Für heftige Reaktionen hat die Rede von Trumps Vize-Präsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz nicht nur unter Politikern, sondern auch in Medien gesorgt. Vor allem seine Bemerkung „Es gibt kein Platz für Brandmauern“, die auf eine Einbindung der in Teilen rechtsextremen Alice Weidel und ihr rascher Aufstieg in der AfD">AfD in Regierungskoalitionen anspielt, wurde selbst in US-Medien als grobe Einmischung in deutsche Innenpolitik gewertet. Auch der Satz, die „größte Bedrohung“ sähe er nicht in Russland oder China, sondern „innerhalb Europas“, wurde heftig kritisiert als ein Bruch mit dem altbewährten transatlantischen Bündnis.
„Vance bisher nicht als Kenner deutscher Innenpolitik aufgefallen“
Auch die deutschen Medien reagierten mit scharfen Worten auf den Vance-Auftritt. Mit Sarkasmus kommentiert die „Süddeutsche Zeitung“ die Auslassungen des Trump-Vizes: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Vance Programmatik, Wesen und Ziele der AfD studiert und bis ins Detail durchdrungen hätte, darf man als gering einschätzen. Trotzdem nutzte der Amerikaner, der bisher nicht als intimer Kenner der deutschen Innenpolitik aufgefallen war, seinen ersten Deutschlandbesuch als US-Vize allen Ernstes dazu, den deutschen Parteien mindestens indirekt die AfD als Partner zu empfehlen – einen Tag nach seinem Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau. Mit ‚Affront‘ lässt sich all das nur unzureichend beschreiben“.
“Vance-Auftritt wird in Geschichtsbücher eingehen"
Die „Rheinische Post“ glaubt sogar, dass der Vance-Auftritt in München in die Geschichtsbücher eingehen werde. Und zwar „...als der Tag, an dem die USA die enge Wertegemeinschaft mit Europa erstmal aufgaben. Die Ansage des US-Vizepräsidenten Vance an die europäischen Verbündeten ist an Härte kaum zu überbieten. Bei seiner Rede kommt es für Deutschland und die Europäer knüppeldick. Doch ausgerechnet der deutsche Bundespräsident übernimmt auf der Sicherheitskonferenz das Zepter. Er, dessen schärfste Waffe das Wort ist, wirft der US-Regierung in ebenfalls beispielloser Tonalität Rücksichtslosigkeit vor. ‚Diplomatie ist kein Käfigkampf‘, wirft Frank-Walter Steinmeier in den Raum und betont: ‚Was heute auf dem Spiel steht, ist die Selbstbehauptung unserer Demokratie.‘ Recht hat er – künftig leider auch mit Blick auf die USA".
Eine neue „Zeitenwende“ in der Politik"
Die „Augsburger Allgemeine“ merkt bissig an, dass es durchaus Gründe gäbe, den Europäern „die Leviten zu lesen“ und verweist auf das „Knausern bei Verteidigungsausgaben“ und eine „zögerliche Hilfe für die Ukraine“, schreibt das Blatt. „Der Zustand von Europas Demokratien aber – der muss nicht die Sorge der Regierung Trump sein, der sich mit Tesla-Gründer Elon Musk daran macht, die USA zu einer Art Tech-Autokratie umzubauen. Das Wort Zeitenwende wird oft überstrapaziert. Für die tektonischen Verschiebungen, die zwischen Europa und den USA drohen, ist es angemessen.“
„Unzulässige Einmischung in den Wahlkampf“
Der „Kölner Stadtanzeiger“ moniert vor allem eine illegitime Einmischung in den Bundestagswahlkampf. „Vor 80 Jahren haben die Amerikaner Deutschland die Demokratie gebracht. Nun unternimmt US-Vize-Präsident Vance den Versuch, Deutschland und gleich der ganzen EU einen rechtspopulistisch autoritären Kurs zu verordnen. Die Aufforderung von Vance an die Demokraten in Deutschland, mit der AfD zusammenzuarbeiten, ist eine unzulässige Einmischung in den deutschen Bundestagswahlkampf", schlussfolgert das Blatt.
„Größer könnten Chaos und Gefahren kaum sein“
Die „Berliner Morgenpost“ befürchtet eine drohende Neuverteilung von Aufgaben und Rollen bei den transatlantischen Beziehungen, an deren Ende man noch einmal wisse, ob die Partner überhaupt noch alle im selben Team spielten. „Sicherheit, Ukraine, Zölle, Energie, Handel: Donald Trump und seine Leute wollen einen einzigen, großen Deal zu ihren Gunsten. Als ‚disruptiv‘ wird die Politik der Trump-Regierung häufig beschrieben. Das klingt verwegen und couragiert. Die Wahrheit ist: Größer könnten das Chaos und die Gefahren kaum sein.“
„Frage, ob man mit dieser Administration noch reden kann“
Die „Nürnberger Zeitung“ stellt die Frage, inwieweit man nach der Vance-Rede überhaupt noch ernsthaft mit den USA reden können werde. „Ob es in Zukunft drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung sein sollten oder mehr, wollte man mit den Amerikanern diskutieren. Doch zumindest deren Delegationsführer Vance schien das alles nicht zu interessieren. Das führte notgedrungen zu der Frage, ob man mit dieser Administration überhaupt noch reden kann. Wahrscheinlicher aber ist: Die Trump-Regierung hat sich eine neue Welt gebaut, in der Europa kaum noch vorkommt."