Chaotische letzte Kriegstage: So waren die letzten Tage im Tölzer Land

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Erinnerten an das Ende der NS-Herrschaft: Historiker Michael E. Holzmann (re.) und Florian Völler, Kreisbeauftrager beim Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge. © Rainer Bannier

Vor 80 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Aus diesem Anlass finden in der Region viele Gedenkveranstaltungen statt, an denen maßgeblich auch der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge mit eingebunden ist.

Bad Tölz - Kreisbeauftragter Florian Völler begrüßte am Donnerstag im Tölzer historischen Sitzungssaal den Geretsrieder Historiker Michael E. Holzmann. Was beiden auffiel: Zur Veranstaltung waren nur ältere Interessierte gekommen. Junge Leute wollen offenbar andere Akzente setzen. Hingewiesen wurde deshalb auch auf ein „Ge(h)denken in Erinnerung an den Todesmarsch“ am kommenden Mittwoch, 30. April, ab 11.30 Uhr am Marienbrunnen, zu dem das Tölzer Gymnasium und das Kreisbildungswerk einladen.

Der Experte der NS-Zeit schilderte zunächst den militärhistorischen Ablauf des gesamten Kriegs im Zeitraffer. Er beschrieb die Einverleibung von Österreich und Tschechiens und den anschließenden Eroberungsfeldzug der Nazis in weiten Teilen ganz Europas. Nach der verlorenen Schlacht von Stalingrad im Winter 1942/42 im Osten und der Landung der Westalliierten in der Normandie am 4. Juni 1944 wendete sich das Blatt und das Dritte Reich wurde in verlustreichen Kämpfen niedergerungen.

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Ausführlicher ging Holzmann dann auf die Endphase des Zweiten Weltkrieges ein, als die Amerikaner von Nordwesten auf Bayern vorrückten, bei Dillingen die Donau und in Landsberg den Lech überschritten und sich über Weilheim dem Tölzer Land näherten. Ihnen stellte sich auch die fanatische SS-Division „Götz von Berlichingen“ entgegen, die mit Propaganda-Lügen und sinnlosen Durchhalteparolen aufhalten wollte, was nicht mehr zu stoppen war. Dieser absurde „Endkampf bis zum letzten Mann“ führte bekanntlich dazu, dass der Zweite Weltkriegs in dieser Phase besonders viele Opfer forderte.

Erinnerung an Mordnacht in Penzberg

Der Experte schilderte die Zerstörung der Munitionsfabrik in Geretsried aus der Luft am 9. April 1945, die Mordnacht von Penzberg am 28. April, die Zerstörung Thankirchens am 1. Mai, die Einnahme von Bad Tölz in der folgenden Nacht und den Kampf um Gaißach. Allerletzte Widerstandsnester versprengter Soldaten habe es nach Kriegsende noch in der Jachenau und im Karwendel gegeben. Doch die von den Nazis gestreute Nachricht von der „Alpenfestung“ erwies sich als Bluff. Süddeutschland blieb damit möglicherweise die Atombombe erspart, die später auf das japanische Hiroshima fiel. Pläne der Amerikaner, sie hier abzuwerfen, gab es tatsächlich, betonte Holzmann. Auch von den Nazis aufgestellte „Werwolf“-Gruppen, die in bereits besetzten Gebieten im Untergrund weiterkämpfen sollten, hätten hier keine entscheidende Rolle mehr spielen können.

Warum wurde Tölz nicht bombardiert?

In der Diskussion kamen einige Fragen auf: Warum ist Bad Tölz nicht bombardiert worden? Welchen Einfluss hatten die detaillierten Auskünfte des von Hitler abgesetzten und in Bad Tölz festgenommenen hohen Wehrmachtsgenerals Gerd von Rundstedt auf die letzten Kriegstage? Wo genau fand die von Gregor Dorfmeister in seinem „Brücke“-Roman geschilderte Verteidigung einer Loisachbrücke statt? Holzmann machte deutlich, dass noch viele Unklarheiten bestünden und dass bei weitem noch nicht alle Ereignisse der chaotischen letzten Kriegstage mit der Zwangsrekrutierung von Kinder- und Seniorensoldaten komplett ausgeforscht seien. (Rainer Bannier)

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