeit nicht von allen Krankenkassen übernommen, gehört aber bei vielen zum optionalen Teil des Leistungskataloges.

Für den Bundeshaushalt an sich hätte das keine Änderung. Das Geld, das die Krankenkassen sparen würden, könnten sie an anderer Stelle für Therapien ausgeben. Es gibt hier also keine Mehreinnahmen und -ausgaben. Auch der finanzielle Effekt auf die Kassen ist begrenzt. Zwar werden mit homöopathischen Mitteln in Deutschland pro Jahr mehr als 700 Millionen Euro umgesetzt, doch laut GKV-Spitzenverband lagen die Ausgaben der Krankenkasse dafür 2021 nur bei 22 Millionen Euro. Zur Einordnung: Das sind 0,008 Prozent aller Ausgaben.

Verschärfung der Erbschaftsteuer

Die Erbschaftsteuern in Deutschland sollen laut den Grünen erhöht werden – aber nur für Erbschaften im Wert von mehr als 26 Millionen Euro. Bisher können Erben über dieser Summe nachweisen, dass sie aktuell nicht genug Geld besitzen, um die fällige Steuer zu zahlen und werden dann von selbiger verschont. So zahlen Erben sehr hoher Vermögen oft wenig bis keine Erbschaftsteuer. Laut 2021 wurden so Steuern in Höhe von 7,4 Milliarden Euro erlassen, 2024 allein 3,4 Milliarden Euro.

Die Grünen wollen das so ändern, dass die Steuerbefreiung abgeschafft wird. Das gilt auch für Erben von mehr als 300 Wohnungen, die bisher befreit sind. Da aber der Erbe etwa eines Unternehmens die Erbschaftsteuer kaum auf einmal bezahlen könnte, ohne das Unternehmen oder Teile davon zu verkaufen, soll es „großzügige“ Stundungen geben. Der Erbe könnte dann also zum Beispiel jedes Jahr einen Teil des Unternehmensgewinns für die Steuer beiseitelegen und den Betrag so über mehrere Jahre ansparen.

Die Mehreinnahmen für den Staat würden dadurch bei geschätzten 4,5 Milliarden Euro pro Jahr liegen, allerdings käme dieses Geld den Bundesländern zugute, die die Erbschaftsteuer kassieren.

Abschaffung der Haltefrist bei Immobilienverkäufen

Eine weitere Forderung aus der Ampel-Koalition wärmten die Grünen am Wochenende neu auf. So gilt bisher beim Verkauf von Immobilien eine Haltefrist. Besitzen Sie ein Haus für mindestens zehn Jahre und verkaufen es dann mit Gewinn, müssen Sie auf diesen keine Steuern mehr bezahlen. Der Staat geht dann davon aus, dass Sie mit der Immobilie nicht mehr spekuliert haben. Genau diese Haltefrist wird aber von vielen Immobilieninvestoren ausgenutzt, um eben Steuern zu sparen. Die Grünen hatten schon vor einem Jahr ein Arbeitspapier vorgestellt, dass eine Streichung dieser Haltefrist vorsah. Die gleiche Forderung wurde jetzt auf dem Parteitag bestätigt.

Für Immobilienbesitzer soll es zudem noch zwei weitere Änderungen geben: Zum einen sollen künftig auch Immobiliengesellschaften gewerbesteuerpflichtig sein, was ihren Steuersatz von 15 auf 29 Prozent fast verdoppelt und „Share Deals“ verboten werden, bei denen Immobilienkonzerne Steuern umgehen, indem sie statt der Immobilien Anteile von Immobiliengesellschaften kaufen, die diese Häuser besitzen. Für den Staat würden diese Änderungen Mehreinnahmen von eins bis zwei Milliarden Euro pro Jahr bringen.

Kryptowährungsgewinne sollen besteuert werden

Es ist nur ein kleiner Nebensatz im selben Antrag, aber die Grünen wollen künftig auch die Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen besteuern. Bisher gilt: Kaufen Sie eine Aktie von Volkswagen für 100 Euro und verkaufen Sie für 110 Euro, dann zahlen Sie auf die 10 Euro Gewinn 25 Prozent Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag und eventuell Kirchensteuer. Machen Sie dasselbe mit Bitcoins, ist der Gewinn steuerfrei. Das soll nun angeglichen werden, so dass die Steuern auf beide Gewinnarten fällig werden.

Fazit: Hohe Kosten, geringe Einnahmen

Zusammengerechnet fordern die Grünen in ihren Top-Anträgen also Dinge, die rund 25 Milliarden Euro pro Jahr kosten würden. Dem gegenüber stehen aber nur Mehreinnahmen von rund 7,5 bis 8,5 Milliarden Euro. Eine Lücke von 16,5 bis 17,5 Milliarden Euro pro Jahr müsste also noch geschlossen werden.