Vor der Münchner Sicherheitskonferenz: Die Nato sortiert sich neu

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Alle warten gespannt auf den US-Friedensplan für den Ukraine-Krieg. In der Nato wachsen die Sorgen. Die Münchner Sicherheitskonferenz wird spannend.

München – Die beiden Hauptfiguren sind früh dran: Die Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof beginnt erst am Freitagmittag, doch US-Vizepräsident J.D. Vance wird bereits heute gegen 14 Uhr am Flughafen erwartet. Sieben Stunden später schwebt dann auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein. Wer die vollen Terminkalender der Konferenz kennt, wo sich Treffen an Treffen reiht, wird stutzig: Offenbar ist in diesem Jahr extra viel Zeit für Gespräche vonnöten. Die USA haben den Regierungswechsel gerade hinter, Deutschland wohl vor sich – und in der Ukraine wollen die USA eine Lösung für den Krieg herbeiführen. Es gibt sehr, sehr viel zu beraten.

Die Ausgangslage nach fast drei Jahren Ukraine-Krieg: Verhärtete Positionen und eingenommene Gebiete

An der Front in der Ostukraine kommen die russischen Truppen nach Monaten heftiger Kämpfe und unablässigen Vorrückens derzeit langsamer voran. Die Aufmerksamkeit scheint sich von den Schlachtfeldern weg zu verlagern. Selenskyj sendet Signale: Mit Trump ist er zu einem Abkommen bereit, das den USA Zugang zu seltenen Erden garantiert. Mit Putin möchte er für den Frieden Territorien tauschen. Russland reklamiert fünf ukrainischen Regionen für sich – die 2014 annektierte Halbinsel Krim sowie die Regionen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja. Die Ukraine hat Territorium in der westrussischen Region Kursk erobert. Natürlich lehnte Moskau Selenskyjs Vorstoß umgehend ab. Aber das gehört natürlich schon mit zum Poker. Die USA geben allerdings klare Signale: Eine Rückkehr zur Ukraine in Grenzen vor 2014 werde es nicht geben, heißt es.

Kommt ein Friedensplan? USA schickt Minister Hegseth und Trump-Vize Vance nach Europa

Kurz vor dem dritten Jahrestag des russischen Angriffs schickt Donald Trump hochrangige Mitglieder seiner Regierung nach Russland und in die Ukraine. Vance ist bereits in Europa, auch US-Verteidigungsminister Pete Hegseth traf gestern ein. Es wäre allerdings sehr untypisch, wenn der große Friedensplan nicht von Trump persönlich vorgestellt werden würde. Gerne macht er so etwas bei Fox News. Die Sicherheitskonferenz dürfte der diplomatischen Vor- oder Nacharbeit dienen.

Doch die Zeichen sind nicht eindeutig. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist in Sachen Frieden betont skeptisch: „Ein solcher Silberstreifen ist am Himmel nicht zu erkennen.“ Andere rechnen mit mehr Tempo, rätseln aber über den konkreten Inhalt. Eine Aufnahme der Ukraine in die Nato rückt jedenfalls in weite Ferne.

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth spricht zu Journalisten
Pete Hegseth ist der neue US-Verteidigungsminister. © picture alliance/dpa/AP | Michael Probst

„Die Vereinigten Staaten glauben nicht, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ein realistisches Ergebnis einer Verhandlungslösung ist“, sagte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth gestern bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel. Wahrscheinlich ist, dass dafür die EU eine aktivere Rolle einnehmen muss. Entweder durch Sicherheitstruppen für die Ukraine oder gar durch ein beschleunigtes Beitrittsverfahren. Die USA wollen keine Truppen schicken, sagte der neue Pentagon-Chef bereits.

Nato will Abschreckungsszenario gegen Russland aufrechterhalten – trotz Unsicherheit durch die USA

Klar ist: Unter den Nato-Staaten wächst die Sorge, selbst zum Ziel russischer Aggression zu werden – auch das wird in München ein wichtiges Thema. Generalsekretär Mark Rutte legte gestern neue Zahlen vor: Im vergangenen Jahr hätten die Nato-Länder in Europa sowie Kanada (also ohne die USA) 485 Milliarden US-Dollar in Verteidigung investiert, das seien fast 20 Prozent mehr als 2023. Zwei Drittel der Mitgliedsländer hielten inzwischen die Zusage ein, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung zu investieren.

Festnahme wegen „Hochverrats“

Der ukrainische Geheimdienst SBU hat eigenen Angaben zufolge ein hochrangiges Mitglied der eigenen Reihen festgenommen, das mit Russland zusammengearbeitet haben soll. „Der Stabschef des Anti-Terror-Zentrums des SBU hat für den Feind gearbeitet“, hieß es in einer Erklärung des SBU. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sei über das „mehrstufige“ und „äußerst komplexe“ Vorgehen zur Aufdeckug des mutmaßlichen Spions informiert worden, erklärte der SBU in der Mitteilung weiter.

Die Festnahme wegen „Hochverrats“ sei durch den Leiter des SBU, Wasyl Maljuk, erfolgt. Dem SBU-Beamten wird laut SBU zur Last gelegt, Informationen an Russland weitergeleitet zu haben, gegen das sich die Ukraine in einem mittlerweile seit beinahe drei Jahren andauernden Verteidigungskrieg befindet.

Aber trotzdem sieht Rutte Anlass zur Sorge: „Russland gibt derzeit 40 Prozent des Staatshaushalts für Verteidigung aus, rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts“, warnte der Generalsekretär. Würde Wladimir Putin heute ein Nato-Land überfallen, würde das für ihn „verheerend enden“, so Rutte. Aber die Nato müsse jetzt sicherstellen, dass dieses Abschreckungsszenarien in vier, fünf Jahren noch genauso gelte. Auch die Gefahr durch China wachse.

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth twitterte gestern vor seinem ersten Brüssel-Besuch gleich mal, wie er sich das vorstelle. Die Nato müsse „eine stärkere, tödlichere Kraft sein – kein diplomatischer Club“. (Mike Schier)

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