Wie kommen US-Fahrzeuge nach Russland? Mysteriöse Drohnen-Videos werfen Fragen auf
Trotz harter Sanktionen starten russische Drohnen offenbar von US-Pickups – ein Propagandafilm aus einer russischen Drohnenfabrik gewährt seltene Einblicke.
Jelabuga – Trotz der Sanktionen aus dem Westen verfügt Russland offenbar über US-amerikanische Pickup-Trucks. Das russische Staatsfernsehen zeigte in einer Dokumentation erstmals Produktionsabläufe in einer Drohnenfabrik in Jelabuga in der Oblast Tatarstan – in den Aufnahmen ist auch der Start einer Drohne von der Ladefläche eines modifizierten Ram 1500-Trucks aus den USA zu sehen.
Wie gelangen die Pickup-Trucks aus den USA nach Russland?
Laut russischer Propaganda ist die Fabrik in Jelabuga angeblich die „weltgrößte Fabrik zur Herstellung unbemannter Kampfflugzeuge - und um die geheimste“, wie Fabrikdirektor Timur Schagiwalejew in der Dokumentation im russischen Staatsfernsehen sagte. Laut Schagiwalejew, der selbst von den USA sanktioniert wurde, produziert das Werk aktuell ein Vielfaches der ursprünglich geplanten Stückzahl an Drohnen. Die Angaben ließen sich nicht verifizieren. Der Film zeigt Montagearbeiten durch größtenteils junge Beschäftigte, deren Gesichter aus Sicherheitsgründen unkenntlich gemacht wurden.
Produziert werden dort Geran-Drohnen, eine Weiterentwicklung der iranischen Shahed-Drohnen. Laut dem ukrainischen Militär kommt der Start von Geran-2-Drohnen von Pickup-Trucks aber nur selten vor. „Es ist schwierig, den Start einer Drohne mit Sprengstoff von einem solchen Fahrzeug aus sicherzustellen“, erklärte eine Quelle des ukrainischen Militärgeheimdienstes (HUR) gegenüber dem Kyiv Independent. Dennoch sind die Aufnahmen ein Beweis dafür, wie Moskau weiterhin westliche Sanktionen umgeht. Stellantis, der Mutterkonzern von Ram Trucks, hatte im Frühjahr 2022 die Produktion in seinem russischen Werk sowie alle Fahrzeugexporte nach Russland gestoppt.
Russland nutzt „Umladung“ gegen westliche Sanktionen im Ukraine-Krieg
Russland bedient sich einer gängigen Methode zur Umgehung westlicher Sanktionen, der sogenannten „Umladung“, wie es Alex Bashinsky, der Mitgründer des Global Sanctions Training Institute (GSTI) nennt. Dabei liefern in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ansässige Firmen die Fahrzeuge an russische Autohändler, die sie dann etwa an die Armee oder Drohnenhersteller weiterverkaufen können. Wie Recherchen von Kyiv Independent gelangten die Pickup-Trucks aus dem Video allerdings direkt aus den USA nach Russland.
Das in Virginia ansässige Unternehmen Arivir Corp verkaufte laut einem durchgesickerten russischen Zolldokument mindestens acht Ram 1500 TRX Trucks an das russische Unternehmen Arivir Rus. Kyiv Independent kontaktierte eigenen Angaben zufolge Arivir Corp., um zu fragen, ob das Unternehmen eine Lizenz für den Export von Fahrzeugen nach Russland habe. Bislang jedoch ohne Antwort. Laut dem ukrainischen Medium ist dieser Fall nur die Spitze des Eisbergs. Zwischen dem Beginn des Ukraine-Kriegs und September 2024 wurden demnach 130 Ram 1500 Pickup-Trucks nach Russland verschickt.
Moskau perfektioniert die Kunst der Sanktionsumgehung
Dass Moskau an Pickup-Trucks aus US-amerikanischer Produktion gelangen konnte, ist kein Einzelfall. Laut Recherchen des Kyiv Indepenent war Arivir Corp. auch nicht das einzige Unternehmen, das die Fahrzeuge nach Russland exportierte. Experten zufolge könnten die Firmen damit die US-Exportkontrollen verletzen und sich möglicherweise sekundären Sanktionen unterliegen. Wer sich nicht an die Regeln hält, riskiert unter anderem den Ausschluss vom US-Finanzmarkt oder hohe Geldstrafen.
Der Kreml hat viele Methoden, die Beschränkungen des Westens zu umgehen. Darunter beispielsweise die Abwicklung von Zahlungen über chinesische Banken, Importe von technischen Geräten aus verbündeten Nachbarländern, um an Halbleiter zu gelangen, sowie Öl- und Gasexporte über eine Schattenflotte. Längst können junge Menschen an russischen Universitäten auch studieren, wie sich Wirtschaftsbeschränkungen aushebeln lassen. Entsprechendes Fachpersonal ist auf Russlands Arbeitsmarkt begehrt.
2000 Drohnen auf einen Schlag: Russland plant womöglich Massenangriff auf die Ukraine
Das Propagandavideo aus der Drohnenfabrik könnte zudem ein Vorbote auf die künftigen Entwicklungen im Ukraine-Krieg sein. Der deutsche General Christian Freuding warnte unlängst im Bundeswehr-Podcast „Nachgefragt“, Moskau plane, die Ukraine bald mit 2000 Drohnen gleichzeitig anzugreifen. Dafür kurbelt Russland die Produktion von Drohnen massiv an.
Schon heute kann Russland 190 Drohnen pro Tag produzieren, bestätigt der ehemalige Nato-General Erhard Bühler in dem MDR-Podcast „Was tun, Herr General?“. Das Ziel sei, 500 pro Tag zu produzieren. „Da ist es nicht abwegig zu sagen, dass bis zu 2000 Drohnen auch eingesetzt werden können“, meint der Militärexperte. Zuletzt weiteten die russischen Streitkräfte ihre Angriffe mit Drohnen massiv aus. Pro Tag erreichten die Spitzenwerte teilweise bis zu 500 Drohnen, mit denen Moskau die Ukraine angriff.