Seit gut einem Monat kümmert sich nun Pfarrer Michael Engel (47) um rund 7500 Katholiken im Pfarrverband Oberes Isartal. Bisher haben ihn seine Schäflein nicht enttäuscht – ganz im Gegenteil.
Mittenwald – „Ins Obere Isartal – da gehöre ich hin.“ Das oder etwas Ähnliches wird sich Michael Engel in der Osternacht in Mittenwald gedacht haben. Erzählt der neue katholische Seelsorger davon, dann strahlen seine Augen, dann gerät er regelrecht ins Schwärmen. „Die Choreografie, da passt alles zusammen.“ Denn dass um 5 Uhr morgens im vollbesetzten Barockjuwel plötzlich der Heiland zwischen Tabernakel und Altarbild erst bei rötlichem, dann immer hellerem Licht in Nebelschwaden aufersteht, hat der Geistliche, der in Schongau geboren und in Weilheim aufgewachsen ist, so noch nicht erlebt. „So ein Spektakel kennen wir eigentlich nur in Italien.“ Als kurz darauf der Kirchenchor unter der bewährten Leitung von Andreas Frey das Gloria anstimmt, weiß Michael Engel endgültig: Der Herrgott hat ihm einen geradezu paradiesischen Platz zugewiesen.
Nach etwas über einem Monat beim neu gegründeten Pfarrverband Oberes Isartal fällt sein Urteil jedenfalls eindeutig aus: „Mir gefällt es sehr gut, hier wird Tradition echt gelebt.“ Erfahren hat er das nicht nur in der Osternacht, sondern auch bei den wöchentlichen Ölberg-Andachten in der Fastenzeit. Engels felsenfeste Überzeugung: Zwischen Simetsberg und Porta Claudia gibt es noch echte Volksfrömmigkeit – die perfekte Basis für einen Überzeugungstäter wie Michael Engel. Folglich hat der Priester, der so erfrischend bayerisch spricht, noch keinen Tag unterm Karwendel bereut.
Er weiß auch, dass mit seinem Vorgänger Michael Wehrsdorf nach elf Jahren ein Seelsorger vom alten Schlag die 7500-köpfige Kirchengemeinde verlassen hat. Leutseligkeit und verständliche Ansprache möchte sein Nachfolger beibehalten. „Wir wollen schließlich die Heilige Schrift erfahrbar machen.“ Und dazu müsse der Pfarrherr beizeiten die Finger in die Wunden legen. „Weichspüler-Predigten“ soll's bei ihm nicht geben. „Das ist wie eine Welle, die drüber geht, aber keinen nass macht“, beschreibt Engel. „Da hat keiner was davon.“
Bis zum letzten Atemzug haben wir die Möglichkeit, die Barmherzigkeit Gottes zu nutzen.
Und wie sieht für den 47-jährigen Spätberufenen, der erst 2017 zum Priester geweiht wurde, das Leben nach dem Tod aus? Michael Engel überlegt kurz und antwortet: „Wir sterben nicht in den Himmel hinein.“ Eine gewisse Reinigung würde wohl jeder erfahren. „Denn jeder von uns hat etwas angestellt.“ Doch der Neue im Pfarrhaus spricht nicht vom Fegefeuer, das in früheren Zeiten bei Gläubigen Angst und Schrecken verbreitete. Engel empfiehlt, Pflöcke im irdischen Leben einzuschlagen. „Bis zum letzten Atemzug haben wir die Möglichkeit, die Barmherzigkeit Gottes zu nutzen.“
Etwas, was sein afrikanischer Amtsbruder Dr. Primus Asega aus Uganda, der im Sommer als Urlaubsvertretung kommen wird, mit jeder Phase tut. Er kämpft für die Ärmsten der Armen in seinem von Korruption geplagten Heimatland. Dort will er trotz lukrativer Angebote aus Deutschland bleiben. „Alles andere käme für ihn einem Verrat an seinem Land und seinen Landsleuten gleich.“
Inzwischen hat der Priester aus Afrika von seinem Glaubensbruder aus dem Werdenfelser Land gelernt, wie man Semmelknödel macht. Als Beweis zeigt Michael Engel ein Video auf seinem Handy. Darauf fischt Dr. Asega gerade Teigmasse aus einem Kübel und dreht die kulinarischen Köstlichkeiten. Engel, dem leidenschaftlichen Koch, geht auch dabei das Herz auf. Schon jetzt freut sich der Herr Pfarrer auf den 29. Mai – Christi Himmelfahrt. Denn dann entschwindet der Heiland nach oben durch die Kirchendecke von St. Peter und Paul. Auch ein Spezifikum, das es nur noch in Mittenwald, seinem neuen Sehnsuchtsort, gibt.