Resturlaub ins Folgejahr mitnehmen: Experte klärt Arbeitnehmer-Mythos auf
Der Anspruch auf Resturlaub kann deutlich länger andauern, als viele Menschen glauben dürften. Experten geben Tipps, was Arbeitnehmer beachten sollten.
Hamm – Wer arbeitet, muss sich zwischendurch auch mal vom stressigen Job-Alltag erholen. In §1 des Mindesturlaubsgesetzes für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) heißt es: „Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.“ Doch nicht immer schaffen es Angestellte, ihre Urlaubstage allesamt in einem Kalenderjahr unterzubringen – so entsteht Resturlaub. Der verfällt nach einer gewissen Frist – doch die ist unter gewissen Umständen deutlich länger als gedacht.
Anspruch auf Resturlaub verfällt nicht zwingend – „Teilweise über mehrere Jahre hinweg“
Der Urlaubsanspruch von Angestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber ist grundsätzlich klar geregelt. „Arbeitnehmer müssen ihren Urlaub des jeweiligen Jahres bis zum Ende des entsprechenden Kalenderjahres nehmen, ansonsten verfällt er“, erklärt Jörg Tepper, Fachanwalt für Arbeitsrecht beim Rechtshilfe-Portal allright.de.
Allerdings hat auch der Arbeitgeber gewisse Pflichten einzuhalten, bekräftigt der Experte – darunter die sogenannte Mitwirkungsobliegenheit. Denn der die Mitarbeiter müssen durch den Arbeitgeber aktiv und in verständlicher Form auf die Anzahl der übrig gebliebenen Urlaubstage hingewiesen werden. Auch deren möglicher Verfall zum Jahresende muss entsprechend kommuniziert werden. „Erfüllt der Arbeitgeber diese Pflicht nicht so rechtzeitig, dass der Urlaub noch genommen werden könnte, bleibt jedenfalls der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch bestehen – teilweise über mehrere Jahre hinweg“, führt der Fachanwalt für Arbeitsrecht weiter aus.
Neue Rechtsprechung bringt Änderungen bei Resturlaub – Arbeitgeber muss Pflichten erfüllen
Wie die auf Familien- und Arbeitsrecht spezialisiert Kanzlei Hasselbach auf ihrer Website erklärt, „verjähren Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern nicht mehr, wenn der Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß auf den Urlaubsanspruch und den Verfall des Urlaubs hingewiesen hat“. Aufgrund einer „neueren Rechtsprechung von EuGH (Urteile vom 06.11.2018, Az.: C-619/16 und C-684/16) und Bundesarbeitsgericht (BAG) (Urteil vom 19.02.2019 – AZR 541/19)“ werde der „Arbeitnehmer nun noch ein wenig mehr in Schutz“ genommen, heißt es dort. Zuvor galt, dass eine Verjährung des Urlaubsanspruchs innerhalb von drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden war, eintritt.
Je nach Arbeitsvertrag kann es Arbeitnehmern erlaubt sein, ihren während des Kalenderjahres nicht verbrauchten Resturlaub in das Folgejahr zu übertragen. „Diese Regelung greift vor allem, wenn Arbeitnehmer aus betrieblichen oder persönlichen Gründen ihren Urlaub nicht rechtzeitig nehmen konnten“, erklärt Fachanwalt Tepper. Der Resturlaub muss dann aber in den meisten Fällen innerhalb der ersten drei Monate des Folgejahrs in Anspruch genommen werden.
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Ausnahmefälle bei Resturlaub: Wann Arbeitnehmer ihn auch rückwirkend noch lange beanspruchen können
Andernfalls verfällt der Resturlaub nach 31. März des Folgejahrs – es sei denn, es liegen diese Ausnahmefälle vor:
- Lang andauernde Krankheit des Arbeitnehmers: „Hier greift eine Sonderregelung: Wer seinen Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte, hat nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres noch 15 Monate Zeit, ihn nachzuholen. Danach verfällt er endgültig, sofern eine Arbeitsunfähigkeit in diesen 15 Monaten bestand“, erläutert Arbeitsrecht-Experte Tepper. Mit dieser Regelung soll einerseits verhindert werden, dass Arbeitnehmer infolge einer Langzeiterkrankung ihren Urlaub verlieren. Und auch der Arbeitgeber soll so geschützt werden, um das Anwachsen des Urlaubsanspruchs von langzeiterkrankten Arbeitnehmern zu unterbinden.
- Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Noch bestehenden Urlaubsanspruch können Angestellte auch nach der Kündigung noch geltend machen – in Form von Geld. „Wenn der Urlaub vor dem Ausscheiden aus dem Unternehmen nicht mehr genommen werden kann, muss der Arbeitgeber ihn finanziell abgelten“, so Tepper. Zudem gilt: Auch bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb eines Jahres haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf anteiligen Urlaub. Bereits beim vorherigen Arbeitgeber genommener Urlaub wird hier allerdings berücksichtigt.
Arbeitnehmer sollten sich regelmäßig genau über ihre eigenen Urlaubsansprüche informieren. Dazu zählt auch zu prüfen, ob der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt hat und seinen Angestellten rechtzeitig über möglichen Verfall von Resturlaub in Kenntnis gesetzt hat. Wurde dies nicht gemacht, kann möglicherweise auch noch rückwirkend Resturlaub eingefordert werden. Wen es in die Niederlande zieht, der muss beim Urlaub auch auf die geltenden Touristen-Steuern achten. (kh)