Kultur - Wieso gehen wir nicht nackt in die Kantine?
Kultur benötigt also immer die (implizite) Zustimmung ihrer Mitglieder. Sie müssen die Normen dieser Kultur als sinnvoll und für die Kultur als gewinnbringend erleben, auch wenn das meist ein komplexer, unbewusster Prozess ist. Kultur ist also keinesfalls statisch, sondern entwickelt sich ständig weiter.
Sie ist ein dynamischer Prozess, der von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen beeinflusst wird. Und Kultur beeinflusst diese Bereiche dann zirkulär zurück. Eine Kultur, die sich nicht an sich verändernde Bedingungen anpassen kann oder will, wird deshalb untergehen oder zur Änderung gezwungen, zum Beispiel durch Revolution. Das gilt für Zivilisationen ebenso wie für Unternehmen.
Zu welchen Phänomenen führt das in der Gesellschaft?
Innerhalb der Gesellschaft müssen Normen und Vorgaben immer wieder neu ausgehandelt werden. Das bedeutet Stress für den Einzelnen und Unruhe für die Gesellschaft. Jede mehrheitlich verordnete Änderung der Kultur stellt das Individuum aus der Minderheit in Frage, weil es sich fragen lassen muss, warum es sich bisher so und nicht anders verhalten hat.
Es ist anstrengend, ein „das haben wir schon immer so gemacht“ begründen zu müssen, vor allem, wenn sich herausstellt, dass die Norm einfach überholt ist. Man sich aber dennoch nicht ändern will.
Kulturelle Veränderung passiert deshalb umso reibungsloser und ist umso schneller verankert, je organischer und je schleichender sie ist. Umso mehr Mitglieder mit der Zeit von der Änderung überzeugt sind und je weniger Verhaltensänderung der kulturelle Wandel nötig macht, umso erfolgreicher die Veränderung. Wird die Veränderung zu schnell und nicht kompetent umgesetzt, dann wird es kritisch:
Kulturelle Änderungen, die „von oben“ verordnet werden, lösen bei einigen verstärkt Reaktanz, also Gegendruck, aus. Es kommt zum Kampf gegen die Änderung. Der Einzelne, der sich den neuen Normen nicht beugen will, kann dabei hohen Druck erfahren und als sozialer Außenseiter stigmatisiert werden. Umso intensiver das Auflehnen. Und das stresst wieder diejenigen, die die Neuerung bewerben. Jetzt haben wir Aktivisten auf beiden Seiten, und durch den Streit viel Stress in der Gesellschaft. Gleiches findet sich auch bei jeder Neuerung im Unternehmen.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Unternehmenskulturen haben oft besonders große Beharrungskraft. Unternehmenskulturen teilen sich mit anderen Kulturen aber auch, dass sie nicht immer gut für den Output sind. Dann muss man sie ändern bzw. etwas Neues an ihre Stelle setzen. Änderung bedeutet Stress. Zumal die Änderung einer Unternehmenskultur oftmals „von oben“ verordnet wird. So etwas wie „Wir sind jetzt agil!“ oder „Wir gehen jetzt wertschätzend miteinander um“.
Kultur und die Werte, die ihr zugrunde liegen, müssen allerdings gelebt und von den potenziellen Trägern als sinnvoll erlebt werden. Das heißt, die Mitglieder der Gruppe müssen vom Wert der neuen Regeln überzeugt sein. Schwierig, wenn die neue Regel z.B. darin besteht, ohne erkennbaren Eigennutz mehr arbeiten zu sollen. Oder wenn die Veränderung echt schwierig und komplex ist.
Außerdem: Änderungen mögen wir nicht. Sie bedeuten zunächst mal Stress und Ärger. Oft auch Mehrarbeit. Da haben wir keine Lust drauf. Das ist doch wieder was, was der Chef auf dem letzten Seminar gelernt hat. Und nur bis zum nächsten Seminar will. Besonders schwierig wird eine widersprüchliche Kultur übrigens für diejenigen, die sie tatsächlich leben wollen.
Wenn eine agile Kultur zwar propagiert, aber nicht gelebt wird, leiden gerade auch diejenigen, die wirklich agil arbeiten wollen. Wenn Out-of-the-box-thinking zwar in den Jobanzeigen steht, der Out-of-the-box-thinker aber trotzdem mit jeder neuen Idee vor die Wand fährt, weil: das haben wir noch nie so gemacht.
Wie kann eine Veränderung trotzdem und auch gegen eine Kultur gelingen?
Veränderungen gegen eine Kultur funktionieren nicht, sorry. Das wäre der statische geführte „Change-Prozess“ der jetzt beginnt und irgendwann in naher Zukunft zum Zeitpunkt X als abgeschlossen gilt. Und der zum Scheitern verurteilt ist. Verändert werden muss die Kultur.
Die angestrebten Veränderungen müssen auf jeder Ebene gelebt und verankert werden. Und das kann sogar bedeuten: „If you want to change the Management, change the Management“. Es müssen nämlich Menschen an die Schaltstellen, die die Kultur mit Leben füllen können und wollen.
Veränderung lebt von Konstanz und Vorbild. Andere müssen (und wollen) dann vielleicht sogar gehen, weil sie die angestrebten Veränderungen nicht mit tragen wollen oder können. Gleichzeitig müssen Mitarbeiter - und das wird oft vergessen - auch befähigt werden, neue Rollen und Werte zu leben. Das heißt zum einen, sie fachlich mit Hilfe von Trainings und Weiterbildungen zu befähigen, zum anderen, den neuen Werten entsprechendes Verhalten nicht bewusst oder unbewusst zu sanktionieren und zu sabotieren.
Veränderung bedeutet auch das HR oder Peoples-Department (oder auf gut Deutsch: die Personalabteilung) an Bord zu nehmen, das den Fokus auf das gewünschte Mindset legen muss, um Kandidaten einzustellen und auszuwählen, die zur Vision, den Zielen und der Kultur der Organisation passen. Wenn ein Change auf diese Weise langfristig geplant und etabliert wird, wird er zu einem organischen Kulturwandel und nicht zu einem Change gegen die Kultur.
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