„Haben einen Fachkräftemangel“: Zugbegleiter spricht über Bahnstreik, Kundenfrust und Überstunden
Erneuter Streik bei der Deutschen Bahn: Ein Zugbegleiter und GDL-Mitglied erklärt, wie er die aktuelle Lage erlebt und die Menschen reagieren.
München – Passagiere der Deutschen Bahn müssen sich in den kommenden Tagen auf erhebliche Einschränkungen des Fahrplans einstellen: Mindestens sechs Tage lang soll der erneute Streik der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) andauern. Von Mittwoch bis Montag legt ein Großteil aller Mitglieder deshalb ihre Arbeit nieder – darunter auch viele Zugbegleiter, wie zum Beispiel Maximilian Helmschmied, Zugbegleiter und GDL-Bezirksjugendleiter Mitteldeutschland. In einem Interview mit watson.de vom 22. Januar beschreibt er, wie er die aktuelle Lage in seiner Rolle derzeit erlebt.
Zugbegleiter über Passagiere im Bahnstreik: „Meistens die dagegen, die betroffen sind“
Laut Helmschmied seien die Reaktionen der Fahrgäste auf die wiederkehrenden Streiks bei der Deutschen Bahn geteilt. Demnach hätten viele Bahnreisende Verständnis für die Streiks: „In meinem alltäglichen Berufsalltag ist es nicht so, dass ich angepöbelt werde“, so Helmschmied. Jedoch würden auf der anderen Seite viele Passagiere kein Verständnis für den Arbeitskampf der Angestellten aufbringen können: „Das hält sich so in Waage. Meistens sind die dagegen, die gerade betroffen sind“.

Generell hat der Zugbegleiter „als Kundebetreuer natürlich Verständnis für die Fahrgäste“, so Helmschmied gegenüber watson.de. „Ich versuche dann, auf die Fahrgäste einzugehen und die Sachlage zu erklären“. Dabei würde er den Frust der Kunden aufnehmen, „aber ich persönlich kann es nicht ändern: Wir haben einen Fachkräftemangel“.
Fachkräftemangel bei Deutscher Bahn: Personallage wird zum „Kernrisiko“
Dieser Fachkräftemangel im Zugverkehr ist keine Neuheit. Bereits 2022 veröffentlichte die Deutsche Bahn einen Bericht, aus dem hervorgeht, dass die Personallage zum „Kernrisiko“ für das Geschäft der Deutsche Bahn wird. Der Konzern habe demnach einen hohen jährlichen Neueinstellungsbedarf, der durch das altersbedingte Ausscheiden vieler Mitarbeiter als auch durch das tariflich vereinbarte Wahlmodell verstärkt würde.
Deshalb wollten die Verantwortlichen der Deutschen Bahn alleine im vergangenen Jahr rund 25.000 neue Mitarbeiter einstellen, wie tagesschau.de berichtet. Eine Anfrage vom 23. Januar von IPPEN.MEDIA, wie viele Neueinstellungen es 2023 bei der Deutschen Bahn tatsächlich gab, blieb bislang unbeantwortet.
Reaktionen auf Bahnstreik: Bonuszahlungen an Deutsche Bahn-Vorstand ist Kunden ein Dorn im Auge
Ein Thema, das den Fahrgästen jedoch besonders aufstoßen würde, seien die Bonuszahlungen an den Vorstand der Deutschen Bahn. „Da werde ich als Zugbegleiter angesprochen, wie es denn sein kann, dass man dem Vorstand Millionenbeträge auszahlt, aber die Züge hier stehen bleiben, weil die Mitarbeiter streiken. Dafür gibt es kein Geld. Und dafür habe ich, aber auch die Reisenden kein Verständnis“, erklärt Helmschmied.
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Wie Recherchen von NDR, WDR und der Süddeutsche Zeitung ergaben, sollen die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bahn Bonus-Zahlungen von 5 Millionen Euro erhalten. Die Rechtsgrundlage für die Zahlung sei, dass der Bahn-Vorstand seine selbst gesetzten Ziele in einigen Bereichen erfüllt hätte. Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Mobilität und Reisen der Verbraucherzentrale erklärte deshalb Ende 2023 gegenüber IPPEN.MEDIA: „Wenn der Aufsichtsrat es nicht schafft, die Auszahlung zu stoppen, sollten die Vorstände freiwillig auf die Boni verzichten“.
Verbraucherzentrale fordert Deutsche Bahn Vorstand auf, freiwillig auf Bonuszahlung zu verzichten
Den Bahnstreik, der auch Auswirkungen auf die Industrie haben könnte, bezeichnet Zugbegleiter Helmschmied als „folgerichtig“ und bezieht sich dabei auch insbesondere auf die Verhandlung zwischen Deutscher Bahn und GDL und „was der Arbeitgeber für Angebote unterbreitet“. Für Helmschmied ist die fehlende Bereitschaft der Arbeitgeber „natürlich ein Schlag ins Gesicht“.
Demnach würde den Mitarbeitern von der Gewerkschaft kommuniziert werden, dass die Deutsche Bahn wenig Verhandlungen zulässt: „Es ist nicht so, dass wir uns nicht darüber aufregen. Es könnte alles einfacher sein, auch aus Sicht der Mitarbeiter, aber scheinbar ist es ja nicht gewollt“, so der Zugbegleiter und GDL-Bezirksjugendleiter.
Deutsche Bahn macht vor Streik neues Angebot – GDL weist es als „Scheinangebot“ zurück
Der Konzern hatte der Gewerkschaft zuletzt ein Angebot gemacht, das bis zu 13 Prozent mehr Lohn beinhaltet und Angestellten bei gleichem Gehalt ermöglichen soll, ihre Arbeitswoche zum 1. Januar 2026 auf 37 Stunden reduzieren zu können. Das geht aus einer Pressemitteilung der Deutschen Bahn vom 19. Januar hervor. „Es gibt absolut keinen Grund mehr, sich Gesprächen zu verweigern. Die GDL muss sich nun ihrer Verantwortung stellen und mehr Verhandlungen wagen“, erklärte DB-Personalvorstand Martin Seiler. Die GDL wies das Angebot jedoch als „Scheinangebot“ zurück.
„Könnte alles einfacher sein“: Zugbegleiter macht über 150 Überstunden in nur einem Jahr
Aus dem Freundeskreis von Zugbegleiter Helmschmied würde es viele geben, die den Streik unterstützen und hinter seinem Job als Zugbegleiter „auch die Arbeit dahinter sehen und die Verantwortung im Vergleich zur Bezahlung sehen“. Damit spielt Helmschmied auf einen „sehr unregelmäßigen“ Schichtdienst an, der in der Regel zehn bis elf Stunden dauern würden.
Alleine im vergangenen Jahr hätte er deshalb mehr als 150 Überstunden gemacht, also knapp einen gesamten Arbeitsmonat mehr gearbeitet als sein Vertrag vorsehen würde. Deshalb würden viele von seinen Freunden die Forderung wie eine 35-Stunden-Woche nachvollziehen. Denn seine Zugbegleiter-Kollegen „machen das nicht nur fünf, sechs Jahre – es gibt Kollegen, die machen das seit 40 Jahren und manchen sieht man es auch an“, so Helmschmied. (bk)