Wichtigster US-Banker warnt vor Risiken wie seit Zweitem Weltkrieg nicht mehr
Die aktuellen Risiken für die Weltwirtschaft sind laut einem US-Experten so groß wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Was helfe, sei eine gute Vorbereitung auf alle Eventualitäten – und Einigkeit.
New York City – Jamie Dimon, der CEO der US-Bank JPMorgan Chase, gilt als einflussreichster Banker in den USA. Seit über 40 Jahren ist der heute 68-Jährige in der Finanzbranche. Seine Führungsqualitäten konnte er insbesondere während der Subprime-Krise in den USA unter Beweis stellen: Dimon ist der einzige Großbankchef, der die Finanzkrise von 2008 an der Spitze überdauerte. In seinem aktuellen Aktionärsbrief warnt der Banker vor Risiken, „die alles in den Schatten stellen, was es seit dem Zweiten Weltkrieg“ gegeben hat.
Blick in die Zukunft: Jamie Dimon prognostiziert Risiken für Weltwirtschaft
Unter Dimon wurde die Bank JPMorgan Chase zur größten Bank der USA – und einer der größten weltweit. Das Wort des CEOs hat entsprechendes Gewicht in der Finanzbranche. Der CEO ordnet in seinem Aktionärsbrief die Auswirkung aktueller geopolitischer Krisen, wie den Ukraine-Krieg oder den Krieg in Gaza, auf die Weltwirtschaft ein. Würde man an einem beliebigen Tag in einem beliebigen Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg eine Zeitung aufschlagen, würde man zu jedem Zeitpunkt eine Fülle von Berichten über Kriege, Inflation, Rezession, Terror, politische Polarisierung, Migration und Hunger lesen, meint Dimon.
Aber: „So entsetzlich diese Ereignisse auch waren, die Welt war im Allgemeinen auf dem Weg, stärker und sicherer zu werden.“ Generell würden Menschen dazu neigen, die Auswirkungen solcher Ereignisse auf die Weltwirtschaft zu überschätzen. Nicht so aktuell: „Die jüngsten Ereignisse können jedoch sehr wohl Risiken schaffen, die alles seit dem Zweiten Weltkrieg in den Schatten stellen könnten – wir sollten sie nicht auf die leichte Schulter nehmen.“ Fast alle Nationen dieser Erde würden derzeit Unsicherheiten erfahren, manifestiert in Inflation und volatilen Märkten.
Sanfte Landung für USA? Dimon bezweifelt das
Angesichts der globalen Herausforderungen rief der CEO zur Einigkeit auf. „In dieser Zeit der großen Krisen ist es von größter Bedeutung, dass wir uns zusammenschließen, um unsere grundlegenden Freiheiten zu schützen, einschließlich der freien Wirtschaft.“ Die US-Wirtschaft sei weiterhin „widerstandsfähig, die Verbraucher geben weiterhin Geld aus und die Märkte erwarten derzeit eine sanfte Landung.“ Allerdings werde die Wirtschaft durch hohe staatliche Ausgaben und Konjunkturprogramme angekurbelt.
Zudem entziehe die quantitative Straffung dem System jährlich 900 Milliarden US-Dollar Liquidität – in noch nie dagewesenem Umfang. Hinzu kämen die Krisen und deren Effekte auf Lebensmittelmärkte, Migration und militärische Beziehungen. Er selbst bleibe daher „vorsichtig“, so Dimons Fazit. Die Anleger würden eine 70- bis 80-prozentige Chance auf eine weiche Landung einpreisen. „Ich glaube, dass die Chancen viel geringer sind“, so Dimon.
Zukunftsausblick: JPMorgan Chase rüstet sich für Zinssätze „zwischen 2 und 8 Prozent oder mehr“
Eine Herausforderung für die USA sei der Übergang zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft, die Umstrukturierung globaler Lieferketten, die Erhöhung der Militärausgaben und der Kampf gegen steigende Gesundheitskosten. Die Inflation sieht der JPMorgan-Chef damit weiterhin auf einem höheren Niveau, als Anleger erwarten. Das schlimmste Szenario sei aus seiner Sicht eine Stagflation. JPMorgan Chase ist laut Dimons Schreiben auf alle Eventualitäten eingestellt. Etwa auf ein breites Spektrum von Zinssätzen von zwei bis acht Prozent oder sogar mehr. „Wichtig ist, dass wir vorbereitet sind, damit wir unseren Kunden weiterhin helfen können, ganz gleich, was die Zukunft bringt“, glaubt der Bankchef.
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Die Führungsrolle der USA sei von außen durch andere Nationen bedroht, aber auch intern durch Polarisierung, meint der CEO. Dimon setzt sich in seinem Schreiben an die Aktionäre auch ausdrücklich für Gleichheit und Vielfalt ein und widersprach damit Argumenten der Republikaner, die dies als Förderung linker Ideologie und Diskriminierung bezeichnen. Im Februar verließen US-Investmentfirmen, darunter auch JPMorgan Asset Management, auf Druck von Republikanern eine Klimaschutz-Initiative für treibhausgasarme Investitionen.
Dimon steht als CEO seit 2006 an der Spitze von JPMorgan Chase und äußert sich in seinem jährlichen Aktionärsbrief neben der Performance der Bank auch regelmäßig zu politischen Themen, globalen Ereignissen und ihrem Einfluss auf die Wirtschaft. Seine Einschätzung der Weltlage ist dabei in der Regel umfangreich: Insgesamt hat das Schreiben in diesem Jahr fast 30.000 Wörter. In der Kritik stand JPMorgan Chase zuletzt unter anderem wegen des Vorwurfs, bei Geschäften des Finanzbetrügers Bernie Madoff sowie des verstorbenen Sexualstraftäters Jeffrey Epstein, untätig geblieben zu sein.