Ampel-Regierung bleibt trotz Bauern-Proteste hart - Landwirte verurteilen „faule Kompromisse“
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VonClaudia Möllersschließen
Die Bauern-Proteste zwingen die Bundesregierung nicht in die Knie. In einem Punkt zeigt sich die Ampel aber kompromissbereit.
Berlin – Trotz Lautsprecheranlage und bis zum Äußersten beanspruchten Stimmbändern schafft es Bundesfinanzminister Christian Linder gestern Mittag kaum, mit seinen Angeboten zu den tausenden Bäuerinnen und Bauern durchzudringen, die sich am Brandenburger Tor in Berlin zum Protest versammelt hatten. Allein aus Bayern sind Landwirte mit 40 Bussen in die Hauptstadt gefahren. Während die Polizei 8500 Teilnehmer schätzt, geht der Deutsche Bauernverband von rund 30 000 Demonstranten aus. Über 6000 Schlepper, dazu zahlreiche Lastwagen vom sympathisierenden Speditionsgewerbe blockieren die Straße des 17. Juni.
Zum Auftakt der Kundgebung fordert Bauernpräsident Joachim Rukwied die Bundesregierung auf, das Auslaufen der Dieselsubventionen zurückzunehmen: „Ziehen Sie die Steuererhöhungsvorschläge zurück, dann ziehen wir uns zurück.“ Als später FDP-Chef Lindner ans Mikrofon tritt, wird er von der wütenden Menge gnadenlos ausgepfiffen, mit „Hau ab“- und „Lügner“-Rufen übertönt – vor allem, als er betont, dass es weitere Mittel aus dem Staatshaushalt für den Agrarbereich nicht geben werde. Der Protest der Bauern sei bereits erfolgreich gewesen, erinnert Lindner an die Rücknahme der geplanten Kfz-Versicherung für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Mehr gehe nicht: „Alle müssen ihren Beitrag leisten.“ Seine Offerte, die Zeit des schrittweisen Abbaus des Agrardiesels zu einem Bürokratieabbau, einer steuerfreien Risiko-Rücklage und zu Möglichkeiten für mehr unternehmerische Freiheiten zu nutzen, geht im Pfeifkonzert unter. „Mein Angebot an Sie: Denken wir jetzt zusammen groß“, appelliert er an die Bauern. „Ich bin bereit, mit Ihnen über all das zu sprechen, was die Produktivität Ihrer Betriebe stärkt“, ruft der FDP-Vorsitzende den Landwirten, Spediteuren, Handwerkern zu – doch das ist nicht das, was sie hören wollen.
Bauernproteste wegen Streichung bei Agradiesel
„Der Bayerische Bauernverband ist offen für den politischen Dialog. Auch über die Vorschläge aus der Bundesregierung zur Finanzierung der Weiterentwicklung der Tierhaltung und zum Bürokratieabbau können wir diskutieren“, räumt Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner ein. Aber zuvor müsse die geplante Streichung vom Agrardiesel vom Tisch: „Wir akzeptieren an dieser Stelle keine Kompromisse und Ablenkungsmanöver!“
Auch als Lindner versucht, sich als Hobbyjäger bei den Bauern einzuschmeicheln, lässt das die Landwirte kalt, die über Stunden bei eisigem Wind ausgeharrt hatten, um der Politik den Marsch zu blasen. Nicht einmal mit seinen Spitzen gegen Klima-Aktivisten, Asylbewerber und Langzeit-Arbeitslose kann der Finanzminister punkten.
Ampelfraktionen treffen sich mit Bauernvertretern
Noch während die Kundgebung der Landwirte läuft, treffen sich die Vorsitzenden der drei Ampelfraktionen mit Vertretern der Bauernverbände – den Deutschen Bauernverband vertritt Generalsekretär Bernhard Krüsken. Ohne Ergebnis.
Kleinere Landwirte, die in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (abl) zusammengeschlossen sind, plädieren für eine Beibehaltung der Dieselsubventionen bis zu einem Verbrauch von 10 000 Liter pro Jahr – ein Vorschlag, den der Bayerische Bauernverband (BBV) aber ablehnt.
Vorschlag von Özdemir an Bauern und Landwirte
Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) wirbt für eine Tierwohlabgabe, aus deren Einnahmen Bauern beim Umbau ihrer Ställe unterstützt würden. „Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können – so, wie es doch alle verlangen.“
Auch der Bauernverband berät noch am Nachmittag das weitere Vorgehen. Wie man hört, setzen die Landwirte auf die Haushaltsberatungen in Berlin. Sie wollen den Austausch mit Politikern suchen, um bei der Abstimmung über den Haushalt doch noch zu erreichen, dass der Agrardiesel nicht ausläuft. Zunächst soll es keine weiteren Proteste geben – aber die politische Debatte geht weiter, zumal am kommenden Freitag in Berlin die „Grüne Woche“ beginnt, wo sich die ganze Agrarbranche auch zu Gesprächen mit Politikern trifft. Vor März können die Bauern mit ihren Schleppern auch wohl nicht auf ihre Äcker zurück – das Protestpotenzial im Agrarbereich ist demnach noch nicht erschöpft.
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