33 Jahre danach: Haftstrafe für Landsberger Ex-Mafioso
Landsberg - Es klingt wie aus einem schlechten Mafia-Film. Ein Gastwirt, Betreiber eines italienischen Lokals, soll Schutzgeld zahlen. Als er sich weigert, wird er massiv unter Druck gesetzt. Schließlich übergibt er den Gangstern 4.000 Mark. So geschehen 1990 in Landsberg. Einer der Täter wurde jetzt vom Amtsgericht Augsburg wegen räuberischer Erpressung verurteilt – 33 Jahre nach der Tat.
Der Angeklagte ist inzwischen 60 Jahre alt, ein harmlos wirkender Mann mit schütterem grauem Haar und Dreitagebart. Aufmerksam lauscht er den Worten der Dolmetscherin, die das Verfahren für ihn ins Italienische überträgt. Er trägt ein Kreuz um den Hals, doch das hat er unter dem Pulli verschwinden lassen, bevor der Vorsitzende Richter Nicolas Pfleil und die Schöffen den Gerichtssaal betreten haben.
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind heftig. Der Mann – er kam 1976 als 13-Jähriger mit seiner Familie nach Deutschland – soll im November 1989 gemeinsam mit einem Mittäter versucht haben, einen Landsmann an der Eröffnung eines Lokals in der Münchener Straße in Landsberg zu hindern. Als das nicht gelang, setzten sie den Gastronomen unter Druck, das Restaurant wieder zu schließen – oder ab Juni 1990 monatlich 1.000 Mark Schutzgeld zu zahlen.
Als der Gastwirt sich weigerte, erschienen der Angeklagte und ein Mittäter im November 1990 in dem Restaurant, um das Geld einzutreiben. Das Nein des Gastwirts quittierten sie mit massiven Drohungen. Es würden „Köpfe rollen“, er werde das abgeschnittene Ohr seines Kindes in einem Paket zugeschickt bekommen und seine Familie nicht wiedersehen. Daraufhin übergab der Gastronom am nächsten Tag 4.000 Mark an die beiden Männer. Das Geld teilten die Gangster unter sich auf.
1991 ging der Angeklagte zurück nach Italien und wurde erneut straffällig. Erpressung, unerlaubter Waffenbesitz, ein sexueller Übergriff auf eine Minderjährige sowie Diebstahl listet sein italienisches Vorstrafenregister auf. Insgesamt saß er acht Jahre im Gefängnis.
Die Tat in Landsberg wäre nach 20 Jahren verjährt gewesen. Doch weil 2006 gegen den Angeklagten ein Haftbefehl erlassen wurde, verlängerte sich die Verjährungsfrist auf 40 Jahre. Heuer im September wurde der 60-Jährige geschnappt und verbrachte drei Wochen in Untersuchungshaft.
Zu den Vorwürfen sagte der Angeklagte über seine Dolmetscherin: „Ja, es stimmt.“ Sein Geständnis ersparte dem Gericht eine umfangreiche Beweisaufnahme. Sechs Zeugen waren geladen, darunter der Gastwirt von damals. Dass ihm die Aussage über die belastenden Ereignisse erspart blieb, wertete das Gericht zugunsten des Angeklagten.
Allerdings wäre man angesichts der „sehr, sehr massiven Tat“ (Pfeil) dennoch bei einer mehrjährigen Haftstrafe gelandet, wenn die Ereignisse nicht schon so lange zurückliegen würden. Der 60-Jährige lebt seit kurzem bei seiner Mutter in Buchloe, hat eine Arbeitsstelle gefunden und sucht nach einer eigenen Wohnung, um seine Lebensgefährtin aus Venedig nachkommen zu lassen. Er möchte in Deutschland bleiben, weil hier auch seine erwachsene Tochter und sechs seiner acht Geschwister leben.
„Wer ihn heute sieht, der weiß, dass das, was früher in seinem Leben passiert ist, nicht mehr aktuell ist“, sagte Verteidiger Felix Hägele. Im Klartext: Von dem Mann gehe keine Gefahr mehr aus. Auch das Gericht rechnet nicht damit, dass der 60-Jährige noch einmal straffällig wird. Das Urteil fiel mit einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung entsprechend milde aus.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Aufgrund der Verständigung konnte nicht sofort auf Rechtsmittel verzichtet werden.